Sud- und mitteldeutsche
DM
Heue folge der Bauzeitung für Württemberg, Baden, fresse
ClsaB-Gothringen.
Gegründet als Würtlcmbergische Bauzeitung im lahre 1904.
Inhalt: Zimmermann und Baumeister. I. — lieber den Einfluß der Menge der Zu-
schiagsmaterialien im Stampfbeton. — Hauptversammlung der baugewerblichen
Zentralverbände. — Die Erbauung eines fünften Beckens am Karlsruher Rhein
hafen.—Wettbewerbe.—Vereinsmitteilungen. — Die Unkosten der Arbeiterräte.
Alle Rechte Vorbehalten.
Zimmermann und Baumeister.
I.
Das Zimmerhandwerk war deshalb zweifellos das erste
in Deutschland, weil ohne die Axt die deutschen Städte
vor dem alles bedeckenden Urwald nicht emporwachsen
konnten. Erst mußte die Axt erfunden und zu einem tüch
tigen Werkzeug entwickelt sein, und damit war auch schon
die Zimmerei da, denn mit der Axt macht der Zimmermann
bis zum heutigen Tag alles, sie ist der Wirbel seines Hand
werks, ohne den dieses gar nicht zu denken wäre.
Selbstverständlich war ursprünglich jeder freie Ger
mane sein eigener Zimmermann, und das Handwerk als
Berufstand entwickelte sich erst später, bis es im Mittel-
alter, im 14. und 15 Jahrhundert, in den Zünften seine
höchste Ausbildung erhielt. Die Vorgänger des zünftigen
Handwerks in den sogenannten Königs- und Frohnhofen
müssen wir aber viel weiter zurücksetzen, vielleicht bis
ums Jahr 900 oder 1000.
Eine Ahnung von dem deutschen Urtum dieses Hand
werks geht uns auf, wenn wir seinen Wortschatz betrach
ten, wozu uns Grimm, Kluge usw. verhelfen können. Da
steht vor allem das Wort Zimmermann selbst. Das heißt
seinem Sinn nach ins heutige Hochdeutsch übertragen
nichts anderes als Hausbauer und daher Baumeister; denn
die Grundbedeutung des Wortes Zimmer, mittelhoch
deutsch Zimber, ist Holz zum Bauen, Bauholz, und in
seiner weiteren Entwicklung der Begriff von Holzbau und
Wohnung, wobei dann das Eigenschaftswort zimmern
immer erbauen bedeutet. Das Urbild des deutschen Hau
ses war also ursprünglich das Zimmer, d. h. ein Zimmer
werk, ein Holzbau, und die Flachbilder (Reliefe) an den
römischen Siegessäulen zeigen uns auch dieses Zimmer
in Gestalt einer rohen, runden oder rechteckigen Hütte
aus Pfosten mit Flechtfüllung, die wir jedoch für Ver
sammlungshäuser usw. schon als größeres Blockhaus mit
Zierwerk annehmen können. Auch die auf diesen Säulen
sich zeigenden Abbildungen von Verschanzungen aus
Spitzpfählen (Palisaden) waren schon Zimmerkunst, denn
das Rammen von Pfählen ist bis zum heutigen Tag eine der
wohlausgebildetsten Tätigkeiten des Zimmermanns. Ueber-
haupt ist, wenn die Axt der Wirbel dieses Handwerks ist,
der Pfahl oder Stock und Pflock das Rückgrat des Zimmer-'
werkbaues- Stock ist gleich Stab, Baumstamm, Pfahl,
Pfosten, und wenn man eine Reihe von Baumstämmen oder
Stöcken, d. h. der Krone beraubter Bäume, zu einem
Zimmer zusammenstellte, so nannte man dies ganze Werk
von Stöcken ein Stockwerk, oder kürzer Stock, wie heute
noch, sofern unsere schmutzige Afterbildung nicht das
gebildetere Etage setzt.
Sehr schön ist die ursprüngliche Bedeutung von Stock
in unserem schwäbischen Kreuzstock erhalten. Unsere
Väter, und heute noch jeder Kernschwabe, dem die heimat
liche Scholle noch ihre Urlaute zumutet, sagt nicht Fenster,
sondern Kreuzstock. Die Stube hat zwei Kreuzstöcke,
sagt man auf dem Lande, und meint damit die zwei Licht
öffnungen, die vorhanden sind. Da wird eben das von
dem lateinischen Wort fenestra herrührende Fenster noch
als Fremdwort empfunden, das keine Vorstellung geben
kann, wogegen das lebendige Bild des Kreuzstocks vor
den Augen steht. Es ist dieses Wort zugleich ein Beweis
für das Alter der Zimmerkunst; sie mußte beim Eindringen
der römischen Gesittung schon so weit ausgebildet sein,
daß sie Fensteröffnungen, Kreuzstöcke, anbrachte; sonst
kennten wir wohl neben dem Lehnwort kein deutsches.
Der Kreuzstock bestand ursprünglich aus zwei gekreuzten
Stöcken, Stämmchen, oder Hölzern (zuerst Rundholz) in
der Fensteröffnung, war also ein feststehendes Fenster
kreuz, wie man das heute noch an Bauernhäusern sehen
kann; die beweglichen Flügel kamen erst viel später. Die
zimmermännische Bezeichnung dieses Kreuzstocks über
trug sich dann allmählich auf die ganze Lichtöffnung, auf
das jetzige Fenster, und wie bildkräftig und schön mutet
uns heute noch dieses Wort neben dem scheiternden, halb
welschen „Fenster“ an. Unsere Bauern finden darin
keinen Sinn, deshalb sagen sie Feister, wenn sie es ge
brauchen, das ist finster, und man kann sich doch etwas
dabei denken, nämlich, daß, wo ein Fenster ist, es nicht
finster ist, was allerdings nicht immer zutrifft!
Einen fast noch schöneren Ausdruck für Fenster finden
wir in dem prächtigen, alten Lied von dem „Jung, jung
Zimmergesell“, der, nachdem er das Schloß gebaut hatte,
von dem ritterlichen Markgrafen, weil er allzulieb mit der
Markgräfin wurde, nur des Landes verwiesen und nicht
etwa gehenkt wurde, weil es eben schon damals Junker
gab, die sozusagen auch Menschen waren! Da heißt’s:
„Es war ein jung, jung Zimmergesell,
War gar ein frisches Blut.
Der baute dem jungen Markgrafen ein Haus,
Sechshundert Schauläden hinaus.“
Wie stolz und prächtig steht das Haus vor uns da
mit den sechshundert Schauläden, alle zum Schauen, zum
Hinaussehen in die Schönheiten der Welt; und über den