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Eiserne
Balkenbrücken mit
E in 1
Die eisernen Brücken mit vollen Wandungen haben
von ihrem Entstehen an bis zur Gegenwart eine vollständige
Umbildung, sowohl hinsichtlich der Wahl ihres Materials
und Constructionssystems, als hinsichtlich der Zahl und
Grenze ihrer Anwendungen erfahren. Aus diesem Grunde
erschien es zweckmässig, deren technische Entwicke-
1 u n g voraus zu schicken und hierin die ältere Constructions-
weise und deren Nachtheile, sowie die neuere Constructions-
weise und deren Vortheile darzulegen. Auf die hieraus
resultirenden verschiedenen, rationellen Trägerformen und
Gesammtanordnungen wurde die statische Berech
nung der Massiv- und Blechbalkenträger gestützt, wie sie
bei Brücken mit vollen Wandungen als Haupt-, Quer-
und Längsträger gegenwärtig zur Anwendung kommen.
Um die zu der numerischen Berechnung erforderlichen An-
I. Technische
1. Die älteren Constructionen der Brücken
mit vollen Wandungen.
Für die Vorgänger der walzeisernen Träger mit vollen
Wandungen, die massiven oder hohlen gusseisernen
Barren träger, welche seit dem Jahre 1801 in England
bei dem Hochbau mit dem Querschnitt eines umgekehrten
T in Gebrauch waren, hatten die von dem Jahre 1824 ab
in England und Deutschland angestellten Versuche*) den
von Tr e d g o 1 d vorgeschlagenen, I-förmigen Querschnitt als
den, bei gleichem Flächeninhalt, tragfähigsten festgestellt.
Es war daher, nach allmäliger Erkenntniss der vorzüg
lichen Widerstandsfähigkeit des Walzeisens gegen Zug
und Druck, sowie gegen Festigkeitsverminderung durch
Stösse nur natürlich, dass Professor Hodgkin so n und
Maschinenfahrikant W. Fairbairn in England, bei den
in den Jahren 1845 und 1846 angestellten Versuchen.
walzeiserneTräger mit hohlem rechteckigem, so
wie mit I-förmigem Querschnitte prüften, wobei jene
zwar einer seitlichen Verkrümmung grösseren Widerstand
entgegensetzten, diese aber einfacher herzustellen, leichter
zu reinigen und besser gegen Oxydation zu schützen waren.
Jene h o h 1 e n, in der Folge vorzugsweise von R. S t e p h e n-
son angewandten, im Jahre 1846 noch mit gusseiserner
Druckgurtung ausgeführten Balkenträger wurden seit dem
Jahre 1848 von W. Fairbairn, der im Jahre 1846 ein
Patent auf verbesserte Brückenträger erhalten hatte, ganz
aus Walzeisen hergestellt und hierbei deren Zuggurte
und Seitenwandungen in Plattenform und deren Druck
gurte in Form rechteckiger Köhren ohne oder, wie
bei grösseren Spannweiten, mit Scheidewand, also mit
Zellen ausgeführt. Die bedeutendste Anwendung des hoh
len, kastenförmigen Walzbalkens mit zellenförmigem Druck
end Zuggurt machte K. Stephenson, gestützt auf die von
*) Vgl. Fairbairn, W. On the application of east and wrought
iron to building purposes. London 18114.
vollen Wandungen.
i t u n g.
\
i haltspunkte zu gewähren, ist dieselbe mit den zugehörigen
Erfahrungswerthen über die grössten vorkom
menden Belastungen und grössten zulässigen
Widerstände begleitet worden. Um die Construction
dieser Brücken im Einzelnen und im Zusammenhänge dar
zulegen, wurden in einem vorausgehenden Abschnitte deren
specielle Anordnungen, Constructionsmateria-
lien und Verbindungen und in einem nachfolgenden
Abschnitte die Gesammtanordnungen der einzelnen,
insbesondere der auf den nachfolgenden Tafeln mitgetheilten
Constructionen dargestellt, diese aber mit ausführlichen,
auf die zuvor entwickelte Theorie bezogenen, statischen und
Gewichts-Berechnungen der wichtigsten Systeme, sowie mit
einzelnen Angaben über deren Kostenberechnung, Ausführung
und Unterhaltung begleitet.
Entwickelung.
ihm veranlassten, durch Hodgkinson und W. Fairbairn in
den Jahren 1846 bis 1847 angestellten Versuche, bei Aus
führung der im Jahre 1850 vollendeten Eisenbahnbrücke über
die Menaistrasse bei Bangor, der sogenannten Brita nnia-
brücke*) mit 4 Oeffnungen von 70,4 Mtr. (130'engl.) bis
140,21 (460' engl.) Spannweite, deren Querschnitt 4,5 Mtr.
breit und von 7,1 Mtr. an den Enden bis 9,14 Mtr. in
der Mitte hoch, also hinreichend war, um einen Eisen
hahnzug hindurchzulassen. Infolge jener Versuche, welche
die nahezu gleiche Widerstandsfähigkeit des Schmiede
eisens gegen Zug und Druck ergeben hatten, wurden durch
laufende, aus Platten und Winkeleisen gebildete Zellen
angeordnet, deren in dem Zuggurte 6, in dem Druckguite,
zur Vermeidung seitlicher Ausbiegung, 8 angebracht waren,
und letztere, welche quadratisch sind und 0,53 Mtr. (P 9"
engl.) im Lichten messen, so weit gemacht, dass ein Mann
sie durchkriechen, anstreichen und nöthigenfalls ausbessern
kann. Die beiden Wandungen der Röhre wurden in der
Höhenrichtung aus Blechstreifen mit abwechselnd drei und
vier, je 0,61 Mtr. (2' engl.) breiten Platten zusammen
gesetzt, deren Dicke von der Mitte ab, wo sie 1,25 Cmtr.
( 8 /ie" engl.) beträgt, gegen die Enden hin bis zu 1,56
Cmtr. (“Yie" engl.) wächst. Die Verbindung jener senk
rechten Streifen wurde durch zwei, beiderseits mittels ein
zölliger, je 7,5 Cmtr. (3“ engl.) entfernter Nieten über die
Fuge genietete, T-Eisen bewirkt. An den wagrechten Fugen
liess man die Platten genau aneinander stossen und durch
doppelte, an beiden Enden verkröpfte Stossplatten verbinden.
Wegen der in der Nähe der Stützpunkte zunehmenden Verti-
calscheerkräfte wurden daselbst die Seiten Wandungen vor
Ausbiegung dadurch geschützt, dass man deren Verticalfugen
durch je vier Winkeleisen mit je zwei dazwischen gescho
benen, starken Platten verwahrte und ausserdem die Röhren
über den Auflagern durch gusseiserne, im Inneren derselben
*) Die Construction dieser, sowie der später angeführten Brücken
s. Ileinzerliug, die Brücken in Eisen. Lpzg. 1870.