15. Februar 1919.
BAUZEITUNG
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sorgen, daß dem Technikerstand im öffentlichen Leben
die Stelle eingeräumt wird, die ihm gebührt. Damit ist
der Verband technischer Vereine Württembergs, der s. Zt.
gegründet wurde als es sich darum handelte für die Be
setzung einer besoldeten Qemeinderatstelle in Stuttgart
durch einen Techniker einzutreten, zu neuem Leben er
wacht. In der Versammlung des Verbands am 22. Dez. v.
Js. im Stadtgartensaal in Stuttgart wurde nach dem Be
richt des württembg. Baubeamtenvereins in der Bau
zeitung auch ganz besonders die Notwendigkeit betont
und die bestimmte Forderung ausgesprochen, daß in Zu
kunft die Leitung technischer Stellen Technikern und
nicht, wie bisher meistens üblich, Juristen oder Ver
waltungsbeamten zu übertragen sei und daß auch den
Technikern in wirtschaftlichen und politischen Fragen ein
der Wichtigkeit der Technik für die Gesamtheit ent
sprechender Einfluß zu gewähren sei. Zur Erreichung
dieses Zieles werden auch wir mittleren Techniker freu
dig und energisch eintreten. Wir können aber dabei
nicht umhin den Wunsch auszusprechen, daß die Tech
niker, die in leitende Stellungen gelangen, sich auch,
soweit es sich mit ihren allgemeinen Pflichten verein
baren läßt, der Technikerschaft annehmen, ähnlich wie
das bei anderen Berufen der Fall ist. Wir beamteten
mittleren Techniker haben in dieser Beziehung nicht
immer erfreuliche Erfahrungen gemacht. Unsere Bestreb
ungen um Verbesserung unserer Stellungen haben ge
wöhnlich nicht die zu erwartende Unterstützung seitens
der höheren technischen Beamten gefunden. Wir muß
ten eher erfahren, daß das Bestreben vorhanden war,
uns möglichst unten zu halten. Besonders unsere
Wünsche nach mehr Selbständigkeit und Erweiterung
unserer Befugnisse wurden z. T. in kleinlicher Weise be
kämpft, so daß die ängstlich behütete Kluft zwischen
Akademiker und Nichtakademiker bei den Technikern immer
mehr vergrößert wurde. Die Gründe wollen wir uner-
örtert lassen, teilweise liegen sie eben auch in dem ver
alteten System. Dort wo unsere Bestrebungen um Besser
ung unserer Lage und um die Gleichstellung mit den
nichttechnischen Beamten Erfolg hatten, haben wir dies
zum größten Teil den höheren Verwaltungsbeamten zu
danken, die für unsere Wünsche mehr Wohlwollen und
Verständnis zeigten. Wir hoffen aber, daß auch hier ein
der neuen Zeit entsprechender Wandel eintritt und daß
das Zusammengehörigkeitsgefühl erwacht und gedeiht.
Nicht wo und wie der Mann sein Wissen und Können
geholt hat, sondern die Tüchtigkeit und Fähigkeit zur
Anwendung des Wissens und die allgemeinen mensch
lichen Eigenschaften müssen für seinen Wert bestimmend
sein. H.
Techniker heraus!
Von Regbmstr. W. Remppis, Gemeinderat in Nürtingen.
Der Weckruf gilt auch allen Bauarbeitern, Bauhand
werkern, Unternehmern, sowie der gesamten Bauindustrie.
Unser deutsches Staats- und Wirtschaftsgebäude, von
einem besonnenen Bauherren und einem genialen Bau
meister einst begonnen, ist infolge der langanhaltenden
Stürme des Weltkrieges und innerer Schäden zusammen
gestürzt. 1
An diesem Zusammenbruch trägt auch die Tatsache
mit Schuld, daß der Techniker nicht immer zur rechten
Zeit am richtigen Platze war. Die Techniker, die im
Kriege Einblick in die Bewertung und Verwendung des
Technikers bei den militärischen Stellen erhielten, werden
zugeben, — wieviel mehr gute und wichtige Arbeit mit
viel weniger Aufwand — im Felde hätte geleistet werden
können, wenn beim Beginn des Stellungskrieges von der
Meeresleitung der Ruf ergangen wäre: „Techniker an die
Front!“, wenn in die militärischen Behörden im Felde
erfahrene technische Kräfte — ohne Rücksicht auf ihren
militärischen Dienstgrad — eingesetzt worden wären,
wenn bei den Heeresgruppen, bei den Armee-Oberkom
mandos zu den Oeneralstäben — Baustäbe zur unmitteL
baren Beratung, Organisation, Ueberwachung der Bau
betriebe, zur Schaffung einwandfreier, einheitlicher Pläne
berufen worden wären, wenn Kavallerie-Stäbe und andere
Dienstgrade, die von Technik und technischem Großbe
trieb wenig oder nichts verstehen konnten, durch Fach
leute ersetzt worden wären. Die da und dort vorhande
nen Baudirektionen entsprachen in den wenigsten Fällen
dem wohlklingenden Titel, da sie in der Hauptsache Kies
und Schotter lieferten und sich auf den Bau von Baracken
nach Schema F beschränkten oder beschränken mußten.
Und wieviel haben diese Mißstände im Stellungsbau
betrieb, ferner die Kolonialverträge, die überhohen Löhne
— ohne entsprechende Gegenleistungen u. a. mehr dazu
beigetragen, Unzufriedenheit und Mißstimmung bei den
Fronttruppen zu erregen!
Vorwiegend technisch und kaufmännisch geschulte
und erfahrene Kräfte hätten bei der Organisation und dem
Betrieb dieser Millionen-Unternehmungen in erhöhtem
Maße eingesetzt werden müssen. Die Techniker waren
vorhanden, allein sie saßen als geschätzte Arbeitsbienen,
als Schreiber und Zeichner in den Feldwebel-Schreib
stuben oder an untergeordneter Stelle auf den fortifikato-
rischen u. a. Büros. Bei der Leitung und Aufsicht im
Stellungsbau waren sie wenig anzutreffen oder waren sie
infolge Fehlens eines militärischen Ranges in ihrer Tätig
keit lahmgelegt. Bei Anforderungen von Technikern auf
dem Dienstwege vergingen immer Wochen, bis ein Be
scheid, in der Regel „Fehlanzeige“, eintraf. Dabei erhielt
der Einsender als Vorstand der Bauabteilung einer Armee=
bauleitung auf direkte Anfragen bei den Pionier-Ersatz-
Formationen, durch Ausschreiben in der Tagespresse in
kürzester Zeit von allen Frontstellen im Osten und Westen
ca. 500 Angebote von Technikern in allen militärischen
Dienstgraden. Dieser Weg war aber verboten, aber er
führte zum Ziel, die Zahl der Techniker genügte, um drei
Armeen zu befriedigen! Die Bewerber führten bitter Klage
über ihre unzweckmäßige Beschäftigung, während
draußen im Felde Philologen, Juristen, Pionierparks ver
walteten und notgedrungen großen Schaden anrichteten,
Nichtfachleute Stellungsbauten beaufsichtigten als Kon-
trollpersonen der Unternehmerbetriebe!