383 Die Wirksamkeit der Schutzvorrichtungen beim Brande des Nationaltheaters in Berlin. — Mittheilung aus der Prarxis. 684
Aufenthalt im Freien einladende Klima und großartig ausgebildete
Repräsentationsfucht im Süden, stehen im orden entgegen einem
waͤhrend des größten Theiles des Jahres rauhen, unwirschen
Klima und einem genügsamen, repräsentationslosen Sichselbstleben.
Erst zur Zeit des dreißigiährigen Krieges, als französischer und
Aalienischer Einfluß mehr und mehr die Zustände in Deutschland
beherrschten, verlor sich das zurücktretende Familienleben, jedes
einzelne Glied wurde selbstständiger und suchte es zu sein. So
hensor die deutsche Familie den innigen Zusammenhaug und das
Bedürfniß, nach Außen hin aufzutreten, machte sich als eine un—
nittelbare Folge davon fühlbar.
(Forts. folgt.)
Die Wirksamkeit der Schutzvorrichtungen
beim Brande des Nationaltheaters in Berlin.
Gutachten der Königlichen Akademie des Bauwesens.
Nach Inhalt der Berichte des Branddirektors Witte über
den Brand des hiesigen Nationaltheaters und nach Maßgabe der
angeschlossenen Pläne war der Bühnenraum dieses Theaters von
dree Seiten mit massiven Wänden umgehen, deren Oeffnungen
durch Thüren von Eisenwellblech geschlossen wurden; der an—
chließende Zuschauerraum bestand daägegen in seinen konstruktiven
ind deforaliben Theilen durchweg aus Holz und war nur durch
leichte Bretterwände von den Korridoren aͤbgetrennt. Auch die
decke war nur durch eine leichte hölzerne Schaalung mit Stuck—
derzierungen gebildet. Die Trennungswand zwischen der Bühne
und dem Zuschauerraum wurde bis zur Decke des letzteren aus
kräftigen Holzstielen mit 12 Stein starker Ausmauerung der
Zwischenräume und über der Decke aus Eisenwellblach hergestellt.
Sie Leichte jedoch nur bis an die, Dachlattung. Das hölzerne,
mit Ziegeln gedeckte Dach erstreckte sich ohne Unterbrechung über
dichauerrar und Bühne hinweg. Ueber der Bühne befanden
ich vier selbstthätige eiserne Ventilationsklappen, jede von etwa
2 qm Flächeninhalt. Die Prosceniumsöffuung war durch einen
eisetnen Vorhang, welcher mit einer Thür versehen war, abge
chlossen. Dieser Vorhang hing an einem hölzernen Balken, welchen
zuer üver der Bühne lag und durch hölzerne Säulen (wahr
scheinlich die vorerwähnten Stiele der Trennunaswand) aestützt
wurde.
Das Feuer wurde erst etwa eine halbe Stunde nach seiner
Entstehung entdeckt. Bei dem Eintreffen der Feuerwehr stand das
Bühnenhaus vollständig in Flammen. Im Zuschauerraum waren
hagegen nur die leichten hölzernen Brüstungen und Bekleidungen,
sowie die Thüren in den Logen vom Feuer ergriffen und ver—
nichtet. Es gelang noch, die hölzernen Säulen und Träger der
Logen-Ränge, sowie einen Theil der Dachkonstruktion im Verbande
zu erhalten. Der eiserne Vorhang stürzte später herab, nachdem
hdie glühend gewordenen Befestigungen in dem hölzernen Balken
ihreñ Halt verloren hatten. Die den Bühnenraum von den an—
zrenzenden Garderoben- und Requisitenräumen abschließenden
Thüren aus Eisenwellblech haben jedes Eindringen des Feuers in
die letzteren Räume verhindert. Die selbstthätigen Ventilations—
klappen über der Bühne bewirkten einen fast vollkommenen Rauch—
abzug, sodaß im Zuschauerraum nur unbedeutender Qualm vor—
handen war.
Es war verschiedenen Personen nach Entdeckung des Feuers
noch möglich, diesen Raum zu betreten und ohne erhebliche Be—
lästigung durch Flammen, Qualm oder Hitze die werthvolle Aus—
ttattung der Logen zu bergen.
Eine Besichtigung der Brandstelle läßt erkennen, daß, das
Feuer zuerst im Bodenraum größere Fortschritte gemacht hatte
uind nach Durchbrechung der ganz leichten Schaaldecke den Zu—
schauerraum erreicht hat. Der eiserne Vorhang hat augenscheinlich
das Uebergreifen des Feuers in den Zuschauerraum so lange ver—
hindert, bis er glühend wurde und die Stoffdekorationen vor dem—
elben, sowie die angrenzenden Balken in Flammen setzte. Die
nach allen Seiten hin vollkommen isolirte Lage des Theaters und
die vorhandenen direkten Eingänge zur Bühne und zum Zuschauer—
raum von dem umgebenden Hof- und Gartenraume aus erleich—
terten die Arbeiten der Feuerwehr.
Demnach haben diejenigen Einrichtungen, welche in dem
Butachten der Akademie des Bauwesens vom 2. November 1881
ind 14. Juni 1882 zur Verminderung der Feuersgefahr in den
Theatern empfohlen worden sind, bezüglich der freien Lage der
Theater, des Abschlusses der Bühne von dem Zuschauerraum, des
Verschlusses der Thüröffnungen mit eisernen Thüren, insbesondere
bezüglich der Anordnung von Ventilationsschloten über der Bühne
bei dem Brande des hiesigen Nationaltheaters insofern eine afola
eiche Probe bestanden, als das Eindringen von schädlichen Gasen
in den Zuschauerraum und die Uebertragung des Feuers von der
hühne nach dem Logenhanse läugere Zeit hindurch aufgehalten
vorden ist und der Ansicht des Branddirektors dahin beigetreten
verden darf, daß unter diesen Umständen bei besetztem Hause
ämmtliche darin befindliche Personen gerettet worden wären.
Wenn es nicht gelungen ist, das Feuer auf den Bühnenraum
zu beschränken und den Zuschanerraum unversehrt zu erhalten, so
nuß dies in erster Linie der späten Entdeckung des FJeuers, dem—
zächst aber dem Mangel einer bis über das Dach hinausreichenden
Braͤndmauer zwischen der Bühne und dem Zuschanerraume und
ser unsoliden Befestigung des eisernen Vorhanges an einem höl—
ernen Balken zugeschrieben werden.
Wir müssen aber auch darin der Ansicht des Branddirektors
Witte beitreten, daß durch einen eisernen Vorhang niemals ein
-Frandmauerartiger Abschluß erreicht werden kann, welcher im
Stande wäre, den Einwirkungen eines mächtigen Feuers auf die
Dauer zu widerstehen. Sein hauptsächlichster Zweck ist vielmehr,
»em Publikum den Anblick der Flammen, welcher stets eine Panik
jervorruft, zu entziehen, und ferner der, den Qualm und die
Flammen so lange vom Zuschauerranm fern zu halten, bis derselbe
jollständig geräumt ist.
Der eiserne Vorhang würde aber auch hier trotz mangelhafter
Anbringung die Uebertragung des Feuers auf den Zuschauerraum
»oraussichtiich verhindert haben, wenn das Feuer rechtzeitig ent⸗
deckt worden wäre, was beim Ausbruch während einer Vorstellung
der Fall gewesen sein würde.
Dagegen bleibt es fraglich, ob die in dem eisernen Vorhange
ingebrachte Thür esen zum schnelleren Eindringen des
Feuͤcrs in den Zuschauerraum gegeben hat oder nicht. Jedenfalls
vürde es sich empfehlen, die zu Mittheilungen an die Zuschauer
yon der Bühne aus erforderliche Oeffnung nicht im eisernen Vor—
jange selbst, sondern neben demselben in der massiven Brandmauer
anaubringen.
Königliche Akademie des Bauwesens.
Schneider.
Mittheilungen aus der Praxis.
Das Mineralschmieröl in der Praxis.
Von der Firma Wirth u. Co. in Frankfurt a. M. geht
uns folgende Zuschrift zu:
Die in Veutschland stets schwer zu besiegenden Vorurtheile
varen es nicht allein, welche die Einführung der amerikanischen
Peineralschmieröle anfänglich so sehr erschwerten; es lag auch viel
in der falschen Anwendung, welche zu Mißerfolgen führte und bei
Ankundigen die Meinung erweckte, das Mineraldl sei ein schlechtes
Zchmiermittel. Es ist bekannt, daß Pflanzen- und thierische Oele
nehr oder minder die Eigenschaft besitzen, sich an der Luft zu ver—
zicken und in den Lagern eine zähe klebrige Masse abzusetzen, was
gewöhnlich mit dem Ausdrucke „Verharzen“ bezeichnet wird. Da—
jegen besitzen die Mineralschmieröle die Eigenschaft, jene Rückstände
iufzulösen und aus den Lagern auszuwaschen. Es vollzieht sich
ilso bei der ersten Anwendung von Mineralöl auf Maschinen, die
rüher mit Rüb-, Oliven-, Knochenöl u. s. w. geschmiert wurden,
ein Reinigungsprozeß, der so lange dauert, bis alle Ausscheidungen,
velche diese Oele in den Lagern angesetzt haben, aufgelöst und
entfernt sind. Während dieses Reinigungsprozesses fließt daher
ius den Lagern eine schleimige, schmutzige Masse aus, welche aus
nichts auderem als aus einer Lösung der in den Lagern vorhan—
)»enen Rückstände des früher angewandten Oeles mit Mineralöl
»estehen. Diese Lösung giebt der Maschine natürlich nicht aus—
reichende Schmierung, weshalb es nöthig ist, während des Aus—
vaschungsprozesses, welcher je nach der Qualität des bisher ange—
vandten Oeles einige Tage oder Wochen dauert, öfter und reich—
icher zu schmieren und tüchtig zu putzen. Bei sehr stark verharzten
Lagern empfiehlt es sich, dem Mineralöl am Anfang noch etwa
0 pCt. des bisher angewandten Oeles beizumischen und diesen
Prozentsatz nach und nach zu verringern, bis man mit reinem
Mineralöl schmiert. Die vorhandenen Harztheile und Schmutz—
rückstände werden auf diese Art nur langsam aufgelöst und der
Betrieb bleibt ungestört. Sobald die Lager einmal vollkommen
auber sind, schmiert ein gutes Mineralöl ganz kühl und niel spar—
amer als jedes andere.
Eine weitere Frage von Wichtigkeit ist diejenige der Anwen—
)ung geeigneter Schmiergefäße. Von den zahllosen selbstthätigen
Schmiervorrichtungen, welche seit der Entwickelung dieser Industrie
exfunden und patentirt wurden, haben sich nur wenige in der
Praxis Eingang verschafft, und unter diesen sind auch wieder nur
venige, welche sich überall vollkommen bewähren. Unter den