587 Deutscher Reichsbauverein. — Zulässige Belastung des Mauerwerks. — Ein Münchener Stadterweiterungsplan. 588
schließlicher Eisenkonstruktion nicht zu empfehlen, denn sie erscheint
auch in diesem Falle völlig gewagt, und nach den Prinzipien einer
wissenschaftlich durchgebildeten Bautechnik sollten Decke und
Dach von einander gauz unabhängige, selbststäudige Con—
struktionen sein.*)
Der Gedanke, eine schwere Kassettendecke mit dem Wust
bdon Gypsstuck, Bronze-, Blei- und Zink-Ornamenten, Holzschienen,
Draht- und Nägelmassen ꝛc. an einem hölzernen, also breunbaren
Dachstuhl aufzuhängen, ist völlig absurd, selbst wenn dies nur
bediugungsweise geschieht; eine solche Bedingung ist z. B. die fol—
jende. Man verwendet nämlich bei großen Spannungen und zur
Vermeidung bedeutender Konstruktionshöhen, wie solche bei Spreng—
werken vorkommen, eiserne TBalken, welche man aber, um wieder
andererseits keine zu große Last zu erhalten, in den möglichst
schwächsten Dimensionen anwendet; damit nun keine Senkung der
Decke allmälig durch Eigengewicht und Belastung eintrete, so hängt
man diese Eisenbalken an eisernen Stangen (Hängesänlen) von
berschiedener relativer Stärke (224 cm) am Dachgebälke auf
oder an; diese Eisenbalken bilden dann unterhalb die großen
Kassettenfelder (Querfelder) und werden theils zur Komplettirung
iowohl der technischen als der dekorativen Decke mit kleineren
Holz⸗ oder Eisenbalken belegt, wodurch sich die kleineren Felder
Läugs- und Querfelder) ergeben. Breunt nun der Dachstuhl und
stürzt auf die Decke, so vermag sie den Sturz nicht zu ertragen
und die sogenannte „feuersichere“ Hängedecke liegt in Trümmern
im Parquet des betreffenden Saales. Zahlt denn der Archi-—
tekt oder Jugenieur dem Bauherrn oder Eigenthümer
den Schaden, der nicht nur den Dachstuhl, sondern auch
das angeblich geschützte, (2) kostspielig verzierte Innere
getroffen? Mindestens also muß doch der Dachstuhl für diesen
Zweck von Eisen sein, und der Dachraum darf unbedingt nicht
als Depot brennbarer Stoffe und Utensilien benützt werden; end—
lich paßt, abgesehen von Allem, eine derartige flache Kassettendecke
an und für sich nur für Bibliotheken, Museen, Tanzsäle ꝛc., aber
nicht für akustisch sein sollende (712) Räume wie z. B. Con—
dertsäle, Theater, Kirchen u. dal.
Die zweite Konstruktion, die Brückendachstühle mit
1-3 Stützsäulen sind würdige Anverwandte der Hängedecke, be—
jonders wenn letztere oder beide von Holz sind (Italien); auch
diese schöne Idee auf eine hölzerne, also brennbare Decke
einen schweren Dachstuhl zu stützen (!) kommt in unserer Zeit,
in welcher sich Manche soviel auf ihr Wissen einbilden, vor.
Diese Konstruktionsweise ist schauerlich unlogisch wie die erste und
auch bei völliger Vermeidung allen, Holzes nicht gerechtfertigt,
schon aus statischen Gründen; sie resultirt aus einer miß—
verstandenen Anwendung der alten Hänge- und Spreng—
werksdecken und Dächer.“)
Deutscher Reichsbauverein. Ueber ein mehr als
fragwürdiges Projekt erfahren wir aus Frankfurt a. M. Folgendes:
Die unter jener Firma zu konstituirende Aktiengesellschaft würde
sich erbiten Häuser zu bauen an jedem Orte des Reiches.
Der Besteller resp. Käufer des Hauses zahlt dafür eine gewisse
Jahressumme, welche mit 71/, pCt. des Kaufpreises supponirt ist;
nach seinem Ableben gehört das Haus miethfrei und schuldenfrei
seiner Familie. Die Gesellschaft ihrerseits soll dies dadurch mög—
lich machen, daß sie den Hauskäufer in eine Lebensversicherung
einkauft; die Mittel zum Bauen der Häuser soll sie sich durch
Emission von Obligationen beschaffen, denen die Versicherungs
policen als Sicherheit dienen; das eigene Aktienkapital aber soll
„niemals zur Ausgabe gelangen, sondern nur als Garantiekapital
fungiren“. Letzteres Vorhaben, sowie die beigefügte Rentabilitäts—
berechnung (man stellt den Aktionären dieses angeblich gemein—
aützigen Unternehmens die Kleinigkeit von 55, sage 55 Prozent
in Aussicht!) genügen wohl schon. um die Natur des Proiektes zu
Harakterisiren
—
Zulässige Belastung des Mauerwerks.
Um ein richtiges Bild von der Widerstandsfähigkeit des
Mauerwerks zu gewinnen, genügt, wie dem „Centralbl. d. Bau—
verw.“ geschrieben wird, weder die Kenntniß der Druckfestigkeit
der Mauersteine, noch die Kenntniß der Zerdrückungsfestigkeit des
Mörtels, die sich beide leicht bestimmen lassen. Schwieriger sind
die Untersuchungen üher die Druckfestiakeit von Maueförpern.
*RuUnsere moderne Eisen-Bautechnik ist so ausgebildet, daß
man solche armselige Behelfe wie Hängedecken, Brücendächer, und die Spreng⸗
werke der Zopfzeit nicht mehr braucht.
**) Wir stimmen den Ansichten des Herrn Verfassers im Großen und
Ganzen zu, möchten aber darauf aufmerksam machen, daß der Wille des
Bauherrn und der Kostenpunkt in den meisten Fällen entscheidend sind.
VNie Red
Der Vorsteher der Königlichen Prüfungsstation für Baumaterialien
in Berlin, Dr. Böhme, hat sich bereits vor mehreren Jahren
das Verdienst erworben, einfache Beziehungen zwischen der Druck—
iestigkeit von Mauersteinen und der aus ihnen mit verschiedenen
Mörtelarten hergestellten Mauerkörper durch sorgfältige Unter—
uchungen abzuleiten. Unseres Wissens sind diese Beziehungen in
den Kreisen der Bautechniker weniger bekannt, als sie es ver—
dienen. Im allgemeinen beträgt die Zerdrückungsfestigkeit des
Mauerwerks etwäs weniger oder mehr, als die Hälfte der Zer—
drückungsfestigkeit des Steinmaterials. Ein Vergleich mit der
Zerdrückungsfestigkeit der Mörtelarten ergiebt, daß die mit Kalk—
mörtel hergestellten Mauertheile eine 6 bis 10fach größere Festig—
teit besitzen, als der Mörtel in Würfelproben aufweist; die in ver—
rängertem Cementmörtel hergestellten Mauertheile eine 2 bis
3fach größere Festigkeit, in magerem Cementmörtel eine eben
io große und in fettem Cementmörtel eine erheblich geringere
Festigkeit, besonders wenn die Mauertheile trocken bleiben. Wenn
die zulässige Belastung des Mauerwerks nur den zehnten Theil
der Zerdrückungsfestigkeit betragen soll, so darf man den Mauer—
örpern 44 bis 6,3 pCt. jener Belastung aufbürden, welche die
unvermauerten Steine kurz vor der Zerdrückung ausgehalten haben.
Näheres ergiebt sich aus folgender Tabelle:
Nr
Mörtelart
Sand Kalk Cement
Zulaffige
Belastung
Prozent
Benennun—
1
2
8
4
Kalkmörtel...
Verlängerter Cementmörtel ..
Magerer Cementmörtel ...
Fetter Cementmörtel —
14
4,4
Ag
85
—83
Nach vielfachen Untersuchungen schwankt die Druckfestigkeit
der in Berlin gebräuchlichen Hintermauerungssteine von 154 bis
262 kg auf das Quadratcentimeter, die der besseren Ziegelsteine
von 217 bis 339, die der Klinker von 302 bis 512, die der po—
rösen Vollsteine von 149 bis 218 kg. Die mittlere Druckfestigkeit
heträgt für gewöhnliche Hintermauerungssteine 206, für bessere
Ziegelsteine 208, für Klinker 379 und für poröse Vollsteine 184 kg
auf das Quadratcentimeter. Wendet man die Procentzahlen der
vorigen Tabelle auf diese Mittelwerthe an, so ergeben sich die in
der zweiten Tabelle aufgeführten Zahlen als zulässige Belastungen
des Mauerwerks bei 10facher Sicherheit.
Art der Steine
Mittlere
Druck⸗
estiakeit
Zulässige Belastung des Mauer—⸗
werks
Mörtel Nr. 11Nr. 2Nr. 3Nr. 4
dintermauerungssteine. 206 9,1
Hefsere Ziegelsteine 1 258 1104
ünter 22318 1637
Poröse Vollsteine I 184 81
98
12
18,2
8,8
11,3 13,0
—
2081 240
103111116
Nach den Bestimmungen des Polizei-Präsidiums werden in
Berlin als zulässige Belastungen angenommen: für gewöhnliches
Ziegelmauerwerk in Kalkmörtel 8, für besseres Ziegelmauerwerk
in Cementmörtel 11, für bestes Kkinkermauerwerk in Cement—
mörtel 14, für poröse Vollsteine in Cementmörtel 6 kg auf das
Quadratcentimeter. Die Sicherheit ist demnach für mittelgute
Steine übermäßig hoch, nämlich eine 11 —15fache, und selbst bei
minderwerthigem Steinmaterial noch vollständia dusreichend. K
Ein Münchener Stadterweiterungsplan.
(Hierzu 1 Situationsplan.)
Aufgabe der obersten Verwaltungsbehörde einer Stadt ist es,
nicht nur die augenblicklichen Bedürfnisse der Bevölkerung im Auge
zu behalten — insbesondere in sanitärer Beziehung, wie Rein—
'altung von Luft und Boden, Zuleitung von gesundem Wasser in
ausreichender Menge, das Bestmöglichste zu veranlassen — sondern
es ist ein klarer Blick in die Zukunft nöthig, sowie ein haushälterisch
orgender Sinn für die Wiege nächster Geüerationen. Insbesondere
derlangt München, dessen Bevölkerung sich in den vergangenen 80
Jahren versiebenfacht hat und laut den statistischen Tabellen in
fortdauerndem Zunehmen begriffen ist, unbedingt jetzt schon die
Vorbereitungen für die baulichen Entwickelungen der nächsten De—
zennien. Außer kleinen Anlagsplänen im Nöordwesten der Stadt,
nämlich eines Quartieres für Familienhäuser zwischen Erzgießerei
und Lazarethstraße und eines solchen zwischen Neuhausen und
Nymphenburg (Neu-Wittelsbach genannt), beschaͤftigte den Magistrat
in dieser Richtuͤng insbesondere der munmehr festäestellte Bebaunnas—