Süd- und mitteldeutsche
in™
Heue folge der Bauzeifung für Württemberg, Baden, fj
ClsaB-Gothringen.
Gegründet als Würtlembergische Bauzeitung im fahre 1904.
Inhalt: Die erste Reichstagung der deutschen Technik in Eisenach. — Bauwerkmeister
verein Württembergs E. V. — Stadtbaumeisterstelle Bedungen. — Zur Frage der
Baukunstkammer. — Die Notlage des Baugewerbes. — Verschiedenes. — Vereins-
raitteilungen.
Alle Rechte Vorbehalten.
Die erste Reichstagung der deutschen Technik
in Eisenach.
Am 8. und 9. Februar fand in Eisenach die erste
Reichstagung der deutschen Technik statt. Aus allen
Gauen Deutschlands hatten sich zahlreiche Vertreter aller
technischen Berufe zusammengefunden, um über die
Hauptforderungen der deutschen Technik gemeinsam zu
beraten. Bekanntlich war bald nach der Revolution in
Berlin der „Bund der technischen Berufsstände“ als Ver
treter aller technischen Berufszweige entstanden, und in
Eisenach sollte nun die Aussprache und Beschlußfassung
über die gemeinsamen Ziele stattfinden. Die Tagesord
nung war sehr reichhaltig. Vor allem galt es, die orga
nisatorischen Unterlagen für einen gemeinsamen Aufbau
im Reich zu schaffen. Eine Aufgabe, die nicht gerade
leicht zu lösen war. Doch das Werk gelang. Volle Eini
gung wurde erzielt, und es ist deshalb wohl zu hoffen,
daß nunmehr der Bund technischer Berufsstände die Ge
samtvertretung aller Techniker im Deutschen Reiche bilden
wird. Vom Werkmeister bis zum höchsten Staatsbeamten
sind alle Berufsgruppen in dem Bund zusammenge
schlossen.
Der erste Tag der Zusammenkunft war für die grund
legenden Vorarbeiten bestimmt. Am Abend fand eine
Begrüßungsfeier der erschienenen Vertreter statt, bei der
einmütig zum Ausdruck kam, wie gerne man in Eisenach
erschienen war, um endlich den Zusammenschluß aller
deutschen Techniker zu besiegeln. Der 9. Februar war
der Haupttag. Herr Oberingenieur Hartman n-Manm
heim, der seitherige und jetzt wiedergewählte Vorsitzende
des Bundes, berichtete über die Zwecke desselben. Bisher
war, so führte er aus, die Organisation der deutschen
Techniker eine gewisse Kleinstaaterei, ln den fachwissen-
schaftlichen Vereinen schloß man sich gegeneinander ab,
und in den wirtschaftlichen Vereinen dachte man meist nur
an die eigenen Unter Interessen. Es fehlte die Erkenntnis
der Zusammenhänge im menschlichen Leben. Das mußte
anders werden und ist nun anders geworden. Die Tech
niker sind aus ihrer beruflichen Abgeschlossenheit her
ausgetreten und haben sich jetzt in einem starken Verband
zusammengefunden. Technische Denkweise und technische
Arbeit müssen den ihnen gebührenden Einfluß zum
Wohle der ganzen Volksgemeinschaft erhalten. Im Mittel
punkt der weiteren Erörterung stand die Frage, inwieweit
die Mitarbeit der Technik beim Neuaufbau unserer deut
schen Wirtschaft mithelfen muß. Den Höhepunkt der
ganzen Tagung bildete ein ausgezeichneter Vortrag von
Herrn Dr. Dessauer - Frankfurt gerade über diese
Frage. Der Redner wies darauf hin, daß beim Wieder
aufbau unseres Wirtschaftslebens es in erster Linie die
Technik sein werde, die durch höchst gesteigerte Arbeit
dazu beitragen müsse, in unserem Vaterland, das durch
die Folgen des Krieges mehr denn je arm an Rohstoffen
geworden ist, neue Werte zu schaffen, mit denen wir auf
dem Weltmarkt dann konkurrenzfähig sein können. Nor
malisierung, Typisierung, Anspannung der Erfindertätig
keit, werden das Ihrige dazu beitragen müssen, ln den
Wirtschaftsfragen hat in Zukunft die starke Betonung der
Interessen des Einzelnen mehr zurückzutreten gegen das
Gesamtinteresse der Allgemeinheit. Zum Schluß seiner
Ausführungen wies der Redner darauf hin, daß es auch
unbedingt notwendig ist, die Erfinder mehr denn je zu
schützen, denn nur dadurch wird es möglich sein, Höchst
leistungen in der Technik zu erreichen. Der Vortrag fand
derart großen Anklang, daß sofort aus der Mitte der An
wesenden ein namhafter Betrag gezeichnet wurde, um ihn
in großer Auflage in die weitesten Volkskreise zu verbrei
ten. Anschließend daran sprach Herr Dr. Neurath,
der Direktor des Reichswirtschaftmuseums in Leipzig.
Auch er betonte, daß die Technik der kommenden Wirt
schaftsperiode ihren Stempel aufdrücken werde und
müsse.
An die Reichsregierung ging im Anschluß an diese
beiden Vorträge nachfolgende Entschließung ab:
„Die Reichstagung der deutschen Techniker ist
von tiefster Sorge über das Schicksal der deutschen
Wirtschaft erfüllt. Der Wiederaufbau hängt von der
technischen Arbeit ab, denn auf dem Weltmarkt kämpft
für unsere Industrie der überlegene Wert deutscher Er
zeugnisse, der aus dem Geist seiner Techniker stammt.
Die deutschen Techniker haben das begründete Emp
finden, daß sie als Sachverständige ungenügenden Ein
fluß auf den Gang dieser Dinge haben, und fordern,
daß sachverständige Techniker sofort an allen den
Stellen zur aktiven Mitarbeit herangezogen werden, die
das kommende Wirtschaftsleben mitbestimmen, insbe
sondere auch in der Waffenstillstands- und Friedens
kommission. Es muß schnell gehandelt werden, denn
die Bestürzung über die bisherigen, furchtbaren Zuge
ständnisse greift tief. Die Nationalversammlung und
die Reichsregierung mögen nicht vergessen, daß deut
sche Techniker es sind, die in der ganzen Welt die
industriellen Grundlagen legten.
Weitere Referate wurden erstattet über die Thematas:
„Technik und Schule“ und „Die Stellung des Technikers
zu den Parteien“. Spät am Sonntag fand die Tagung
ihr Ende.
Der „Verband technischer Vereine Württembergs“
hatte Herrn Hofbauamtsinspektor K r a f f t und Herrn Dr.