Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 43, Bd. 2, 1883)

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Mittheilungen aus der Praxis. 
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wortlichen Reichskanzlers, ist, sich der Prüfung der dem Bundes— 
rathe bezw. dem Reichskanzler überwiesenen Beschwerden und 
Petitionen zu unterziehen und, im Falle dieselben für begründet 
befunden werden, das Erforderliche zu veranlassen. Das Bau— 
wesen des Reiches ist eine Verwaltungssache. Dies hindert aber 
keineswegs, daß sich der Reichstag, wenn eine Petition an ihn 
ergeht, hier einmische. Diese Ansicht über die Kompetenz ist 
aligemein anerkannt. Der Staatsrechtslehrer v. Rönne bemerkt 
inThl. J S. 239 der zweiten Auflage seines Staatsrechts des 
Deutschen Reiches Folgendes: 
„Obgleich der Bundesrath und der Reichstag gleichberechtigte 
legislative Körperschaften sind, so gilt doch nicht ein Gleiches 
bezüglich der exekutiven Befugnisse. Der Reichstag ist zwar 
unzweifelhaft berechtigt, über Fragen der Reichsverwaltung 
zu berathen — auch ist er ansdrücklich für befugt erklärt, 
Petitionen ohne Unterschied, ob dieselben die Reichs— 
gesetzgebung oder die Verwaltung betreffen, anzunehmen 
und dem Bundesrathe, bezw. dem Reichskanzler zu überweisen — 
aber an der Reichsverwaltung nimmt der Reichstag keinen 
dauernden Antheil, wie dies der Bundesrath thut, welcher nach 
dieser Richtung größere Rechte besitzt.“ 
Danach könnte es vortheilhafter erscheinen, anstatt an den 
Reichstag, an den Bundesrath vielmehr zu petitioniren. Allein in 
diesem Falle wird der Reichstag Nichts von der Sache gewahr, 
sie wird in nichtöffentlicher Verhandlung erledigt, die Stellung 
des Reichstags zu der ganzen Frage bleibt verborgen, und er hat 
keine Gelegenheit, das Gewicht seines Votums einzusetzen sowohl 
zegen den Bundesrath selbst, wie in der Sache im Allgemeinen. 
Es muß deshalb an den Bundesrath erst durch Vermittelung 
des Reichstags die Petition gelangen 
Gleichzeitig wird, wenn der Reichstag dieselbe an den 
Bundesrath verweist, der Reichskanzler mit der Sache befaßt, und 
zwar als Vertreter des Kaisers im Bundesrath. Man 
muß davon den Fall unterscheiden, wo die Petition direkt an den 
Reichskanzler als Reichsminister abgeht und an ihn gerichtet wird. 
Hier braucht er sie dem Bundesrath nicht vorzulegen, sondern 
kann aus eigner Machtvollkommenheit eine geschäftsleitende 
administrative Verfügung (GReskript) geben, also aus eigner Macht 
eine andere Submissionsmethode einführen. 
Die Reichsverfassung enthält zwar keine ausdrückliche Be— 
stimmung darüber, daß der Bundesrath, bezw. der Reichskanzler 
verpflichtet seien, dem Reichstage Auskunft über die auf über— 
wiesene Beschwerden oder Petitionen gefaßten Beschlüsse zu er— 
theilen, allein es darf daraus, wie die Theorie und Praxis des 
Staatsrechts übereinstimmend anerkennt, keineswegs gefolgert 
werden, daß es lediglich von dem Belieben des Bundesraths, 
resp. des Reichskanzlers, abhängig sei, ob und inwieweit sie eine 
solche Auskunft ertheilen wollen oder nicht. Weil ferner der 
Artikel 23 der Reichsverfassung dem Reichstage das Recht ge— 
geben hat, bei ihm eingercichte Petitionen zu prüfen, bezw. sie 
dem Bundesrathe resp. dem Reichskanzler zu überweisen, so er— 
giebt sich schon aus der publizistischen Stellung, welche Reichstag 
und Bundesrath zu einander als gleichberechtigte, verfassungs— 
mäßige Körperschaften einnehmen, daß es nicht nur die Pflicht 
des Bundesraths, bezw. des verantwortlichen Reichskanzlers, ist, 
eine sorgfältige Prüfüung der überwiesenen Petitionen eintreten zu 
lassen, sondern es würde auch allen Regeln des geschäftlichen Ver— 
kehrs zwischen koordinirten Organen des Reiches zuwiderlaufen, 
wenn anf den gestellten Antrag des einen derselben die Ertheilung 
einer Auskunft über den von dem anderen Organ gefaßten Be— 
schluß unterbliebe. Daran ändert auch Nichts, daß eine ausdrück 
liche bezügliche Vorschrift in dieser Richtung in der Reichsverfassung 
nicht enthalten ist, weil schon in dem Rechte des Reichstags auf 
Ueberweisung der Petition an den Bundesraih und Kanzler, Jleich— 
zeitig das Recht auf eine Antwort liegt. Der Bundesrath hät 
auch dieser seiner Verpflichtung zur Benachrichtiaung in der Praxis 
regelmäßig Folge geleistet. 
Aber auch jeder petitionirende Staatsbürger hat einen 
Anspruch darauf, von derjenigen Behörde oder polikischen Körper— 
schaft Landtag, Reichstag), 'an welche er seine Bitten oder Be— 
schwerden, adressirt, in motivirter Weise beschieden zu werden. 
Je, eingehender und erschöpfender nun eine Petition um Ab— 
stellung der Gebrechen, ünd Schädlichkeiten des heutigen Sub— 
missionsverfahrens gehalten ist; je schärfer und überzeugungsvoller 
die Unhaltbarkeit der heutigen Zustände begründet ist, einen um 
so schwierigeren Stand werden die etwaigen Gegner der Petition 
haben, derselben die Stattgebung zu versagen. Der Bescheid auf 
die Petition muß, wie gesagt, mil Gründen versehen sein. Wer 
aber für die Beibehaltung der Submissionspraxis spräche, 
obwohl ein erdrückendes Material gegen dieselbe vorliegt und mit 
der Vetition aeltend agemacht wird. der kann wegen der Schlechtig 
eit der vertheidigten Sache nur saule und sophistische Gegengründe 
»eibringen, und diese würden, nachdem sie gehörig in den Kammern 
und in der Presse beleuchtet sind, den Petenten lediglich zum Vor— 
heil gereichen müssen. Wir sind gespannt, was ein Minister oder 
ein gegnerischer Abgeordueter zur Vertheidigung der Submission 
vorschützen wird, nachdem die Mängel und Schadensfolgen der⸗ 
elben in ethischer, juristischer, volkswirihschaftlicher, sozialer, polizei⸗ 
icher, sanitärer und ästhetischer (künstlerischer) Beziehung durch 
einen gehörigen Vortrag in das rechte Licht gestellt worden sind. 
In Ansehung der geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der 
»eim Reichstage eingehenden Petitionen enthält die Geschäfts— 
»rdnung des Reichstages die näheren Bestimmungen. Gemäß 8 24 
derselben besteht eine besondere Kommission des Reichstages für 
die Bearbeitung der eingehenden Petitionen. Der Inhait der— 
elben soll nach 8 26 der Geschäftsordnung allwöchentlich von der 
dommission durch eine in tabellarischer Form zu fertigende Zu— 
ammenstellung zur Kenntniß der einzelnen Mitglieder des Reichs— 
ages gebracht werden, und es sollen nur diejenigen Petitionen zur 
weiteren Erörternng im Reichstage selbst gelangen, bei welchen 
auf eine solche Erörternng entweder von der Kommission oder von 
ünfzehn Mitgliedern des Reichstages angetragen wird. Geht der 
Antrag von der Kommission aus, so hat sie über die von ihr zur 
Diskussion verwiesene Petition einen Bericht zu erstatten; geht der 
Antrag von Mitgliedern des Reichstages aus, so kann die sofortige 
Schlußberathung im Plenum des Reichstages stattfinden, sofern 
nicht von diesem die Vorberathung durch die Kommission beschlossen 
wverden sollte. 
Auf jeden Fall wird die Deutsche Baugewerkschaft über die 
erforderlichen 16 Mitglieder der Volksvertretüng verfügen, und so 
önnte denn im Reichstage, wenn es an der Zeit ist, die Petition 
durch Besprechung (Berathung) und Abstimmung erledigt werden. 
Fiele diese günstig aus, so wuürde, falls die Reichsregierung eben— 
ralls gegen die Submissionspraxis einschreitet, damit ein sehr 
chätzenswerthes Präjudiz gewonnen sein, und die Bundesstaaten 
würden sich ihrerseits dem dadurch auf sie geübten mindestens 
moralischen Drucke nicht entziehen können, und auch sonst, soviel 
in ihrer Macht, den Submissiohnen ein Ende bereiten 
Mittheilungen aus der Prarxis. 
Damupfkessel-Ueberwachungsvereine. Die heilsame 
und viel Unglück verhütende Wirksamkeit der Vereine wird immer 
nehr anerkannt, und die Thätigkeit der Vereine gewinnt immer 
nehr an Ausdehnung. So hat die in M.«Gladbach seit 1874 
»estehende Gesellschaft zur Ueberwachung von Dampfkesseln ihre 
Wirksamkeit über den ganzen Industriekreis Gladbach ausgedehnt, 
uud selbst eine Anzahl Industrieller aus benachbarten Kreisen hat 
hre Dampfkessel unter die Kontrole der Gesellschaft gestellt, und 
in Folge der sorgfältigen fachmännischen Ueberwachung ist die Ge— 
ahr der Kesselexplosibnen eine sehr verminderte. Was übrigens 
die Kesselexplosionen betrifft, so giebt der Schiffskapitän Mr. Trève 
Im „Moniteur-Industriel“ einige bemerkenswerthe Notizen. Er 
»emerkt, daß derartige Explosionen gewöhnlich gegen Morgen statt— 
inden, und findet den Grund hierfür darin, daß der Heizer am 
Abend seinen Kessel mit Wasser füllt und am Morgen Jleich ein 
tarkes Feuer anmacht, wodurch das bereits durch die Hitze des 
desselmauerwerks vorgedämpfte Wasser in kürzester Frist zum Sieden 
ommt. Daß diese Manipulationen ökonomische Vortheile bieten, 
st klar, denn es wird dadurch Zeit und Heizungsmaterial gespart. 
Durch jene Vorwärmung des Wassers aber während der Nacht 
vird die atmosphärische Luft ausgetrieben, und es tritt leicht eine 
Ueberhitzung ein, die eine Explosion des Kessels zur Folge haben 
ann. Kapitän Trève hält es deshalb für rathsam, Morgens vor 
dem Anheizen Luft in das Kesselwasser zu pumpen, und durch 
Thermometer soll dann in allen Kesseln der jeweilige Temperatur— 
grad festgestellt und so bestimmt werden, ob die Wasserwärme der 
Heizung entspricht. Ist nun schon eine Ueberhitzung zu konsta— 
iiren. so muß sofort fuͤr Abhilfe gesorgt werden. — K. 
Schlackeneisen. Aus Haßlinghausen (Westphalen) theilt 
nan uns Folgendes mit: Aus der hiesigen Hochofenschlackenhalde wird 
etzt das sogenannte Schlackeneisen durch einen Unternehmer aus 
Dortmund unter vorher mit der „Union“ daselbst vereinbarten 
Bedingungen aufgesucht und verwerthet, wobei fünf Arbeiter, auch 
Fuhrleute gegen guten Lohn Beschäftigung finden. Es ist solches 
as aus dem Hochofen im Formsande etwa verlaufene Eisen, und 
vird nach den Erfahrungen der letzten Jahre als beliebtes Zusatz— 
nittel zum Eisenstein gebraucht, uͤm soichen im ee leichter 
nn Fluß zu bringen. Vasselbe enthält circa 850 puͤt. Eisen. Bei 
er fortschreitenden Wissenschaft und Praxis wird es immer mehr 
dahin kommen. daß nichts unbenützt liegen hleibt. Selbst die
	        
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