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Bauberichte aus verschiedenen Städten. — Entscheidungen. — Literaturbericht.
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dem Oranienburger und dem Hamburger Thore, wo sich jetzt ge⸗
waltige Vorstädte ausdehnen, breitete sich früher eine öde Sand—
wüste aus. Es sind jetzt 150 Jahre her, daß ein verdienter Mann
sich daran wagte, dem Flugsande hier Stillstand zu gebieten. Es
war der Ober-Inspektor der Charite, Herr Habermaß, welcher
zuerst dem Alles ringsum überschüttenden Flügsande einen Damm
entgegensetzte, den er mit Erlen bepflanzte. Professor Gleditsch,
der berühmte Botaniker, gab ihm dann unoch einen wirksamen Rath,
als er im Jahre 1733 nach Berlin kam. Er schlug ihm nämlich
vor, allerhand wuchernde Grasarten, deren Wurzeln sich in dürrem
Sande am besten festsetzen, zur Bepflanzung zu nehmen, und er
half ihm selbst, dieselben aufzusuchen. So wucherte bei Pankow
das sogenannte Queckengras (Päden im Volksmunde geheißen),
welches jährlich in großer Meuge ausgepflügt, zusammengeharkft
und verbraunt wurde. Habermaß ließ es im Herbst zusammen—
bringen, auf Häckselladen fingerlang schneiden, mit Erde, Säge—
spänen oder Dünger mengen und dann in Säcken auf den Flugsand
bringen. Hier wurden die Quecken eingeeggt und überwalzt, und
einige Zeit nachher die Schafe darauf getrieben. Schon 14 Tage
nach der Aussaat sahen die Berliner auf dem Wüstensande hell—
grüne Grasblätter sprießen, als ob man Nelken gesät hätte. Der
König schenkte Habermaß schließlich die ganze riesige Strecke, welcht
allmaͤlig vollstaͤndig bepflanzt wurde. Der heutige prächtige In—
validenpark erhebt sich auf einem so gewonnenen Terrain. Eine
Länderstrecke, welche hente Millionen werth ist, wurde damals mit
einem Federstriche verschenkt, weil sie eben so gut wie nichts werth
war. Und doch war jene Verwendung für die damaligen Ver—
hältnisse die zweckmäßigste.
Berlin. Das neue Café an der Schleuse, dessen
künstlerischer Entwurf von den Architekten Ende und Böckmann
herrührt, verspricht einer der originellsten und interessantesten
Bauten jener Stadtgegend zu werden. Soweit das meist ausge—
mauerte Gerüst von Eisenfachwerk die Gesammtansage schon her—
vortreten läßt, wird das Café aus zwei stattlichen Pavillons an
der Schloßfreiheit und am Wasser bestehen, zwischen denen ein
Hauptsaal von neun großen Arkadenfenstern eingeschlossen ist. Die
Flächen sind in weißen und braunen Chamoitesteinen von vorzüg—
ucher Schönheit und Sauberkeit ausgeführt, während die Gesimse,
die Gliederungen und architektonischen Details in reicher Terrakotta
hergestellt worden sind. Dabei sind beachtenswerthe Versuche poly—
chromer Behandlung jetzt schon wahrzunehmen, indem die Füllungen
der Pilaster, die Flächen der Friese und Medaillons mit rothen
und grünen gemusterten Plättchen bedeckt sind. Der größte Formen—
reichthum äußert sich an den Pavillons, die nach allen freiliegenden
Seiten hin prächtige Giebelaufsätze mit blauen und vergoldeten
Säulchen, Knäufen und Voluten der Renaissance erhalten. Dieses
Bauwerk, welchem die sorgfältigste künstlerische Durchbildung zu
Theil geworden ist, wird in seiner Eigenart ohue Zweifel weiterhin
befruchiend auf die bauliche Thätigkeit in Berlin einwirken.
(Grundeigenthum.)
Essen. Was Krupp an Gas verbrennt, und an
Wasser'derbraucht. In der kürzlich hierselbst abgehaltenen Ge—
—F
Rheinlands und Westfalens hielt Herr Ingenieur Grahn einen
höchst interessanten Vortrag über die Gas- und Wasserwerke der
Krupp'schen Gußstahlfabrik, aus dem einige statistische Angaben
auch in weiteren Kreisen Interesse finden duüͤrften. Der Gas- und
Wasserverbrauch ist ja der beste Werthmesser für den Umfang
eines industriellen Werkes. Sehen wir nun zu, wie zunächst der
Gasverbrauch des Riesenwerkes stetig zugenommen hat. Derselbe
betrug 185663 30000, 1859: 100000, 1864: 1699000. 1870:
3875000, 1873: 6386000, 1876: 7403000, 1882: 8720550 kbm,
und stelit sich pro 1. Semester 1883 auf nicht weniger als
4572300 kb. — In demselben Verhältniß ist der Wasser—
fonsum gewachsen. Derselbe bezifferte sich in 1867 auf 2158300,
1870 auf 2769160, 1873 auf 3666800, 1877 auf 4688200,
1880 auf 5574320, 1882 auf 7381638 kbm. Es entfallen dar—
nach — durch die Zahl der Beamten und Arbeiter getheilt — in
dem Krupp'schen Werke pro Jahr 746 Kbm Gas und 615 kbm
Wasser auf jede Person, die im Werke thätig ist.
Hamburg. Einen Beitrag zum modernen Bau—
schwindei liesert folgende Streitfrage, die dem „Hamburger
Fremdenblatt“ zur Auskunftsertheiluug vorgelegt ist:
Der Plaßzverkäufer eines Grundstücks X. übernimmt, nachdem
dasselbe gerichtet, dem Geldhergeber gegenüber die Bürgschaft dafür,
daß das Grundfstück putzfertig wird. Um die somit eingegangene
Verpflichtung auch erfülien zů können, veranlaßt er den Holz— und
den Steinlicferanien, mit den denselben eingetragenen Pösten um
3500 Mek. höher zu gehen, unter Hinweis darauf, daß die Pöste
ja, wenn das Grundftück putzfertig, an der neuen Stelle dann
auch noch gut sind. Die entistehende Lücke von 3500 Mk. wird
ihm als Sicherheit zur Auszahlung der Löhne überwiesen. Nach—
dem nun kaum 1500 Mek. Löhne gezahlt, weigert sich der Herr X.,
den Bau weiter zu bringen, findet sich mit dem Geldhergeber
hetreffs seiner eingegangenen Verpflichtung ab uund läßt das Grund—
tück zum öffentlichen Verkanf kommen, wobei natürlich Holz⸗ und
Steinlieferant unberücksichtigt bleiben. Herr AK. weigert sich nun,
die Holz- und Steinlieferanten für ihre Pösten zu entschädigen
ind zwar, weil er speziell diesen Herren gegenüber nicht die
Bürgschaft, welche er dem Geldhergeber gegeben, schriftlich über—
nommen hat. Ist denn das nicht Bürgschaft genug, wenn Herr
X. sagt, ich kann die geforderte Verpflichtung nur dann über—
nehmen, wenn Sie mit Ihrem Gelde rücken und nur somit die
Sicherheit für die von mir zu zahlenden Arbeitslöhne (bis putz⸗
ertig) geben? — wenn die Lieferanten dies dann thun und Herr
x. verpflichtet sich dann einem Dritten gegenüber schriftlich daͤzu?
Zollte man nicht mit Erfolg gegen Herrn J. vorgehen können?“
Der juristische Mitarbeiter des „Fr⸗Bl.“ antwortet darauf:
Sie sind reingefallen. Bürgschaiten sind nur verbindlich, wenn
sie direkt den Forderunagasberechtigten gegenüber übernommen sind
Entscheidungen.
Das Berliner Verwaltungsgericht hat kürzlich nach der
Voss. Ztg.“ folgenden Fall entschieden:
Ein Hausbesitzer in der Hasenhaide hatte ohne polizeiliche
Benehmigung in dem Vorgarten seines Grundstückes einen hallen⸗
artigen, aus einer Etage bestehenden Bau von Holz errichtet, in welchem
eine Konditorei untergebracht ist. Von der Polizeibehörde darauf
aufmerksam gemacht, daß hierzu eine Bauerlanbniß erforderlich
ei, reichte er nachträglich ein desfallsiges Gesuch ein, wurde aber
abschlägig beschieden, weil das projektirte Gebäude über die Bau—
luchtlinie hinaus errichtet war, was an und fuür sich unzulässig
ei, in diesem Falle aber auch gegen die Privatrechte des Polizei—
Hräsidiums verstoße, indem für dasselbe eine Eintragung in das
Brundbuch erfolgt sei, welche einen Anbau an das schon vor—
handene Wohnhaus nicht gestatte. Hiermit hatte es folgende Be—
wandtniß: Das jetzt noch vorhandene Wohnhaus tritt etwa
5 Meter über die Baufluchtlinie hinaus, welche in dem Bebauungs—
Alan von 1862 durch Königliche Kabinetsordre festgesetzt worden
st. Als nuun im Jahre 1880 die Erlaubniß zum Umbau dieses
Hauses nachgesucht wurde, ertheilte das Polizei-Prüsidium diese
uͤnter der Bedingung, daß jeder Zeit die Abtragung des über die
Baufluchtlinie vorspringenden Theiles desselben auf Verlangen des
Polizei-Präsidiums erfolgen solle und daß diese Bedingung in das
Hrundbuch eingetragen werde, welchen Forderungen sich die der—
eitigen Besitzer gefügt hatten. Bei dieser Sachlage hatte das
Polizei-Präsidium mit dem abschlägigen Bescheide zugleich eine
Berfügung an den Betreffenden erlassen, welche ihm aufgab, nun—
nehr den Bau wieder fortnehmen zu lassen. Hiergegen war frist—
zeitig geklagt und die Klage durch die Behauptung begründet
vorden, daß diese hölzerne Halle kein Bau im Sinne des Gesetzes
genannt werden könne. Aber selbst wenn man dieses annehmen
volle, so müsse man doch sagen, daß bei der sehr beträchtlichen
Tiefe des Vorgartens von 10 Meetern keine Veranlassung vorliege,
diese in die ganzen Anlagen der Hasenhaide hineinpassende Halle
zu verbieten, da sie weder unschön wirke, noch den Raum beenge.
Ddazu komme, daß das Polizei-Präsidinm eine Reihe solcher Vor—
jauten bis in die jüngste Zeit gestattet habe, welche vom Vertreter
'm Termin namhaft gemacht wurden. Diesen Ausführungen
Jegenüber berief sich der Vertreter des Polizei-Präsidiums auf
zie bekannte Bestimmung des Allg. Landrechts, nach welcher dem
Polizei-Präsidium die Befugniß zustehe, solche Bauten zu ver—
sindern, welche den Straßen und Plätzen der Städte zur Ver—
uͤnzierung, oder dem allgemeinen Besten zum Schaden gereichen,
ind beantragte Abweisung der Klage, indem er noch hinzufügte,
daß es jetzt konstante Praxis des Polizei-Präsidiums sei, solche
Anbauten in Vorgärten oder überhaupt über die Baufluchtlinie
hinaus nicht zu gestatten. Das Bezirks-Verwaltungsgericht ent—
schied nach dem Antrage des Polizei-Präsidiums.
Literaturbericht.
Lexikon der bildenden Künste von Dr. H. A. Nüller.
Siebzehn Lieferungen in Oktav à 50 Pf. mit 480 Ab—
bildungen. Leipzig 1883. Bibliographisches Institut.
Ein Buch, welches uns seither gefehlt hat und sicherlich
pielen Jüngern der Kunst, Kunsthandwerkern und Kunstfreunden
hochwilltommen sein wird. Denn das Bedürfniß, auf dem Ge—
Fiete der Kunst soweit heimisch zu sein, um Kunstwerke begreifen,
Künstler verstehen, in den Kunstdenkmälern vergangener Zeiten sich
urechtfinden und die Leistungen der Gegenwart veraleichen, im