Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 43, Bd. 2, 1883)

Eine kleine Betrachtung. — Zur Baugewerkschul-Frage — Zum Kasernen-Bauwesen. 
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Eine kleine Betrachtung. 
In fast jeder Nummer des Organs des Verbandes Deutscher 
Baugewerksmeister finden wir einen Schmerzeusschrei darüber, 
daß entweder die Regierung immer noch keine Novelle zur Ge— 
werbeordnung eingebracht habe, welche den Prüfungszwang für 
das Baugewerbe einführt — und zwischen den Zeilen lesen wir 
auch den Innungszwang — oder, wie eine Mittheilung aus Köln 
in Nr. 50 sagt, das Streben der Fachgenossen zur gemeinschaft— 
lichen Abwehr des Pfuscherthums leider nur schwach sei und der 
eigentliche Corpsgeist fehle. Diese Mittheilung übersieht eben, daß 
die sehr bedeutende Majorität aller Baugewerksmeister des Deut— 
schen Reiches nicht den Bestrebungen des Verbandes huldigt und 
ihr Heil nicht im Prüfungszwang ꝛxc. findet. 
Jene Mittheilung verräth uns aber, was der Verband eigent⸗ 
lich anstrebt. Er will, daß alle Behörden nur Innungsmitglieder 
zu Submissionen auffordern, nur solche Baugewerksmeister als 
Sachverständige bei Gericht zugelassen werden, die Innungs⸗-Mit— 
glieder sind, und womöglich das bauende Publikum von den In— 
nungen Auskunft über die Fähigkeit von Baugewerksmeistern, 
welche sich zur Ausführung von Bauten anbieten, einholen müsse 
Das bauende Publikum wird sich aber wahrlich in Zukunft 
ebensowenig wie bisher seit Einführung der Gewerbefreiheit da— 
nach erkundigen, ob ein Baugewerksmeister eine Prüfung bestanden 
hat oder nicht, sondern es wird Demjenigen sein Vertrauen eut— 
— 
im Staude ist Bauten, den heutigen Zeitverhältnissen entsprechend, 
solide, züchtig und geschmackvoll auszuüführen. 
Ob die Behörden geneigt sind, jenen Wünschen der Innungs— 
Mitglieder nach Einführung des Zunftzwanges — denn darauf 
kommen dieselben doch einzig und allein hinaus — nachzukommen, 
möchten wir doch bezweifeln, denn wir besitzen die Gewerbefreiheit 
und glauben kaum, daß sich Behörden finden werden, die den 
Grundbedingungen derselben geradezu entgegen handeln werden. 
Was jene Wünsche hervorbringt, können wir uns aber recht 
wohl erklären; es ist nicht, wie jene Herren erklären, die Furcht 
vor dem sogenannten Pfuscherthum — Pfuscher nennen die Zünftler 
alle Diejenigen, welche kein Examen mehr gemacht haben —, sondern 
es ist die Furcht vor dem Aufblühen des Baugewerbes seit 
Einführung der Gewerbefreiheit in Deutschland. Ueberall 
sind entstanden und entstehen noch fortgesetzt Baugeschäfte unter Lei— 
tung ungeprüfter Baugewerksmeister, Architekten 2c., welche viele der 
alten Geschäfte in ihren Leistungen bedentend überflügeln. Diese 
sehen nun ihr einziges Heil und ihre Rettung, weil sie mit ihrer 
Zeit nicht jortgeschritten sind, nur noch im Prüfungszwang und 
Zunftzwang. Sie vergessen aber dabei, daß auch die Rückkehr zu 
diesen mittelalterlichen Zuständen ihnen die unbequeme Konkurrenz 
nicht mehr vom Halse schaffen könnte, selbst wenn die Gewerbe— 
freiheit vollständig beseitigt würde. 
Unserer Ansicht nach bleibt jenen Herrn eben nichts anderes 
übrig, als ihre Zeit endlich erkennen zu lernen, mit derselben vor— 
wäris zu gehen und nicht in dem sozialdemokratischen Grundsatze 
ihr Heil zu fuchen, daß nur der Staat ihnen Hülfe bringen könne 
Wie auf allen Gebieten des sozialen Lebens, so gehört auch 
im Baugewerbe die Zukunft nicht, zünftlerischen Bestrebungen, son— 
dern der Intelligenz und dem gediegenen ruhigen Fortschritt. 
T. V.Z. 
den all diesen Baugewerkschulen gemeinsamen Nachtheil herbei— 
ühren, daß sie dem unbemittelten Handwerker nur schwer zu— 
gänglich sind — beträgt doch das Schulgeld bei einzelnen dieser 
Anstalten bis zu 240 Mark pro Jahr! 
Als weitere Folge dieser Verhältnisse ergiebt sich dann die 
nicht zu läugnende Thatsache, daß die meisten unserer norddeutschen 
Baugewerkschulen vielfach keinen Austand nehmen, Schülern von 
rußerordentlich ungleicher Vorbildung bereitwilligst ihre Pforten 
zu öffnen. Dieser Umstand beeinflußt wohl am meisten die von 
unseren Baugewerkschulen zu erwartenden Resultate, so sehr man 
auch in anerkennenswerther Weise bemüht ist, den genannten Uebel— 
iständen durch Einrichtung von Vorklassen abzuhelfen, in denen 
der demnächstige Baugewerkschüler seine Kenntnisse in den Elementar— 
jächern bis zum Anschluß an das Pensum der untersten Klasse 
der eigentlichen Fachschule ergänzen und sich die nöthigste Fertig— 
keit im Freihand- und Linearzeichnen aneignen soll. 
In richtiger Erwägung der vorgeschilderten Umstände wurden 
denn auch schon früher von der preußischen Staatsregierung ver— 
chiedenen, meist städtischen Bauschulen nicht unbedeutende Beihilfeu 
zu deren Unterhaltung bereitwilligst gewährt. Auch erfreuen sich 
inige Baugewerkschulen schon seit längerer Zeit einer dauernden 
Staatsunterstützung, wodurch vor Allem der Bestand dieser An— 
talten und ihre gedeihliche Fortentwicklung gesichert wurde, indem 
»ie an ihnen wirkenden Kräfte durch eine feste, mit Pensions 
—VD—— 
Im Vertrauen auf das hierdurch seitens der Staatsregierung 
zezeigte Wohlwollen hat sich wohl auch die Stadt Deutsch Krone 
sju der obengenannten Petition entschlossen, die denn anch nicht 
exfolglos geblieben ist, indem die Unterrichts-Kommission beim 
Plenum des Abgeordnetenhauses beantragte, die Petition der 
Staatsregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. 
Besonders nahm sich der Abgeordnete von Hildebrandt der 
Sache mit beredten Worten an, indem er ausführte, daß das Bau— 
gewerk-Fachschulwesen sich wesentlich heben müßte, wenn es sich 
llein in den Händen des Staates befände. Die geringen finanziellen 
Mittel könnten wohl kaum in Betracht gezogen werden angesichts 
des höheren Zieles, den Stand der Baugewerksmeister, der ein 
iothwendiges und berechtigtes Glied im Organismus des deutschen 
Banwesens bildet, auf die ihm gebührende Stufe zu erheben. In 
Folge dieser warmen Befürwortung wurde denn auch der Antrag 
der Unterrichts-Kommission vom Abgeordnetenhause genehmigt. 
Gewiß müssen wir das dem Baugewerkschulwesen und damit 
dem Baugewerbe selber seitens des hohen Hauses durch diesen 
Beschluß gezeigte Wohlwollen dankbar anerkennen, zugleich aber 
önnen wir uns nicht enthalten, hinter die Behauptung des Herrn 
Abgeordneten von Hildebrandt, daß sich die baugewerklichen Bildungs— 
instalten wesentlich heben mülßten, wenn sie sich allein in den 
dänden des Staates befänden, ein Fragezeichen zu setzen. 
Ob es nicht vielmehr besser und auch ehrenvoller sein würde, 
venn, statt die Staatshilfe zu erstreben, der Stand der deutschen 
Baugewerke seine doch gewiß reichen Hilfsmittel zur Sicherstellung 
einer Bildungsanstalten und zur Erhaltung ihrer Selbstständigkeit, 
owie zur Förderung eines gemeinsamen Zusammenwirkens ver— 
wendete, bleibt eine Frage, über die man vielleicht verschiedener 
Meinung sein kann, deren Beantwortung für uns aber keinen 
Augenblick zweifelhaft ist.* 
Zur Baugewerkschul⸗Frage. 
Allen betheiligten Fachgenossen, seien sie nun Anhänger der 
Privat⸗Baugewerkschulen oder der staatlichen baugewerblichen Bil— 
bungsanstalten, gereicht es gewiß zur besonderen Freude, konstatiren zu 
fönnen, daß man auch in den Kreisen der preußischen gesetzgeberischen 
Körperschaften beginnt, diesen eine tüchtige Ausbilduug der Bau— 
gewerksmeister erstrebenden Schulen eine erhöhte Aufmerksamkeit 
u widmen. In der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 29. Juni 
1883 wurde uͤber eine Petition der westpreußischen Stadt Deutsch— 
Krone um Uebernahme der dortigen Baugewerkschule in die Ver— 
waltung des Staates verhandelt. 
Wir bemerken vorab, daß die deutschen Baugewerkschulen 
nur in Württemberg, wo die sonst außerordentlich tüchtige Stutt⸗ 
garter Schule vielleicht etwas zu weit gehende Ziele versolgt, und 
im Königreich Sachsen ausschließlich Staatsanstalten sind. In 
Norddeutschlaud sind dagegen bis jetzt die auf eine abgeschlossene 
baugewerkliche Fachbildung hinzielenden Lehranstalten fast aus— 
nahmslos Privatinstitute, die Hals solche vielfach mit großen 
materiellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben und, daher in ihrer 
Entwicklungsfähigkeit nicht selten gehemmt werden. Die bedeutenden 
Aufwendungen, die sowohl für ein tüchtiges Vehrer-Personal, sowie 
für ausreichende Lehrmittel beim heutigen Stande des technischen 
Unterrichtsbesens gebieterisch verlangt werden, müssen naturgemäß 
Zum Kasernen Bauwesen. 
Ueber diese wichtige Frage wird uns von kompeteuter Seite 
geschrieben: 
Bereits seit einigen Jahren bereitet sich auf dem Gebiet des 
dasernen-Bauwesens allmaͤhlich ein Wechsel des bisher allgemein 
iblichen Systems vor, der gewiß von den weittragendsten Folgen 
in sanitärer Beziehung begleitet sein wird. Bekanntlich baute man 
his jetzt ganz allgemein zur Unterbringung der Mannschaften 
ogenannte Bataillons-Kasernen, meist langgestreckte, durch einen 
HPittelbau unterbrochene, sowie durch vorspringende Flügel flankirte 
Bebäude, in denen, wie schon der Name besagt, je ein Bataillon 
zewöhnlich in drei Etagen Platz fand. Die Stuben der Mann— 
chaften, von einem sich an der Langseite des Gebäudes hinziehenden 
Korridor zugänglich, erhielten hierbei naturgemäß im Verhältniß 
zu ihrer Tiefe nur geringe Fensterwand-Breite, worunter die Be— 
euchtung und Lüftung der Stuben leiden mußte. Dieselben Räume, 
in denen die Mannschaften sich den Tag über nach beendigtem 
Dienst aufhalten mußten, in denen besonders im Winter die oft 
*) Wir würden der Ansicht des Herrn Verfassers gern zustimmen, wenn 
wir uns davon überzeugen könnten, daß die Opferwilligkeit der Baugewerbe⸗ 
treibenden zur Sicherstellung der Baugewerkschulen zu erreichen wäre; leider 
st dies nicht der Fall. Wir verweisen hier wieder auf den Artikel „Zur 
Zaugewerkschulfrage“ in Nr. 23 und 24 d. Bl. D. died
	        

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