Eine kleine Betrachtung. — Zur Baugewerkschul-Frage — Zum Kasernen-Bauwesen.
5132
Eine kleine Betrachtung.
In fast jeder Nummer des Organs des Verbandes Deutscher
Baugewerksmeister finden wir einen Schmerzeusschrei darüber,
daß entweder die Regierung immer noch keine Novelle zur Ge—
werbeordnung eingebracht habe, welche den Prüfungszwang für
das Baugewerbe einführt — und zwischen den Zeilen lesen wir
auch den Innungszwang — oder, wie eine Mittheilung aus Köln
in Nr. 50 sagt, das Streben der Fachgenossen zur gemeinschaft—
lichen Abwehr des Pfuscherthums leider nur schwach sei und der
eigentliche Corpsgeist fehle. Diese Mittheilung übersieht eben, daß
die sehr bedeutende Majorität aller Baugewerksmeister des Deut—
schen Reiches nicht den Bestrebungen des Verbandes huldigt und
ihr Heil nicht im Prüfungszwang ꝛxc. findet.
Jene Mittheilung verräth uns aber, was der Verband eigent⸗
lich anstrebt. Er will, daß alle Behörden nur Innungsmitglieder
zu Submissionen auffordern, nur solche Baugewerksmeister als
Sachverständige bei Gericht zugelassen werden, die Innungs⸗-Mit—
glieder sind, und womöglich das bauende Publikum von den In—
nungen Auskunft über die Fähigkeit von Baugewerksmeistern,
welche sich zur Ausführung von Bauten anbieten, einholen müsse
Das bauende Publikum wird sich aber wahrlich in Zukunft
ebensowenig wie bisher seit Einführung der Gewerbefreiheit da—
nach erkundigen, ob ein Baugewerksmeister eine Prüfung bestanden
hat oder nicht, sondern es wird Demjenigen sein Vertrauen eut—
—
im Staude ist Bauten, den heutigen Zeitverhältnissen entsprechend,
solide, züchtig und geschmackvoll auszuüführen.
Ob die Behörden geneigt sind, jenen Wünschen der Innungs—
Mitglieder nach Einführung des Zunftzwanges — denn darauf
kommen dieselben doch einzig und allein hinaus — nachzukommen,
möchten wir doch bezweifeln, denn wir besitzen die Gewerbefreiheit
und glauben kaum, daß sich Behörden finden werden, die den
Grundbedingungen derselben geradezu entgegen handeln werden.
Was jene Wünsche hervorbringt, können wir uns aber recht
wohl erklären; es ist nicht, wie jene Herren erklären, die Furcht
vor dem sogenannten Pfuscherthum — Pfuscher nennen die Zünftler
alle Diejenigen, welche kein Examen mehr gemacht haben —, sondern
es ist die Furcht vor dem Aufblühen des Baugewerbes seit
Einführung der Gewerbefreiheit in Deutschland. Ueberall
sind entstanden und entstehen noch fortgesetzt Baugeschäfte unter Lei—
tung ungeprüfter Baugewerksmeister, Architekten 2c., welche viele der
alten Geschäfte in ihren Leistungen bedentend überflügeln. Diese
sehen nun ihr einziges Heil und ihre Rettung, weil sie mit ihrer
Zeit nicht jortgeschritten sind, nur noch im Prüfungszwang und
Zunftzwang. Sie vergessen aber dabei, daß auch die Rückkehr zu
diesen mittelalterlichen Zuständen ihnen die unbequeme Konkurrenz
nicht mehr vom Halse schaffen könnte, selbst wenn die Gewerbe—
freiheit vollständig beseitigt würde.
Unserer Ansicht nach bleibt jenen Herrn eben nichts anderes
übrig, als ihre Zeit endlich erkennen zu lernen, mit derselben vor—
wäris zu gehen und nicht in dem sozialdemokratischen Grundsatze
ihr Heil zu fuchen, daß nur der Staat ihnen Hülfe bringen könne
Wie auf allen Gebieten des sozialen Lebens, so gehört auch
im Baugewerbe die Zukunft nicht, zünftlerischen Bestrebungen, son—
dern der Intelligenz und dem gediegenen ruhigen Fortschritt.
T. V.Z.
den all diesen Baugewerkschulen gemeinsamen Nachtheil herbei—
ühren, daß sie dem unbemittelten Handwerker nur schwer zu—
gänglich sind — beträgt doch das Schulgeld bei einzelnen dieser
Anstalten bis zu 240 Mark pro Jahr!
Als weitere Folge dieser Verhältnisse ergiebt sich dann die
nicht zu läugnende Thatsache, daß die meisten unserer norddeutschen
Baugewerkschulen vielfach keinen Austand nehmen, Schülern von
rußerordentlich ungleicher Vorbildung bereitwilligst ihre Pforten
zu öffnen. Dieser Umstand beeinflußt wohl am meisten die von
unseren Baugewerkschulen zu erwartenden Resultate, so sehr man
auch in anerkennenswerther Weise bemüht ist, den genannten Uebel—
iständen durch Einrichtung von Vorklassen abzuhelfen, in denen
der demnächstige Baugewerkschüler seine Kenntnisse in den Elementar—
jächern bis zum Anschluß an das Pensum der untersten Klasse
der eigentlichen Fachschule ergänzen und sich die nöthigste Fertig—
keit im Freihand- und Linearzeichnen aneignen soll.
In richtiger Erwägung der vorgeschilderten Umstände wurden
denn auch schon früher von der preußischen Staatsregierung ver—
chiedenen, meist städtischen Bauschulen nicht unbedeutende Beihilfeu
zu deren Unterhaltung bereitwilligst gewährt. Auch erfreuen sich
inige Baugewerkschulen schon seit längerer Zeit einer dauernden
Staatsunterstützung, wodurch vor Allem der Bestand dieser An—
talten und ihre gedeihliche Fortentwicklung gesichert wurde, indem
»ie an ihnen wirkenden Kräfte durch eine feste, mit Pensions
—VD——
Im Vertrauen auf das hierdurch seitens der Staatsregierung
zezeigte Wohlwollen hat sich wohl auch die Stadt Deutsch Krone
sju der obengenannten Petition entschlossen, die denn anch nicht
exfolglos geblieben ist, indem die Unterrichts-Kommission beim
Plenum des Abgeordnetenhauses beantragte, die Petition der
Staatsregierung zur Berücksichtigung zu überweisen.
Besonders nahm sich der Abgeordnete von Hildebrandt der
Sache mit beredten Worten an, indem er ausführte, daß das Bau—
gewerk-Fachschulwesen sich wesentlich heben müßte, wenn es sich
llein in den Händen des Staates befände. Die geringen finanziellen
Mittel könnten wohl kaum in Betracht gezogen werden angesichts
des höheren Zieles, den Stand der Baugewerksmeister, der ein
iothwendiges und berechtigtes Glied im Organismus des deutschen
Banwesens bildet, auf die ihm gebührende Stufe zu erheben. In
Folge dieser warmen Befürwortung wurde denn auch der Antrag
der Unterrichts-Kommission vom Abgeordnetenhause genehmigt.
Gewiß müssen wir das dem Baugewerkschulwesen und damit
dem Baugewerbe selber seitens des hohen Hauses durch diesen
Beschluß gezeigte Wohlwollen dankbar anerkennen, zugleich aber
önnen wir uns nicht enthalten, hinter die Behauptung des Herrn
Abgeordneten von Hildebrandt, daß sich die baugewerklichen Bildungs—
instalten wesentlich heben mülßten, wenn sie sich allein in den
dänden des Staates befänden, ein Fragezeichen zu setzen.
Ob es nicht vielmehr besser und auch ehrenvoller sein würde,
venn, statt die Staatshilfe zu erstreben, der Stand der deutschen
Baugewerke seine doch gewiß reichen Hilfsmittel zur Sicherstellung
einer Bildungsanstalten und zur Erhaltung ihrer Selbstständigkeit,
owie zur Förderung eines gemeinsamen Zusammenwirkens ver—
wendete, bleibt eine Frage, über die man vielleicht verschiedener
Meinung sein kann, deren Beantwortung für uns aber keinen
Augenblick zweifelhaft ist.*
Zur Baugewerkschul⸗Frage.
Allen betheiligten Fachgenossen, seien sie nun Anhänger der
Privat⸗Baugewerkschulen oder der staatlichen baugewerblichen Bil—
bungsanstalten, gereicht es gewiß zur besonderen Freude, konstatiren zu
fönnen, daß man auch in den Kreisen der preußischen gesetzgeberischen
Körperschaften beginnt, diesen eine tüchtige Ausbilduug der Bau—
gewerksmeister erstrebenden Schulen eine erhöhte Aufmerksamkeit
u widmen. In der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 29. Juni
1883 wurde uͤber eine Petition der westpreußischen Stadt Deutsch—
Krone um Uebernahme der dortigen Baugewerkschule in die Ver—
waltung des Staates verhandelt.
Wir bemerken vorab, daß die deutschen Baugewerkschulen
nur in Württemberg, wo die sonst außerordentlich tüchtige Stutt⸗
garter Schule vielleicht etwas zu weit gehende Ziele versolgt, und
im Königreich Sachsen ausschließlich Staatsanstalten sind. In
Norddeutschlaud sind dagegen bis jetzt die auf eine abgeschlossene
baugewerkliche Fachbildung hinzielenden Lehranstalten fast aus—
nahmslos Privatinstitute, die Hals solche vielfach mit großen
materiellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben und, daher in ihrer
Entwicklungsfähigkeit nicht selten gehemmt werden. Die bedeutenden
Aufwendungen, die sowohl für ein tüchtiges Vehrer-Personal, sowie
für ausreichende Lehrmittel beim heutigen Stande des technischen
Unterrichtsbesens gebieterisch verlangt werden, müssen naturgemäß
Zum Kasernen Bauwesen.
Ueber diese wichtige Frage wird uns von kompeteuter Seite
geschrieben:
Bereits seit einigen Jahren bereitet sich auf dem Gebiet des
dasernen-Bauwesens allmaͤhlich ein Wechsel des bisher allgemein
iblichen Systems vor, der gewiß von den weittragendsten Folgen
in sanitärer Beziehung begleitet sein wird. Bekanntlich baute man
his jetzt ganz allgemein zur Unterbringung der Mannschaften
ogenannte Bataillons-Kasernen, meist langgestreckte, durch einen
HPittelbau unterbrochene, sowie durch vorspringende Flügel flankirte
Bebäude, in denen, wie schon der Name besagt, je ein Bataillon
zewöhnlich in drei Etagen Platz fand. Die Stuben der Mann—
chaften, von einem sich an der Langseite des Gebäudes hinziehenden
Korridor zugänglich, erhielten hierbei naturgemäß im Verhältniß
zu ihrer Tiefe nur geringe Fensterwand-Breite, worunter die Be—
euchtung und Lüftung der Stuben leiden mußte. Dieselben Räume,
in denen die Mannschaften sich den Tag über nach beendigtem
Dienst aufhalten mußten, in denen besonders im Winter die oft
*) Wir würden der Ansicht des Herrn Verfassers gern zustimmen, wenn
wir uns davon überzeugen könnten, daß die Opferwilligkeit der Baugewerbe⸗
treibenden zur Sicherstellung der Baugewerkschulen zu erreichen wäre; leider
st dies nicht der Fall. Wir verweisen hier wieder auf den Artikel „Zur
Zaugewerkschulfrage“ in Nr. 23 und 24 d. Bl. D. died