Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 43, Bd. 2, 1883)

725 Der Delegirtentag des Verbandes Deuischer Baugewerlsmeister. — Das Wohnhaus der Renaissance und Gegenwarti. 726 
Der Delegirtentag des Verbandes Deutscher 
Baugewerksmeister zu Breslau am 16., 17. 
und 18. September. 
Schluß.) 
Man sollte kaum glauben, daß es möglich sei, derartige 
Forderungen zu stellen, zumal, wenn man behanptet, man stehe 
auf dem Boden der Gewerbefreiheit. Eine solche Einrichtung, die 
alle Diejenigen, welche den Innungen nicht angehören, von vorn— 
herein von den Submissionen ausschließt, dagegen den Innungs 
mitgliedern diese nicht allein vorbehält, sondern denselben auch die 
Feststellung des Minimalpreises überläßt, ist bisher wohl noch zu 
keiner Zeit und in keinem Lande dagewesen. Wir glauben aber 
auch kaum, daß es eine Regierung jemals geben wird, die diesen 
Forderungen ihre Zustimmung ertheilen könnte und jedenfalls keine 
Landesvertretung, die es über sich vermöchte, die Staatsfinanzen 
zu Gunsten Einzelner in so krasser Weise zu schädigen. Diese 
Forderung des Verbandes setzt allem die Krone auf und dokumen— 
tirt recht klar die Ziele, welche derselbe verfolgt. Daß dies keine 
für das Allgemeinwohl vortheilhafte sind, dürfte wohl leicht ein— 
zusehen sein. 
Dem Berichte über den Stand der Deutschen Baugewerk— 
schulen haben wir nichts hinzuzufügen. Wir schließen uns dem 
Wunsche des Berichterstatters insofern an, als auch wir der An— 
sicht sind, daß die Baugewerkschulen mindestens viersemestrige Kurse 
einführen müssen, wenn sie Ersprießliches leisten sollen. 
Der Antrag des rheinisch-westfälischen Verbandes: 
„Die Delegirten-Versammlung wolle beschließen, daß die 
Abgangsprüfungen der gewerblichen Fachschule der Stadt 
Köln a. Rh. denen der Königl. preußischen Baugewerk— 
schulen gleichgeachtet werden, daß also genannte Prüfung 
den schriftlichen Theil der Meisterprüfung, nach Maßgabe 
der Bestimmungen des Innunggsgesetzes, ersetzen kann“ 
wurde abgelehnt, weil man sonst einer ganzen Reihe anderer Bau— 
gewerkschulen dasselbe Recht verleihen müsse. 
Es wurde dann eine Resolution angenommen, dahin gehend, 
daß für das Jahr 1885 eine Ausstellung von Schülerarbeiten und 
Lehrmitteln der Deutschen Baugewerkschulen in Berlin bei Gelegen— 
heit des Delegirtentages angestrebt werden soll. 
Hierauf folgte ein Vortrag des Herrn Direktor Fiedler 
über die Breslauer Baugewerkschüle und über die in den Neben— 
sälen eingerichtete Ausstellung von Prüfungsarbeiten. 
Einem Antrage der Baugewerk-Vereine Hannover und 
Breslau, betreffend die Wiederholung der Petition um Einführung 
der Prüfungspflicht für das Baugewerbe, tritt die Versammlung 
mit großer Majorität bei. (Weshalb sollte sie auch nicht? D. Red.) 
In Folge einer Besprechung über die Unfallversicherung ge— 
langt die Versammlung zu folgendem Beschluß: 
„Der geschäftsführende Ausschuß wird beauftragt, an das 
Reichskanzleramt, den Bundesrath, event. an den Reichs— 
tag die Mittheilung gelangen zu lassen, daß das Zustande⸗ 
kommen eines Reichsunfallkassengesetzes, durch welches die 
Arbeiter in allen Unfaällen entschädigt werden, als drin— 
gend geboten erachtet wird und ist in dem Gesetze u. a. 
zum Ausdruck zu bringen der Ausschluß des Rechtsweges, 
ferner die Zulaͤssigkeit der lokalen Verwaltung durch kor— 
porative Verbände.“ 
Die betreffenden Behörden werden gewiß sehr erfreut sein, 
wenn die betreffende Mittheilung an sie gelangt und werden diesem 
Beschlusse bestimmt nachkommen. Unter den korporativen Ver— 
bänden sind doch wohl wieder die Innungen zu verstehen. 
Es folgen dann Berathungen über Kassenverhältnisse ꝛc. 
Wahlen für den geschäftsführenden Ausschuß und Bestimmung des 
Ortes für die nächstjiährige Delegirten-Versammlung. Hierfür 
werden Magdeburg, Schwerin und Hamburg vorgeschlagen, die 
definitive Feststellung wird iedoch dem geschäftsführenden Aus— 
schusse überlassen. 
Hieran richten sich die üblichen Dankesbezeugungen an den 
geschäfisführenden Ausschuß und das Lokal-Comité, worauf die 
Versammlung vom Vorsitzenden geschlossen wurde. 
Abends fand dann ein heiteres Festmahl — jedenfalls nicht 
der untergeordnetste Gegenstand der Tagesordnung der Delegirten— 
Versammlung — und Taas darauf ein größerer Ausflug in das 
Glatzer Gebirge statt. — 
Wir haben geglaubt, unseren Lesern ein Bild der Delegirten— 
Versammluug des Verbandes Deutscher Baugewerksmeister geben 
zu müssen, weil der Verband sich fortdauernd gerirt, als sei er 
der einzige und berufene Vertreter des Baugewerbes. Daß dies 
durchaus“ nicht der Fall ist, ja daß dem Verbande nur eine ver— 
cwindend kleine Minorität der deutschen Baugewerbetreibenden 
ingehört, wissen unsere Leser zur Genüge. Ebenso ist es bekannt 
zenug und geht aus den Verhandlungen des Delegirtentages wie— 
erum zur Genüge hervor, daß bei weitem nicht alle Vereine, 
welche dem Verbande angehören, und noch viel weniger alle Meit— 
zlieder unbedingt den Bestrebungen des Verbandes Heerfolge 
leisten. Wir sind aber der Ansicht, daß das große Publikum, 
dessen Interessen durch die Bestrebungen des Verbandes sehr stark 
berührt werden, und die Reichsbehoörden wiederholt darauf auf— 
merksam gemacht werden müssen, wie verderblich es für das all— 
zemeine Wohl sein würde, wenn der Verband nennenswerthe Er— 
folge für seine Bestrebungen erreichen sollte. 
Der in dem Bericht des Organs angekündigten Veröffent— 
lichung des Protokolls der Delegirten-Versammlung sehen wir 
njofern mit einigem Interesse entgegen, weil wir daraus dvielleicht 
ztwas Näheres über die Majoritäten, mit denen die betreffenden 
Beschlüsse gefaßt sind, erfahren werden. —s —
	        

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