STUTTGART
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Süd- und ITIitteldeutsdie
Reue folge der Bauzeitung für Württemberg, Baden, fiessen,
Clsaß-Oothringen.
Gegründet als Würtlembergisdie Bauzeitung im lahre 1904.
16./31. Mai 1920
Inhalt: Württembergische Technikarwoche. — Die Verwertung der Oelschieferschlacke.
— Vereins- und Standesfragen der mittleren Baubeamlen. — Rundschau. —
Der württ. Akademikerbund. — Vereinsmitteilungen. — Bücher.
Alle Rechte Vorbehalten.
Württ. Technikerwoche.
Für diese in Stuttgart vom 14.—17. Mai von dem Ver
band Technischer Vereine, unter der tatkräftigen Führung
seines Vorsitzenden, Oberbaurat Euting, ins Werk gesetzte
erste württ. Techniker-Woche war ein reichhaltiges, zeit
gemäßes Programm aufgestellt, ln seiner Eröffnungsan
sprache wies der Vorsitzende darauf hin, daß in allen
Kreisen der Bevölkerung ein wachsendes Interesse für die
weltumspannende Bedeutung der Technik und das Bedürf
nis nach sachgemäßer Aufklärung über ihre Probleme fest
zustellen sei. Durch die Technikerwoche wolle nunmehr
auch die gesamte Technikerschaft Württembergs vor der
breitesten Öffentlichkeit mit der Erörterung von solchen
technischen Fragen beginnen, die teils für das gesamte
wirtschaftliche und öffentliche Leben Deutschlands, teils für
unsere engere Heimat von allgemeiner Bedeutung seien.
Die ersten Forscher und Praktiker auf den betreffenden
Gebieten haben sich dem Verband in dankenswerter Weise
zur Verfügung gestellt. Erleichtert sei die Durchführung
des Unternehmens durch reichliche Beiträge aus den Krei
sen der Industrie, der Bauunternehmer und des Handels,
die der Verband zugleich als Zeichen eines regen Interesses
für seine Bestrebungen zu schätzen wisse. Wenn es ge
lungen sei, die gesamte vielgestaltige Technikerschaft des
Landes im Verband zu gemeinschaftlicher Arbeit zusammen
zu fassen, so sei dies nur möglich gewesen unter Aus
schaltung wirtschaftlicher Sonderintereessen. Dies bilde
einen Beleg dafür, daß ein gutes Stück Idealismus in der
Arbeit des Verbandes stecke. Die deutsche Technik gebe
sich der Hoffnung hin, ihrerseits zu der Wiederaufrichtung
Deutschlands in besonderem Mass beitragen zu können.
Erleichtert werde ihr diese Aufgabe durch eine verständnis
volle Anteilnahme von seiten des Volkes, die zu fördern
auch ein Ziel der Technikerwoche bilde.
Wir wiederholen hier kurz die Reihenfolge der Vor
träge. Zur Frage der „Ausnützung unserer Wasserkräfte“
sprachen Baurat Konz von der Ministerialabteilung für
Straßen- und Wasserbau Stuttgart und Oberbaurat Dr
ing. Maier, Vorstand des städt. Tiefbauamts Stuttgart.
Am 2. Tage wurde über „Die Verwertung des Oelschie-
fers Referate gehalten von 1.) Professor Dr. Sauer, Tech
nische Hochschule Stuttgart, 2.) Professor Dr. Grube,
Technische Hochschule Stuttgart, 3.) Bauinspektor DinL-
Ing. von der Burchard bei der Zentralstelle für Ge
werbe und Handel, 4.) Prof. Dr. Schmidt, Baugewerk
schule Stuttgart.
Am 3. Tag wurde „Bie Ausnützung der Torfmoore“
behandelt von 1.) Prof. Dr, Sauer, Techn. Hochschule
Stuttgart, 2.) Oberbaurat Ganz, Zentralstelle für die
Landwirtschaft, Stuttgart, 3.) Dr. S c h i c k 1 e r-Stuttgart.
Am 4. Tag sprach Ing. D a h 1-Berlin, Vorsitzender des
Reichsbundes Deutscher Technik über „Die Stellung des
Technikers im Wirtschaftsleben und in der Verwaltung“.
Am 5. Tag hielten Vorträge Professor Dr.-Ing. Wey
rauch, Technische Hochschule Stuttgart über „Das tech
nische Schulwesen“ und Regierungsbaumeister O. S t a h 1-
Stuttgart über „Die Technikerkammer“.
Soweit uns der Raum gestattet werden wir in den
nächsten Nummern die Referate wiedergeben; in der heuti
gen Ausgabe beginnen wir mit dem des Herrn Prof. Dr.
Schmidt.
Die Verwertung der Ölschieferschlacke.
Vortrag
von Professor Oskar Schmidt
auf der Technikerwoche 15. 5. 20.
Die Schlacken, welche beim Verbrennen von Oelschie-
fer Zurückbleiben, machen ungefähr drei Viertel vom Ge
wicht des frischen Schiefers aus. Damit ist schon gesagt,
dass der Verwendung der Schieferschlacken grösste Be
deutung zukommt. Müßte man sie als wertloses, lästiges
Abfallprodukt betrachten, so wäre die Durchführung der
Oel- oder Gasgewinnung aus Schiefer sehr erschwert.
Die Schlacke kann durch direktes Verbrennen von
Oelschiefer erhalten werden, oder durch Verbrennen von
Schieferkoks, wie er nach dem Abdestillieren des Bitumens
zurückbleibt. Sie ist eine leichte, porige Masse von hell
gelber bis brauner Farbe. Bei etwa 1000 Grad schmilzt
sie. Die dunkelbraune Schmelze hat ein spezifisches Ge
wicht von 2,6 bis 2,7.
Die chemische Zusammensetzung der Schlacke ergibt
sich aus der des Schiefers. Dieser kann, wenn man vom
Bitumengehalt absieht, als ein Mergel bezeichnet werden
d. h. als ein inniges Gemenge von Kalk (kohlensaurem
Calcium) und Ton. Ausserdem enthält der Schiefer stets
mehr oder weniger Schwefelkies in ziemlich ungleichmässi-
ger Verteilung. Dieser Bestandteil ist in allen Baustoffen
sehr gefürchtet u. macht eine direkte bautechn. Verwendung
des Oelschiefers unmöglich, denn die an feuchter Luft statt
findende Oxydation des Schwefelkieses ist mit starker
Ausdehnung verbunden, führt also stets zu Treiberschei
nungen.
Nur einige härtere Platten im Schiefer sind schwefel
kiesfrei und zeigen kein Treiben. Diese schwarzen „Fleins
platten“ von insgesamt etwa 12 Zentimeter Dicke sind so
wertvoll (heute etwa 100 M. pro 1 qm.), daß in der Gegend