217
Die zivilrechtliche Haftpflicht des F 320. — Bauberichte aus verschiedenen Städten.
218
wand mit Erfolg vorgeschützt werden kann, der Kläger (der Bau—
— in obigem Falle) habe die Sache selber angeordnet, er könne
ich, da er selbst fahrlässig gehandelt, nicht auf die gleichzeitige
Fahrlässigkeit des Verklagten, der den Bau so, wie befohlen, aus—
führte, berufen. Auch der oben erwähnte 8 26, Th. J, Tit. 6 hat
nicht den Sinn, die zivilrechtlichen Einwände des Verklagten, abzu—
ichneiden?). Denn auch diese Gesetzesstelle unterstellt, daß nur
zann gehaftet zu werden brauche, wenn nicht etwa aus andern
Gründen die Schadensklage hinfällig wird.
Die Schadensklage, welche den Thatbestand des 8 330 zu
hrem Grunde hat, ist nun entweder die Kontraktsklage ans
dem Akkordvertrag, gerichtet auf einen durch die Fahrlässigkeit des
Unternehmers hervorgerufenen Schaden; oder es ist die sogenannte
Aquilische Klage. Der lcetzteren haftet Jeder, der durch sein,
venn auch noch so geringes Verschulden, einen schädlichen Erfolg
zervorbringt, ohne daß etwas auf den Bestand eines Vertrages
wischen dem widerrechtlichen Beschädiger und dem Geschädigten
ankäme. Beide Klagen haben also dasselbe Ziel, ein Unterschied
iegt aber darin, daß die Kontraktsklage nur Der anstellen kann,
der den Akkord-Vertrag geschlossen hat und durch fahrlässige Ver—
letzung desselben (indem entgegen dem 8 330 gehandelt wurde),
zu Schaden gekommen ist. Die Aquilische Klage steht aber über—
haupt jedem durch die widerrechtliche Thätigkeit oder Unterlassung
Beschädigten zu, z. B. dem von dem fahrlässig erbauten Gerüst
Herabgestürzten auf Entschädigung für Arbeitsunfähigkeit und, ist
er getödtet, den alimentationsberechtigten Erben auf eine Rente ꝛc.
— Uebrigens kann ein zu Schaden gekommener Arbeiter ebenfalls
»eine Kontraktsklage, nämlich aus der Werkmiethe, auf Schaden—
ersatz anstellen, und Derjcnige, welcher die Arbeitsdienste z. B. eincs
Maͤuͤrergesellen gemiethet hat, haftet auch diesem aus dem Dieunst—
niethvertrage. Denn letzterer erzeugt unter den Kontrahenten die
pflicht, die nöthige Sorgfalt überall anzuwenden und Schaden von
einander abzuwenden, alles dies natürlich nur, insoweit Thätig—
eiten oder Unterlassungen, welche aus dem Vertrage gefordert
werden können, in Frage stehen.
Die gedachten beiden Klagen erfordern nun gleichmäßig, so—
veit sie einen durch Thatbestände des 8 330 gestifteten Schaden
zetreffen, Folgendes:
ein Verschulden, hier also das nach 8 330 fahrlässige
Bauen.
». einen wirklich entstandenen Schaden.
3. ursächlichen Zusammenhang zwischen Verschulden und Schaden,
es muß also letzterer durch ersteres und nicht etwa durch
etwas Anderes, nicht durch einen andern Grund verur—
acht sein.
der Schaden muß dem Verklagten zugerechnet werden kön—
nen, er muß dafür verantwortlich gemacht werden können.
Daß ein Verschulden vorliege, wird ohne Weiteres durch das,
den Zivilverklagten“ wegen fahrlässigen, den 8 330 verlctzenden
Bauens verurtheilende Erkenntniß materiell bewiesen werden können,
indem der Zivilrichter die Strafakten einzieht und darauf als Be—
veismittel Bezug nimmt. Freilich braucht sich der Zivilrichter
der Entscheidung' des Kriminalrichters nicht anzuschließen, er kann
auch eine andere eigene Meinung haben. Allein, wie bemerkt,
önnen im Zivilprozeß die an sich aus der Fahrlässigkeit folgenden
Zahlungspflichten durch anderweite Einreden des Verklagten wieder
Jeseitigt werden, z. B. der Kläger habe die Ausführung des (fahr⸗
äßsigen) Baues gebilligt, oder er habe sie selbst so angeordnet; die
Sträfbaärkeit aus 8 330 wird dadurch freilich nicht beseitigt.
Die Erfordernisse b—d sind jedoch keineswegs schon durch
das Strafurtheil fesigestellt. Sie bilden den Gegenstand eines
— 00
werden, ohne daß der geringste Schaden entstanden ist. Im eigent⸗
ichen zivilrechtlichen Haftpflichtprozeß wird also der Streit ent—
tehen können, ob überhaupt ein Schaden entstanden ist, und ob er
d hoch ist, als der Kläger behauptet; ob, wenn ein Schaden er—
viesen ist, der ursächliche Zusammenhang (Kansalität) zwischen
Schuld und Schaden existire, oder ob nicht der letztere z. B. durch
Naturereignisse entstanden sei, also auf anderen Gründen beruhe;
ob endlich der entstandene Schaden dem Verklagten auch zuge—
rechnet werden könne. In letzter Beziehung ist ein wichtiger
Anterschied zwischen 8 330 und dem Zivilrecht. Nach einem Er—⸗
enntniß des Preuß. Obertribunals v. 17. Dezbr. 1868 (bei Op⸗
enhoff, Rechtsprechung IX, S. 747) verwirkt der, den Bau
deitende die Sirafe des * 330, wenn er es an der Ueberwachung
der beschäftigten Arbeiter fehlen läßt und in Folae danyn der
Thatbestand des 8 330 entsteht. Nach dem Zivilrecht haftet aber
ein solcher Leiter oder Unternehmer eines Baues nur dann, wenn
er in schuldhafter Weise untaugliche Leute für die Ausführung des
Baues sich aussucht und hierdurch Schaden entsteht (sogen. culpa
n eligendo). Einem Erkenutniß des III. Zivilsenats des Reichs—
gjerichts vom 26. September 1882 laq folgender Sachverhalt zu
Brunde:
Der beklagte Unternehmer hatte den Bau eines zur Anlage
hder Eisenbahn zwischen Erbach-Eberbach erforderlichen Tunnels von
»er Hess. Ludw.-Eisenb.Gesellsch. in Entreprise. Am 2. Oktober
1880 verunglückte der Kläger, welcher als Schlepper-Arbeiter bei
diesem Tunnelbau verwendet worden war, dadurch, daß ihm ein
rus der Seitenwand des oberen Stollens losbrechender Sandstein,
»der doch das durch denselben mitgerissene Geröll und durchge—
chlagene Holz den linken Arm zerschmetterte. Kläger erhob des—
jalb Schadensersatzklage auf Grund des Reichs-Hastpflichtgesetzes,
ventuell auf Grund des Aquilischen Gesetzes. Beide Vorinstanzen
saben diese Klage übereinstimmend abgewiesen und die dagegen
»om Kläger erhobene Revision wurde vom Reichsgericht verworfen.
In den Entscheidungsgründen führt letzteres zunächst aus, daß das
Reichs-Haftpflichtgesetzz auf das Baugewerbe überhaupt nicht Au—
wendung leide. Sodann heißt es weiter:
„Auf die Bestimmungen des Aquilischen Gesetzes kann so—
ann der Klageanspruch ebenfalls nicht gestützt werden. Daß der
Beklagte die Leitung und Beaufsichtigung des Tunnelbaues nicht
zu jeder Zeit und an jeder Stelle in eigener Person besorgen
onnte, sich dazu vielmehr der Beihülfe Dritter bedienen durfte und
nußte, und daß ihn, soweit er selber am Tunnelbau betheiligt
var, kein Verschulden rücksichtlich des fraglichen Unfalls treffe,
sat das Berufungsgericht thatsächlich festgestellt. Es kann nur in
Frage kommen, ob der Verklagte für ein etwaiges Verschulden
einer Bediensteten (der bestellten Aufseher, Jugenieure u. s. w.)
»erantwortlich zu machen sei. Grundsätzlich hat jedoch der Unter—
iehmer (Dienstherr) nur dann für das Verschulden seiner Leute
inzustehen, wenn er eutweder eine untaugliche Person zur
Ausführung der Arbeit anstellte (qulpa in eligendo), oder wenn
der Schaden in Folge einer von ihm selbst getroffenen oder ge—
nehmigten Anordnung entstanden ist, oder eudlich, wenn ungeachtet
»einer desfalls bestehenden Verpflichtung des Unternehmers die
chadenstiftende Handlung des Stellvertreters nicht verhindert, der
ingetretene schädliche Erfolg nicht abgewendet wurde, obwohl dies
geschehen konnte. Zur Anwendung dieser Grundsätze auf den vor—
iegenden Fall mangelt es an den erforderlichen faktischen Unter—
agen. Der Kläger hat keine bestimmten Thatsachen geltend ge—
macht, aus denen eine Verantwortlichkeit des Beklagten für das
destellte Aufsichtspersonal hergeleitet werden könnte.“
Dieser Rechtssatz, daß ein Bauunternehmer (Maurer-, Zimmer⸗,
Hautischler- ꝛc. Meister) nur für Verschulden bei Auswahl seiner
Antergebenen haftet, wenn Schaden von letzteren gestiftet ist, gilt
illgemein auch für die oben erwähnte Kontraktsklage, nicht nur
für die Klage aus dem Aquilischen Gesetz.
Im Haftypflichtstreit wird in der Regel die Frage über Exi—
tenz und Betrag des Schadens, über den ursächlichen Zusammen ;
jang zwischen dem fahrlässigen Bauen und dem Schaden durch
Zachverständige festgestellt, wobei auch der Beklagte ein Benennungs—
echt hat. Dagegen ist die Frage, ob der Schaden dem Ver—
lagten auch zugerechnet werden kann, eine reine Rechtsfrage, welche
ausschließlich der Richter entscheidet.
Noch ist zu bemerken, daß jeder, selbst ein an sich begrün—
»eter Schadensanspruch gegen den aus 8 330 verurtheilten Be—
lagten dann nicht mehr vom Bauherrn geltend gemacht werden
ann, wenn er das Gebäude abgenommen, also acbilliat und ge—
wissermaßen Quittung ertheilt hat.
Maͤn wird aus vorstehender Darstellung ersehen, daß eine
Verurtheilung aus dem ofterwähnten, 8 330 für die zivilrecht⸗
liche Entschädigungs- und Haftpflichtsfrage nicht ohne Weiteres
znischeidend ist. Dazu kommt noch, daß nach einer ausdrücklichen
Bestimmung, welche in den Reichsjustizgesetzen enthalten ist, die
Entscheidung des Strafrichters formell für den bürgerlichen Richter
nicht maßgebend sein soll, mag auch materiell der Zivilrichter die—
lbhen Feststellungen treffen, wie der Strafrichter sie getrofien bat
Bauberichte aus verschiedenen Städten.
Frühzeitiger Ruin des Braunschweia-Denkmals
in Genf.
Aus Genf wird uns geschrieben: Von dem kolossalen Auf—
vande am Denkmale des Herzogs von Braunschweig zu Genf
ürften den geschätzten Lesern aus den Zeitungen wohl s. 3. Nach⸗
ichten bekannt geworden sein, weniger bekaunnt dürfte aber der
Zustand sein, in den das großartige Monnment aleich in den
g 26, Th. J, Tit. s des Allgemeinen Landrechts lautet wörtlich:
„Insonderheit muß Der, welcher ein auf Schadensverhütung abzielendes
holizeigeset vernachlässigt, für allen Schaden, welcher durch die Beobachtung
ʒes Gesetzes hätte vermieden wer den können, ebenso haften, als wenn der⸗
jelbe aus seiner Handlung unmittelbar entstanden wäre.“