Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 43, Bd. 2, 1883)

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Schiefe Axenstellung der Kirche zu Müncheberg. 
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gleich diese Erscheinung gewiß doch sehr bemerkenswerth ist. Die 
Annahme, daß durch ein Versehen des den Grundriß anlegenden 
NMaurers diese schiefe Stellung begründet wäre, scheint aber völlig 
ausgeschlossen, da erstens wohl schwerlich einem solch unzuverlässigen 
Maurer, welcher nicht einmal grade sehen kann, die Anlage eines 
Pauwerkes von solcher Bedeutung allein überlassen worden wäre; 
überdies praktisch viel schwerer ist, eine Anlage nach System 
schief, als grade zu machen, da durch Anhalten der Schnur sich 
die grade Richtung von selbst ergiebt. Auch das Vorhandensein 
von baulichen Hindernissen in der graden Axe, sowie ungünstiger 
Baugrund hat nicht konstatirt werden können. Da nun diese eigen⸗ 
Huͤmliche Beobachtung auch bei einigen anderen Kirchen gemacht 
worden ist, wo bei ähnlichen Grundrißdispositionen das später 
gebaute zweite Schiff in schiefer Stellung sich zu dem ersteren be⸗ 
Andet (z. B. bei der Kirche zu Falkenhagen, Kreis Lebus und dem 
Erfurter Dom) so scheint der Zufall ausgeschlossen, und wir sind 
genoͤthigt, eine andere Erklärung für diese höchst interessante Er⸗ 
cheinung zu suchen. 
Zerzog Heinrich dem Bärtigen zur Stadt erhoben und ist im 
Fahre 1233 die Kirche auf einer Anhöhe, welche inmitten eines 
Zumpfes lag, von Cisterzienser Mönchen erbaut worden. Nicht 
janz ein Jahrhundert später, und zwar 1319, wurde die Stadt— 
nauer mit ihren Thorthürmen, wie solche im Wesentlichen noch 
seute zu sehen sind (auch die Mauer existirt noch fast in ihrem 
janzen Umfang, wenn man von der Höhe, welche dieselbe ursprüng— 
ich gehabt hat, absieht) erbaut, und gehörte um diese Zeit die 
Stadt schon den Markgrafen von Brandenburg. Mehrfache Ein— 
ischerungen der Stadt haben im Laufe der Jahrhunderte stattge— 
unden, so auch im Jahre 1432, in welchem Jahre die Hussiten 
zie Stadt einnahmen, nach vorhergegangener längerer Belagerung. 
die Kirche, welche auf der Anhöhe ziemlich exponirt steht, ist meist 
jon den Zerstörungen verschont geblieben; daß Thurm und Dach 
nehrfach Ferstört wurden, ist wohl anzunehmen. Die Stadt, welche 
mmer treu zu ihrem Fürsten stand, wurde mit vielfachen Privi— 
egien bedacht, und das Malheur, welches sie hin und wieder er⸗ 
eilte, bald wieder durch ausreichende Hülfe gut zu machen gesucht. 
Im Jahre 1476 wurde die Stiftung des Altars St. Barbarai 
in der Kirche zu Müncheberg erneuert und unter der Regierung 
Albrechts, 1481, Erweiterungsbauten der Kirche vorgenommen. 
In diesem Jahre ist wohl das zweite Schiff der Kirche erbaut 
worden, mit dem wir hier vornehmlich zu thun haben. Um 1540 
wurde der evangelische Kultus eingeführt.*) 
Als die Cisterzienser Mönche in die unwirthbare Gegend der 
Wenden und Polen gesandt wurden, um dieselben zum Christenthum 
zu bekehren und die Gegenden zu kultiviren, ist wohl anzunehmen, 
daß sie zur Orientirung die damaligen neuesten Errungenschaften 
der Wissenschaft und deren Hilfswerkzeuge, hier namentlich die 
Eigenschaften der Magnetnadel, frei ausgehängt die Richtung nach 
Norden anzugeben, gekannt haben, da schon im Anfang des drei— 
zehnten Jahrhunderts die Kenntniß des Kompasses von China 
nach Italien gekommen ist; in der Mitte des dreizehnten Jahr— 
hunderts auch die Magnetnadel in Norwegen schon bekannt war. 
Es ist anzunehmen, daß sogar noch früher in Europa die Eigen— 
chaften der Magnetnadd bekannt waren, da Are Frode Ende des 
11. Jahrhunderts in seiner Geschichte der Entdeckung Islands 
»erselben schon erwähni. Genauere Bestimmungen der Deklination 
vurden jedoch erst in der Mitte des 16. Jahrhunderts gemacht. 
diese Deklination wollen wir näher betrachten, da durch dieselbe 
die schiefe Axenstellung der beiden Schiffe der Kirche zu einander 
erklärlich wird. 
Die Deklination der Magnetnadel, oder die Abweichung der⸗ 
elben von dem natürlichen Norden, unterliegt in verschiedenen 
Orten regelmäßig täglichen, jährlichen und säkulären (nach Jahr⸗ 
hunderten) rechnenden Veränderungen. In Deutschland geht das 
Nordende der Magnetnadel täglich von Ost nach West, kehrt 
darauf nach Ost zurück und nimmt Abends wieder dieselbe Stellung 
vie am Morgen ein. Ebenso geht die Nadel jährlich zwischen 
Januar und April zuerst nach Oft, dann bis zum September nach 
West, und nimmt diese Schwankung in Perioden von 5 Jahren 
zu und ab, also in 10 Jahren wiederkehrend. Diese sogenannten 
äglichen Deklinationen betragen im Maximum im April zwischen 
13 und 14 Minuten, um nach Verlauf eines Jahres in Nord— 
Deutschland im Durchschnitt 616 Minute von der Richtung der 
Nadel im verflossenen Jahre abzuweichen und mehr nach Ost 
urückzukehren. Die Deklination der Magnetnadel überhaupt ist 
etzt eine westliche und zwar hatte diese Abweichung ungefähr im 
Jaͤhre 1788 ihr westliches Maximum mit ca. 23 Grad gegen den 
iatürlichen Norden erreicht, seit dieser Zeit geht die Abweichung 
jährlich um ca. 6t /, Grad wieder nach Osten zurück, und wird um 
das Jahr 2000 mit dem natürlichen Norden zusammenfallen, um 
alsdann wieder eine östliche Bewegung zu machen u. s. w. 
Jetzt haben wir rot. eine Abweichung der Magnetnadel 
gegen den natürlichen Norden von 12 Grad nach West. 
Im Jahre 1578 würde die Magnetnadel mit dem mag— 
netischen Norden zusammengefallen sein und 1368 ihr östliches 
Maximum erreicht gehabt haben; im Jahre 1230 bei Erbauung 
des ersten Schiffes der Kirche um ca. 6i /, Grad östlich von Nord 
ich befunden haben und schließlich im Jahre 1480, bei Erbauung 
zes zweiten Schiffs der Kirche, noch eine Richtung von 10 Grad 
istlich eingenommen haben. 
Dies stimmt auch überein mit den gemachten Boussole— 
messungen. da das alte Schiff der Kirche um üher k8 Grad nach 
Diese Erklärung, glaube ich, ist gefunden in der Aenderung 
der Deklination der Magnetnadel. Um dies näher zu er— 
läutern, ist es nöthig, einen historischen Röckblick auf die Geschichte 
des Bauwerkes zu machen. 
Die Stadt Müncheberg wurde im Anfang des dreizehnten 
Jahrhunderts von Cisterzienser Mönchen, welche aus Italien kamen, 
gegründet, d. h. die Mönche machten die ersten Änsiedelungen. 
Im Jahre 1224 wurden diese Ansiedelungen von dem Schlesischen 
*) In unserem Jahrhundert ist der Thurm, welcher vom Blizz zerstört 
war, von Grund aus nach Schinkels Entwürfen neu erbaut worden, hat aber 
einen eigenen Baustyl, sieht mit dem alten aothischen Bauwerk in keinem 
varmonischen Zusammenhbana.
	        

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