569 Ueber die Anwendung des Handelsrechts auf das Baugewerbe. — Praktische Erfahrungen über Eindeckung mit Falzziegeln. 570
Ueber die Anwendbarkeit des Handelsrechts
auf das Baugewerbe.
Von
oder Anschaffungsgeschäfte der Materialien. Ob er Vollkaufmann
»der Kleinkaufmann“) sei, richtet sich nach Abs. 1 des Artikel 10*)
des Handelsgesetzbuchs. Die Geschäfte auch des Kleinkaufmanns
verden nach dem Handelsgesetzbuch abgeurtheilt; die Pflicht zur
aufmännischen Buchführung, Inventüraufnahme und Bilanz—
ziehung fällt aber bei diesen Kleinkaufleuten fort.
Wer als Banunternehmer (Maurermeister, Zimmermeister,
Bautischlermeister ꝛc.) bearbeitete Baumaterialien, z. B. gehobelte
ind gefügte Fensterrahmen, geglättete fertige Parquetböden, fertige
Dachrinnen, Thürklinken, Thürbeschläge ꝛc. nicht gewerbsmäßig
ankauft, z. B. ein Maurermeister hat zufällig in Generalentreprise
ein Haus übernommen (da der Bauherr nur mit Einem zu thun
yjaben will), während er sonst bei seinem Fach bleibt — uͤnd wer
»aun diese Baumaterialien durch angenommene Leute (d. h. durch
andere Zimmermeister, Bautischlermeister ꝛc.) in den Bau einfügen
äßt bezw. sie anbringen läßt, dieser Maurermeister und General—
eutrepreueur wird, da ex nmicht gewerbsmäßig handelt, auch nicht
durch seine einmalige Generalentreprise zum Kaufmann. Wohl
iber hat der generalentreprenirende Maurermeister eine Reihe von
»bjektiven Handelsgeschäften mit den Lieferanten der Bau—
vaaren oder bearbeiteten Banmaterialien (gehobelte und gefügte
Fensterrahmen, Parquetfußböden, Thürbeschläge ꝛc.) abgeschlossen,
einerlei ob die Lieferanten im Großbetrieb (Fabrik) oder Klein—
betrieb (Handwerk) sich mit der Fertigung jener Bauwaaren oder
bearbeiteten Baumaterialien befassen. Diese Reihe (also Mehr—
sjeit) von objektiven Handelsgeschäften des Artikels 271 Abs. 1
)es Handelsgesetzbuchs (s. denselben oben) stellt aber die Kauf—
nannseigenschaft des mehrerwähnten generaliter entreprenirenden
Meisters für sich allein noch nicht her, weil darin eine Gewerbs—
näßigkeit der Betreibung von Handelsgeschäften, wodurch erst die
aufmannseigenschaft hervorgebracht werden würde, nicht zu er—
licken ist. Denn Gewerbsmäßigkeit erfordert eine Mehrheit
Jleichartiger Geschäfte in der Absicht, aus diesen eine Erwerbs—
juelle zu machen. Hier aber ist zwar, eine Mehrheit solcher Ge—
chäfte vorhanden, sie sind aber verschiedenartig; es ist mit
»em Bautischler, Bauklempner, Bauschlosser ꝛc. für einen Bau
ediglich, nicht für eine Reihe von Bauten abgeschlossen worden.
Die Lieferungen des Bautischlers, Bauklempners, Bauschlossers ꝛc.
gzelten nur als je ein Lieferungsgeschäft und werden in Absicht
iuf die Frage nach der Gewerbsmäßigkeit schon wegen ihrer Un—
gleichartigkeit nicht zusammengezählt, so daß eine Kaufmanns—
zigenschast des Generalentrepreneurs gar nicht entstehen kann.
Letzterer, die gedachten Bauwaaren von den Lieferanten
Bautischler ꝛc) fertig entnehmend, schließt hierdurch also nur eine
Reihe objektiver Handelsgeschäfte nach Maßgabe des mitgetheilten
Artikels 271 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs ab, die gar nicht in
Verbindung mit einander stehen.
Vorstehende Auffassungen entsprechen der Praxis der Gerichts—
sjöfe und sind z. B. im Urtheil des obersten Gerichtshofs zu Wien
— auch in Oesterreich gilt bekanntlich unser, bereits in der alten
Bundeszeit eingeführtes Handelsgesetzbuch — vom 17. November
1880 (vgl. Auügeni. Oesterreich. Gerichtszeitung, Jahrg. 1882
S. 264) 'anerkaunt worden. Es seien aus diesem Erkenntniß die
einschlägigen Thatsachen und Deduktionen hier mitaetheilt.
(Forts. folgt.)
UOr. jur. Gustav Freudenstein.
Chefredakteur der Blätter für populäre Rechtswissenschaft.)
„In Nr. 17 des „Deuitschen Baugewerksblattes“ hatte der
Einsender die Frage erörtert:
„Wann ist der Bauunternehmer Kaufmann“?
und er hatte diese Frage der Hauptsache nach an der Erbauung
eines Hauses, also der Neuschaffung eines Immobile, klargelegi
und die Gesichtspunkte angegeben, nach denen die Kaufmanns—
qualität des Bauunternehmers anzunehmen sei. Gleichzeitig waren
zum Belege oberstrichterliche Entscheidungen beigebracht, und es
war auf die für den Bauunternehmer aus seiner etwaigen Kauf—
mannsqualität entspringenden handelsgesetzlichen Pflichten der all—
jährlichen Bilanzziehung, der Inventuraufnahme (die, wenn ein
Waarenlager von Baumaterialien ꝛc. existirt, mindestens alle
2 Jahre zu geschehen hat, falls nach der Beschaffenheit des Ge—
schäfts die Inventur nicht füglich alle Jahr geschehen kann, Ar—
tikel 29, Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs) und kaufmännischen
Führung von Büchern, welche eine Uebersicht des Vermöqens—
standes gestatten, hingewiesen worden.
Nun aber giebt es eine ganze Reihe von Klassen der An—
gehörigen des Baugewerbes, welche die zu einem Hause gehörigen
Mobilien und beweglichen Pertinenzstücke anfertigen und so
dasselbe erst eigentlich wohubar machen. Es sind dies z. B.
Glaser, Bauschlosser, Bautischler ꝛc., und sie schaffen regelmäßig
auch das Material der Bauarbeit (Glas, Dielen, Eisen ꝛc.) an
und veräußern es in be— oder verarbeitetem Zustande an den
Bauherrn entweder direkt, oder an den Banunternehmer,
wenn er Geueralentrepreneur ist, gleichzeitig die nöthigen An- und
Einfügungsarbeiten leistend. Inwieweit solche Geschäfte zwischen
den gedachten Baugewerken (Glaser ꝛc.) und dem Bauherrn, bezw.
dem Generalentrepreneur, Handelsgeschäfte seien (also unter das
andelsgesetzbuch fallen), darüber bestimmt Artikel 272 Nr. 1 des
Handelsgesetzbuchs, der die sogen. relativen oder subjektiven Handels—
geschäfte umfaßt, Folgendes:
„Handelsgeschäfte sind ferner die folgenden Geschäfte, wenn
sie gewerbemäßig betrieben werden:
1. Die Uebernahme der Bearbeitung oder Verarbeitung be—
weglicher Sachen für Andere, wenn der Gewerbebetrieb des Ueber—
nehmers über den Umfang des Handwerks hinausgeht;“
Danach betreibt der Bauschlosser, der als Meister eine
Werkstatt mit einigen Gesellen und Lehrlingen hat, keine Handels—
geschäfte, pohl aber der Fabrikant von Bauschlossereiwaaren,
der eine ghete hat, wenn sie mit dem Bauherrn oder General—
bauunternehmer Kontrakt eingehen.
Wohl zu unterscheiden von den bisher gedachten Geschäften
zwischen dem Bauherrn (bezw. Bauunternehmer), einerseits mit
den Angehörigen der Baugewerkschaft anderseits sind diejenigen
Geschäfte, welche die letzteren mit Dritten abschließen, z. B. der
Bauunternehmer mit dem Ziegeleibesitzer über Ziegel; der Zimmer—
meister mit dem Holzhändler ꝛc. Diese Geschäfte sind Handels—
geschäfte nach Artikel 271 Nr. 1 des Handelsgesetzbuchs (und zwar
heißen sie sogen. obiective oder absolute Handelsgeschäfte), welcher
lautet:
„Handelsgeschäfte sind:
j. Der Kauf und die anderweite Anschaffung von Waaren
oder anderen beweglichen Sachen, von Staatspapieren, Actien oder
anderen für den Handelsverkehr bestimmten Werthpapieren, um
dieselben weiter zu veräußern; es macht keinen Unterschied, ob
die Waaren oder andere bewegliche Sachen in Natur, oder nach
einer Bearbeitung oder Verarbeitung weiter veräußert werden
sollen.“
Wer nun die vorstehend genannten beweglichen Sachen
(Ziegel, Hölzer c.) n icht gewerbemäßig, sondern z. B. nur einmal
ankaufte dder anderweit anschaffte, der vollzöge mit diesem An—
kauf oder der anderweiten Anschaffung zwar ein Handelsgeschäft
des obigen Artikels 271 Nr. 1 (welches also nach Handelsrecht zu
beurtheilen wäre), aber er wäre doch nicht „Kaufmann“ im
Sinne des Hanbelsrechts, er hätte also nicht durch den Einzel—
ankauf die Pflicht überkommen, auch die übrigen kaufmännischen
Obliegenheiten (Inventur, Bilanzirung und Buchführung 2c) zu
erfüllen. Denn Kaufmann ist nach Artikel 4 des Handelsgesetz—
buchs „wer gewerbemäßig Handelsgeschäfte betreibt⸗
Wer aber den erwaͤhnten Ankauf bezw. die Anschaffung der
beweglichen Sachen (Ziegel, Hölzer) gewerbsmäßig und in der
Absicht der Wieberveräußerung in be— oder verarbeitetem Zustande
hetreißpher i Kaufmann in Beziehuna auf diese Ankauis—
Mittheilungen aus der Praxis.
Praktische Erfahrungen über Eindeckung
mit Falzziegeln.
Eine Stimme der Wahrheit.
In neuerer Zeit werden die in Frankreich viel verwendeten
Falzziegel von mancher Seite auch für unser norddeutsches Klima
npfohlen. Wir halten uns daher. für verpflichtet, die persönlich
gemachten Erfahrungen unseren Lesern mitzutheilen. Es ist nun
zicht unleuanen, daß diese Falzziegel anscheinend dem Pauhberrn
*) Bisher ist nur von den sogen. Vollkaufleuten die Rede gewesen.
Es giebt aber noch Kaufleute zweiten Grades, die Klein- oder Minderkaufleute
im juristischen Sinne), nemlich Höker, Trödler, Hausirer, Wirthe, Kolporteure
ind ähnliche Handtierungen treibende Leute, deren Gewerbe nicht über einen
sandwerksmäßigen Betrieb hinausgeht.
Der Unterschied ist, daß Minderkaufleute keine Firma führen und keine
Prokura ertheilen können, auch keine Handelsbücher zu führen brauchen,
eine Inventur aufzunehmen haben und keine Bilanz ziehen müssen,
**9 Der Artitkel i0 des Handelsgesetzbuchs lautet im erster Absatz:
„Die Beftimmungen, welche dieses Gesetzbuch über die Firmen, die
dandelsbücher und die Prokura enthält, finden auf Höker, Trödler, Hausirer
ind dergleichen Handelsleute von geringem Gewerbebetriebe, ferner auf
Wirthe, Jewoͤhnliche Fuhrleute, gewöhnliche Schiffer und Personen. deren
hewerbe nicht über den Umfang des Handwerksbetriebes hinausgeht, keine
inwendung. Den VLandesgesetzen bleibt vorbehalten. im Falle es erior derlich
rscheint. diese Klassen gengauer festzustellen“