15. Februar 1919.
BAUZEITUNG
19
tätigkeit zusammenzusetzen. Eine weitere Aufgabe ist,
die Aufstellung von Bewerbern für öffentliche Aemter in
Gemeinde und Staat durch Abstimmung im Techniker-
Verband. Die Annahme einer Kandidatur ist Ehrenpflicht
eines jeden, wirtschaftlich Schwache sind zu unterstützen,
so daß sie in der Lage sind, ihre Befähigung in den Dienst
der Allgemeinheit und des Standes zu stellen. Die Kan
didaten sind den politischen Parteien mit der im Tech
niker-Verband erhaltenen Stimmenzahl zur Aufnahme in
die politischen Wahlvorschläge vorzuschlagen. Diese
Auswahl den Parteien zu überlassen, liegt nicht im Inter
esse des Standes und der Sache. Die Entscheidung über
Techniker als Vertreter der Technik ist in erster Linie
durch Techniker zu fällen, in zweiter Linie erst durch
Ausschüsse von Nichfachleuten. Pflicht der Techniker in
den einzelnen politischen Parteien ist es dann, für die Er
füllung des Vorschlags des Techniker-Verbandes in ihrer
Partei mit allen Kräften einzutreten.
Den Technikerkammern in den Bundesstaaten hat als
oberste Vertretung zusammenfassend eine Techniker-
kammer im Reiche zu folgen. Die Technikerkammer hat
mit verwandten Vereinen Fühlung zu nehmen, nicht zu
vergessen die Bauarbeiter-Gewerkschaften, ebenso mit den
Lehrkörpern von Bauschulen, Hoch-, Mittel- und Volks
schulen.
Zur Heranziehung der Techniker zur Lösung großer
Volksaufgaben hat die Technikerkammer mit Regierungs
und Verwaltungsstellen, desgleichen mit der Volksvertre
tung frühzeitig in Verbindung zu treten.
Zur Erleichterung und Hebung der Privatbautätigkeit
ist es Aufgabe des Verbandes, im Reiche und unter den
Bundesstaaten auf einheitliche und einfachere Aufstellung
der Baugesetze und in ihrem Gefolge auch der Ortsbau
statute hinzuwirken. Die neue Zeit verlangt neue Bau
gesetze! „Weniger Paragraphen und Seiten, dafür mehr
Klarheit und Freiheit.“ Zweck des Gesetzes ist neben der
Gewähr für Sicherheit, Schönheit und Hygiene, Erleich
terung und Verbilligung des Bauens — nicht Erschwerung
und Verteuerung! Die Baugesetze sind in erster Lime
vom Techniker zu bearbeiten und aufzustellen, vom Ju
risten formell zu beraten.
Für die baldmöglichste Durchführung des Siedlungs
und Kriegerheimstättenwesens zur Behebung der Arbeits
not im Bauhandwerkerstand, des Wohnungelendes sind
bei der Regierung jetzt schon Sonderbestimmungen zu be
antragen :
a) Zur Erleichterung und Verbilligung der Klein
wohnungs-Bauweise als Grundlage für eine vorläufige
Milderung und Abänderung der Ortsbaustatute, bis ent
sprechende Baugesetze erlassen sind.
b) Zur Enteignung von Bauland für gemeinnützige
Zwecke durch Gemeinde und Staat, Festsetzung der Kauf
preise, von Vor- und Wiederverkaufsrechten für die Ge=
meinden. Siehe die diesbezüglichen Anträge des Vereins
der Bodenreformer.
NB.!! Um diese Fragen größter volkswirtschaft
licher und sozialer Bedeutung zu lösen und in die Wirk
lichkeit umzusetzen, braucht der Technikerstand eine ge
nügend starke und befähigte Vertretung in Gemeinde und
Staat und in den Landständen. Ein Blick in die Mitglieder
listen der Landesversammlungen zeigt eine sehr schwache
Vertretung des Technikerstandes gegenüber anderen Be
rufsarten. Ein Beweis, wie wenig Bedeutung den tech
nischen Fragen und Aufgaben, dem ganzen Wirtschafts
leben, das im Rahmen der Technik sich abspielt, von Sei
ten der Parteiausschüsse beigelegt wird. Den politischen
Parteien ist die Führerrolle des Technikers und die große
Gefolgschaft, die hinter ihm steht, klarzulegen!
Engherzige und unfähige Baupolizeibeamte sind zu
entfernen. Ihre Aufgabe ist Unterstützung des bauenden
Publikums und nicht unnötige Behinderung. Auf Be
schleunigung des Genehmigungsverfahrens für die Bau
gesuche ist zu dringen! Deshalb Beiziehung des Plan
verfertigers zu den Verhandlungen der Baupolizei, hier=
durch Ersparnis von Zeit und Schreibarbeit.
Damit hängt eng die weitere Forderung zusammen;
Den Baubeamten, die Bau-Aufsicht, Schätzungen und be
ratende Tätigkeit in Gemeinde und Staat auszuüben haben,
ist jede private Bautätigkeit zu verbieten, dadurch werden
sie unparteiisch ihres Amtes walten können, ihre Zeit und
Arbeitskraft wird für die Aufgaben zur Verfügung stehen,
für die sie von der Oeffentlichkeit bezahlt werden. Die
Gehälter der Beamten sind so zu gestalten, daß sie ihren
amtlichen Leistungen entsprechen.
Das Verdingungswesen bedarf durch gemeinsame
Zusammenarbeit mit den Handwerkskammern einer durch
greifenden Verbesserung. Das Prozent-Abgebotsver-
fahren, das einerseits zu oberflächlicher und leichtfertiger
Bearbeitung der Angebote durch den Unternehmer ver
führt, andererseits bei mangelhafter Preisbildung durch
den Techniker ihn schädigt, gehört verboten.
Die Abrechnungen für geleistete Bauarbeiten sind zu
beschleunigen. Der Techniker hat einerseits für gute Ar
beitsausführung, andererseits für rechtzeitige Entlohnung
guter Arbeit einzutreten. Zur raschen Durchführung der
Abrechnungen hat er entsprechende Hilfskräfte einzu
stellen. Nach Fertigstellung des Baues ist eine Mindest
frist für die Erledigung der Abrechnung gesetzlich fest
zulegen.
Provisionen, zu deutsch „Schmiergelder“, für Bau
stofflieferungen und dergleichen gehören nicht in die
Tasche des Technikers, sie sollen dem Bauherren zugute
kommen.
Die Gebührenordnung für Architekten u. Ingenieure
ist zeitgemäß aufzustellen und den neuen Verhältnissen
anzupassen, es ist ihr gesetzliche Anerkennung zu ver
schaffen.
Das Recht, technische Pläne zu fertigen, ist durch
einen Befähigungsnachweis vor der Technikerkammer zu
erwerben, sofern die Fähigkeit durch staatliche Prüfungen
nicht nachgewiesen wird. Es ist ein Unding, daß zum
Beispiel einfache Lagepläne nur vom geprüften Geometer
und höher geprüften Techniker mit entsprechender Note
gefertigt werden dürfen, während der oft viel schwierigere
Bauplan von Nichtfachleuten oder angeblichen Maurer
meistern angefertigt und unterzeichnet werden darf. Da
her Annahme von Bauvorlagen durch die Baupolizei nur
von anerkannten freien Architekten.
Hand in Hand damit ist gesetzlicher Schutz der
Techniker-Titel: Architekt, Baumeister, Ingenieur u. a. auf
Grund bestimmter Definition und bestimmter Vorbildung
anzustreben.
Die Bauberatungsstellen in Land und Reich für land
wirtschaftliche und andere Bauten, die ihr Amt zur Plan
fertigung zum Nachteil des freitätigen Technikerstandes
ausnützen, bei denen der beratende Charakter Mittel zum
Zweck wird, sind auf die Ursache und den Zweck ihrer
Tätigkeit hinzuweisen, jede andere Tätigkeit ist zu ver
bieten. Eine Planfertigung kan für sie nur dort in Be
tracht kommen, wo an Ort und Stelle oder in der Nähe
keine geeigneten Kräfte zur Verfügung stehen.
Die Herstellung der Baustoffe und ihr Vertrieb ist
von jeder Art von Sozialisierung zu schützen und bald
möglichst freizugeben.
Alle während des Krieges zurückgestelHen staatlichen
und städtischen Bauten sind zur Behebung der Arbeits
not in Angriff zu nehmen, insbesondere die seither viel
fach unbenützt brachliegenden Wasserläufe sind als Ver
kehrsmittel und zur Gewinnung von Licht und Kraft
möglichst bald und ausgiebig auszubauen.
Dies sind die Forderungen, die an den Techniker
selbst, an die Regierung und an die Oeffentlichkeit zu