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Die Entstehung und Baugeschichte der Frauen—
kirche zu Dresden.
Fortsetzung.)
Die ersten eingegebenen Pläne Bähr's zeigen noch die Holz⸗—
onstruktion, eine hölzerne mit Kupfer bedeckte Kuppel. Das zur
Bedeckung des Daches nebst den beiden Thürmen nöthige Kupfer
var auf 18853 Thlr. und 8 gl. für 5382,3 Centner veranschlagt.
Wie bedeutungsvoll und schön die neue Idee Bähr's in ihrem
ersten Erscheinen gewesen sein mag, beweist schon der Umstand,
daß sich sofort nach Eingabe derselben der Neid der begutachtenden
yöfischen Architekten in deutlichster Weise kund gab. Man fand
das Werk für eine protestantische Kirche für viel zu großartig.
FEs kommt hier allerdings hinzu, daß es damals noch nicht die
zraziöse katholische Kirche gab, welche erst 1739 —- 1763 von dem
Italiener Gaetano Chiavari auf Befehl August des Starken
zrrichtet wurde, wo also der Gottesdienst noch in der Schloß—
apelle gefeiert wurde. Jedoch ein weit wichtigerer Hebel für die
inbedingte Zurücksetzung der Pläne Bähr's war die finanzielle
Frage, wogegen auch der Kirchenrath Bedenken trug, denn Bähr
derlangte in dem am 20. November 1723 eingegebenen Kosten-
unschlag die Summe von 103,075 Thlr. 3 Gr. und 3 Pf. Das
var dem Kirchenrath und der Oberbaukommission doch ein wenig
zu hoch. Bähr mußte in Folge dessen mit seiner Summe bedeu—
end hernntergehen, und hierbei ist es höchst merkwürdig, welche
Klugheit und welchen Muth er seinen Gegnern bewies, indem er
die ganze Sache nach und nach so regulirte, daß sich die Kosten
zuletzt fast um das Dreifache der Anschlagssumme erhöhten.
Bald darauf, im Juli des Jahres 1724, bekam Bähr den
Befehl, sowohl in Bezug auf den Bau selbst, als aber ganz be—
onders in Bezug auf die Kosten einfachere und eingeschränktere
Pläne einzuliefern. Es sollte alles mindestens um die Hälfte
rilliger werden. Ueberdies forderte man auch noch ein Modell,
nan wollte sich genau überzengen, was Bähr eigentlich wollte.
der Bauplatz war (wie die archiv. Nachrichten über die Erbauung
der Kirche melden), hauptsächlich nach der Rammischen Gasse zu
ibgesteckt worden, weil man der Ansicht war, die alte Kirche zum
Bottesdienst noch so lange zu benutzen, bis der Neubau fertig war.
Bei näherer Untersuchung fand aber der Gouverneur das abge—
steckte Terrain zu nahe an der Rammischen Gasse, in Folge dessen
der alte berühmte Pulverthurm verdeckt wurde, welcher nach
zöchstem Befehle von dem Ausgange der Frauenstraße sichtbar
»leiben und dem nichts im Wege stehen müsse, weil durch ihn das
Thor in's Zeughaus führen solle.“ Darum mußten die Ab—
teckungszeichen etwas zurückgelegt werden; hierdurch entstanden
iber wieder Meinungsverschiedenheiten und man drang zuletzt
darauf, daß die Kirche mehr nach dem Palais Kosel, dem jetzigen
Polizeigebaͤude zu, gebaut werde, in der ängstlichen Besorgniß, daß
die erst vor Kurzem massiv errichtete Hauptwache des Coros de
Sarde weggerissen werden müßte.
Zu Ende des Jahres 1724, am 22. November, reichte Bähr
die verkleinerten Pläne sowie das verlangte Modell ein. Letzt—
genannte Objekte kamen vor die Widersacher Bährs, nämlich vor
sdie Oberbaukommission, in welcher der Geheime Kabinetsminister,
Reichsgraf von Wackerbarth, Generalindendant aller Gebäude, der
Vorstand war. (Wackerbarth war auch Freund und Gönner des
Oberlandbaumeister Knöfel.) Der neue Plan wurde zwar in der
Hauptsache genehmigt, jedoch verlangte Wackerbarth immer noch
inige Aenderungen, namentlich tadelte er die Wirkung der Façade;
er meinte, sie sei ihm zu unruhig, desgleichen hat er verschiedenes
in der Fenster- und Kuppelbildung auszusetzen, besonders fehle es
der Kuppel an genügender Lichtung, und was die Laterne beträfe,
o wirte diese nicht schön. Ferner erachtet es die Oberbaukou—
nission für angemessen, „daß der Hauptansicht von der Rammi—
schen Gasse halber, an den Ecken bei dem Altarchor, ebenfalls
zwei Thürme gleich den beiden an den Ecken der Hauptfacade
aufzuführen seien“.
Wackerbarth verlangte die vier Thürme um die Kuppel der—⸗
art, daß fie dieselbe überragen sollten. Es ist klar, daß, wenn
dies so ausgeführt worden wäre, wir ein verstümmeltes Werk ge—
jabt haben wüͤrden, denn die Verdeckung der Kuppel durch die
hohen Thürme würde einen höchst ungünstigen Eindruck gemacht
haben. Unserem Rathszimmermeister wurde die Aufgabe immer
saurer gemacht. Glücklicher Weise war Bähr nicht der Mann. sich
zurch solche Dinge irre machen zu lassen.
Während der Zeit nun, wo Bähr an der Verbesserung seiner
pläne arbeitete und die nothwendigen Veränderungen in's Werk
etzte, traten die Intriguen gegen ihn von Neuem auf, so daß dies
einen Freunden doch etwas zu arg wurde. Man berief Ver—
ammlungen ein,. besprach sich darüber und munderte sich. daß
Die Entstehung und Baugeschichte der Frauenkirche zu Dresden.
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olche Gehässigkeiten gegen Bähr beständen. Nach aktenkundlicher
Heittheilung wird gesagt, daß Bähr einfach dem Königl. Bauamt
nicht angenehm sei. RNun, das heißt soviel, als Bähr ist dem
duöfel im Wege, denn das alles bezieht sich meist auf den Ober—
andbaumeister Joh. Christoph Knöfel, der in Dresden eine be—
»eutende Stellung einnahm, und Knöfel in Verbindung mit Wacker—
vjarth gehörte mit zu den Hauptfeinden Bährs.
Knöfel muß überhaupt einen selbstsüchtigen Charakter gehabt
saben, denn wir erfahren, daß er später beim Bau des Schlosses
dubertusburg den Architekten Naumann zu stürzen suchte, beim
Zau der katholischen Kirche verdrängte er Chiavari und hier beim
3 der Frauenkirche benutzte er seine Stellung zur Unterdrückung
Bährs.
Ebenso wie Knöfel's, so war auch Wackerbarth's Stellung
eine hochbedentende; ohne die Genehmigung Wackerbarth's durfte
auch nicht ein Stein auf den anderen gesetzt werden; alles mußte
von ihm bewilligt und unterzeichnet sein.
Daß die Ausführnng der Idee des Rathszimmermeisters
Bähr so lange und so schmählich hingehalten wurde, hatte seinen
Brund auch noch darin, daß Wackerbarth seinen Freund Knöfel mit
einem Konkurrenzplan der Kirche beauftragt hatte. Es ist unbe—
zreiflich, wie der Magistrat und die Bürgerschaft Dresdens diesen
»eiden Männern, wie überhaupt der ganzen Baukommission gegen—
iber eine so schiefe Stellung einnehmen konnten, und wie sie
»bendrein von Wackerbarth und Knöfel in fast grober Weise be—
jandelt wurden. Zu all' diesen Umständen gesellte sich noch die
»ogmatische Trennnng, der scharfe Gegensatz zwischen Katholizismus
ind Protestantismus.
Von den Plänen Bähr's, der sie unterdeß wieder eingereicht,
jörte man eine Zeit lang gar nichts. Wo waren sie hinge—
ommen? Was ist mit ihnen geschehen? Man wartet und wartet
—- doch vergeblich. Endlich wagte. es der Magistrat, die Pläne
Bähr's zurückzuverlangen oder, wie es heißt, zurückzuerbitten. Die
zjehoffte Antwort von Wackerbarth bleibt aus, die Oberbaukom—
nission rührt sich nicht. Nach geraumer Zeit kommt endlich Ant—
vort, aber nicht von Wackerbarth, sondern von Knöfel, welcher
inter Anderem sagt, er wolle den Bürgern nur zeigen, daß er
ruch im Stande sei, die Pläne Bähr's umzuändern, er wolle es
iur pure sagen, die Schuld läge an ihm, er solle noch etwas auf
einer reichsgräflichen Gnaden, des Herrn von Wackerbarth's Be—
ehlen, zu den Plaäͤnen machen. Bähr'a Pläne wurden mit diesem
Schreiben wieder zurückgeschickt, sind aber nicht unterzeichnet, es
ehlt die Signatur des Kbnigs und des Grafen Wackerbarth und
»urften in Folge dessen nicht ausgeführt werden. Damit ist aber
nicht gesagt, daß Knöfel's Pläne ausgeführt werden sollten, son—
»ern Bähr bekam den Befehl, ein zweites Modell zu liefern.
Dies war ein überflüssiges Verlangen, denn Bähr wußte wohl,
vie und was er zu bauen hatte. In kurzer Zeit darauf, im
Pärz des Jahres 1726, lieferte Bähr das zweite Modell ab.
Vorsichtiger Weise fertigte Bähr, aus triftigen Gründen, noch ein
)rittes, geheimes Modell, welches Niemand zu sehen bekam und
velches nur sein Geheimniß war. Am 18. desselben Monats er—
olgte die Beschlußfassung der Besichtigung des an die Oberbau—
ommission abgelieferten Modelles. Alles war auf die Prüfungs—
esultate gespannt, man nahm allgemein an, daß das neue Modell
»en Anforderungen der Oberbaukommission entspräche. Leider
ollte auch diese Hoffnung fehlschlagen, und zwar war es wiederum
Wackerbarth, der mit einer Anzahl von sächsischen Offiziren in der
etreffenden Sitzung über das Modell urtheilte, daß die Treppen
mmer noch zu eng seien, daß die Kirche zu finster sei und daß
ie beim Aufaug der Knppel schmäler werden sollte. Durch diese
etztere Ansicht gab sich Wackerbarth aber eine unfreiwillige Blöße,
senn das war ja gerade das Gegentheil von dem, was Bähr be—
weckte, ganz entgegengesetzt den stilistischen und statischen Gesetzen,
velche er bei seiner Kuppel beabsichtigt hatte; denn wenn die
uppel schmäler werden sollte, so mußte sie nothwendiger Weise
nn das Schiff hinunter fahren. Während der Sitzung war aber
iner nicht zugegen, der eigeutlich in erster Linie häͤtte da sein
nüssen. Es war dies Knösel, der Hauptgegner Bähr's; er ge—
uhte aber, nach beendigter Sitzung zu erscheinen und die nieder—
jeschriebenen Protokolle, in welchen also von den zu engen Treppen
er finsteren Kirche ꝛc. die Rede ist, zu sich zu nehmen, um sie in
igennütziger Weise zu seinem Vortheile anderweitig auszubeuten.
JIüterdeß reicht Bähr am 8. April seinen dritten Plan mit der
»olzkuppel, größeren Fenstern und dem Vorschlage zu Gunsten der
kostenersparniß, dahingehend, daß zur billigeren Bedeckung des
Daches nur der obere Theil desselben und der Thurm mit Kupfer,
agegen der untere Theil des Daches durch besondere Dachsteine be—
deckt'werde, in der zuversichtlichen Hoffnung ein, daß es wohl der
etzte sein würde. Mit gewohnter Ruhe führt er sein Schifflein;
rötz aller gegen ihn sich auflehnenden Stürme weiß er das Steuer