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Magdeburg's Bauwesen der neuesten Zeit.
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ausführung Herr E. E. Farrington veranlaßt, seinen Arbeitern
ein kühnes Beispiel zu geben und suhr am Freitag Nachmittag
des 25. August 1876 als Erster auf einem an Gleitscheibe be—
festigtem Brettsitz in 25 Minuten von einem Thurm zum andern
hinüber unter dem Jubel einer zahllosen Menschenmenge, dem
Donner einiger Schiffskanonen und dem einfallenden Jauchzen der
sämmtlichen Dampfpfeifen der unten haltenden Ferryboote.
Nach diesem kühnen Beispiel wurden die anderen Seile zum
Laufen des Kabelregulirungsfahrstuhls und für die Arbeiterbrücke,
sowie die provisorischen Sturmseile an dieser Hängebahn hinunter—
zezogen, und nach diesen Vorarbeiten begann die so interessante
Herstellung des eigentlichen Kabels.
Thurm in eine Gabel gelegt und die genaue Höhenlage desselben
wischen Verankerung und Thurm durch Nachlassen oder An—
pannen (nach Signalen des adjustirenden Ingenieurs) bewirkt;
»ann kam der Draht zwischen den Thürmen an die Reihe, wozu
»er oben bezeichnete Fahrstuhl gebraucht wurde, danach der Theil
zwischen New-York-Thurm und Anker.
Der zweite Draht wurde in umgcekehrter Richtung requlirt.
Das Hinüberschaffen eines solchen doppelten Drahtes und Richtig—
stellung beider erfordert durchschnittlich 30 Minuten.
Mittlerweile war die leergewordene Holzscheibe nach dem
anderen Ufer zurückgeholt worden. — Ein 'neues paar Drähte
wanderte nun hinüber, um in gleicher Weise befestigt und adjustirt
Fig. 11.
Auf dem Brooklyn-Verankerungsblock waren die Seilschuppen
errichtet, mit 32 großen Seiltrommeln von 21,, m Durchmesser,
je acht in der Verlängerungsachse jedes der vier Kabel hinter ein—
ander. Auf jeder Trommel waren 52 Gebinde, mehrfach in Leinöl
getränkten Stahldrahts von 3,2 mu Stärke aufgerollt. Je zwei
Enden der Gebinde waren mit Köpfen versehen und durch rechts
und links angeschnittenes Gewinde, wozu eine eigens konstruirte
Maschine in einem Fort thätig war, mit aufgeschraubter Muffe
die zugehöriges Gewinde trug, zu einem Ganzen von 16 kKmä Länge
vereinigt. Fig. 10. Nachdem die vorhin bezeichneten „Augen“
(durch die die Kabelendigungen mit den Ankergliedern verbolzt
werden) provisorisch auf den Mauerblöcken befestigt und annähernd
fixirt waren, wurde das erste zur Ankerschleife gebogene Drahtende
um die Rille des ersten „Auges“ Brooklyn-Seite geschlungen und
befestigt und der auf einer Holzscheibe aufgerollte Draht von dop—
pelter Länge der Entfernung oon Anker zu Anker mit der Anker—
schleife voran über die Thürme hinweg nach der New-Horker Seite
hinunterbewegt, indem er sich von der drehbaren Scheibe abwickelte.
Dort angelangt, wird die Schleife über das erste Auge geschoben
und die ersten beiden Drähte von den 278 eines jeden Kabels sind
gelegt. Nun wurde der erste dieser beiden Drähte auf Brooklyn⸗
Magdeburgs Bauwesen der neuesten Seit.
(Forts.)
Die großartige Erweiterung der städtischen Wasserwerke gab
Gelegenheit zur Ausführung mächtiger Filteranlagen an der Elbe
in der Nähe von der Vorstädt Buckau gelegen. Diese Anlagen, in
der Filtration nach dem Muster der Filter bei den Berliner
Wasserwerken vor dem Stralauer Thore ausgeführt, haben, in
festen Gringer Bruchsteinen und sehr reichlichem Cementmörtel
erbaut, etwa 6 Jahre lang dem Drucke des Wassers erfolgreichen
Widerstand geleistet. In neuester Zeit ist jedoch die böse Oppo
sitionspartei in der Stiadtverordneten-Versammlung, der wohl all—
zunachsichtigen Ausführung des Bauwerks durch eine groß⸗e, dem
Magisträte und seinen Mitgliedern nicht allzufern stehende Bau—
geselischaft genau auf den Grund gegangen, und haben die starken
Mauern diesem Drucke der Opposition nicht Widerstand leisten
können, sondern den vorgenommenen Bohr-Untersuchungen nach—
gegeben. Der Techniker steht nun bei der mittels eines Diamant—
bohrers vorgenommenen Anbohrung der Wände und der Sohle
des Mauerwerks der Filterbetten vor der überraschenten Thatsache,
daß der an sich angeblich von der Stadtverwaltung selbst gelieferte
gute Cement nach 6 Jahren noch nicht fest abgebunden zu haben
scheint, da der herausgebohrte Bohrkern nicht, wie man voraus—
setzen sollte, aus einer festen Masse, sondern, aus losen Steinstücken
besteht, der Cementmörtel dagegen dem scharfen Zahn des Diamant—
bohrers gegenüber vollständig als breiige Masse zum Vorschein
zu werden; bis die Seilscheibe 139mal den Weg zurückgelegt hat
ind einer der 19 Seilstränge eines Kabels gebildet ist und zwar
zus einem kontinuirlichen Draht, der um das „Ange“ auf jeder
Aferseite 139mal um und zurücklaufend mit gleicher Spannung
parallel neben dem Vorhergehenden hängt.
Diese 278 Drähte eines solchen 76 mmu starken Seilstranges
werden nun, nachdem sie durch eine Zange zu einer fortlaufenden
gleichmäßigen Cylinderform zusammengepreßt sind in Interwallen
bon 40 em in der ganzen Länge zusammen gebunden. Je neun—
zehn dieser fertigen Seilstränge werden nun ebenfalls adiustirt
und dann mit Klammern zusammengeschnürt.
Nach obiger Angabe von 30 Minuten per Doppeldraht hätte
die Verlegung dieser 21000 Drähte eines Kabels in nicht ganz
einem Jahre beendet sein können, da gleichzeitig zwei Seilscheiben
iefen; wenn nicht die Placirung und Adjustirung häufig mit sehr
zroßen Schwierigkeiten (Wind und Temperaturdifferenz) verbunden
jewesen wäre, so daß in der That nur ca. 40 Drähte per Arbeitstag
jelegt werden konnten (die gewöhnlichen Hindernisse mit einge—
rechnet) und im Winter mußte die Adjustirung sogar wegen Schnee
und Eis oft Tage lang ganz unterbleiben.
(Schluß folgt.)
kommt und an den Steinen nicht anhaftend, wir hätten fast
zesagt, zu Staub und Asche vergeht. Lassen wir diesen Vorgang
einstweilen auf sich beruhen, da wir uns vorläufig, bis amtliche
Berichte erschienen sind, diesen angeblichen Vorgang noch nicht recht
erklären können.
Gehen wir nach obigem kurzen Ueberblick über die öffent—
lichen, in der jüngsten Zeit hier entstandenen Bauwerke, bei der
vir uns übrigens wohl bewußt sind, noch manches Bemerkens—
verthe übergangen zu haben, zu der die Leser unseres Blattes
vohl am meisten interessirenden Privatbauthätigkeit über, so haben
vir auch dabei manches Schöne zu erwähnen. Hat die Phantasie
zer betreffenden Architekten wohl hier und da manche krause, wun—
erbare Blüthe getrieben, so ist im Großen und Ganzen doch ein
risches, kräftiges Leben in den Bauwerken des neuen Stadttheils
»on Magdeburg bemerkbar, und wenn in der ersten Zeit der Neu—
vauten noch eine größtentheils einfache Architektur vorherrschte,
o sucht jetzt ein Bauherr und ein Architekt es dem andern zuvor—
zuthun, wodurch der Luxus und der Komfort in den Häusern,
nicht zum Nachtheil der Bewohner, ganz bedeutend gestiegen ist.
Besonders unsere Kaiserstraßße, sowie die Verlängerung
der früheren einzigen Hauptstraße der Stadt, des Breiteun
Weges, endlich die Augustastraße parallel der Elbe und in
»eren Nähe gewähren theilweise einen guten und bei der oft—
maligen Aussührung der Gebäude im Stile der deutschen Renais—
sance im Ganzen einen trotz der vielen flachen Dächer durchaus
nicht langweiligen und unmalerischen Anblick. Wir verdanken