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Darf der Bauherr Abzüge nach seinem Ermessen machen? — Ein Buchhalter für Handwerker und Kleingewerbetreibende. 118
Ueber die juristische Tragweite der Vertragsklausel, daß der Bauherr nach seinem freien Ermessen wegen Mängel
der Bauarbeit solle Abzüge vom Akkordlohn machen dürfen.
Von
Dr. jur. Gustav Frendenstein.
(Chefredakteur der Blätter für populäre Wissenschaft.)
Die „Berliner Gerichtszeitung“ v. 13. Febr. d. J. Nr. 18, Gegenstand auch bestimmt sei; ein ganz unbestimmter Gegenstand
berichtet den nachfolgenden Rechtsfall: macht den Vertrag überhaupt nichtig. Eine derartige Unbestimmt—
Dem Unternehmer eines Baues habe der Bauherr von der feit ist aber alsdann rechtlich nicht anzunehmen, wenn der Gegen—
Baurechnung Abstriche gemacht, welche sich ersterer nicht gefallen tand des Vertrags auf die eine oder andere Art später einmal
assen wollte. Darüber sei es zwischen, Beiden zur Klage ge- ixirt, bestimmt werden kann und der Weg dieser Fixirnng kann
kommen. Der Bauherr behauptete, er sei vertragsmäßig zu ein das billige Ermessen, entweder des Schuldners felbsi oder
den fraglichen Abzügen berechtigt und kein Gericht sei kompetent, des Gläubigers oder eines Dritten, billig denkenden Mannes.
iber seine, dem Vextrage entsprechenden Handlungen, zu erkennen. Stets wird aber erfordert, daß die Billigkeit, nicht Willkür
Der Bauunternehmer hielt die betreffende Kontraktsbestimmung welche ja dem Rechte widerstreitet) bei der Abmessung von
für ungültig. Sie lautete nämlich dahin, daß dem Bauherrn das Brund und Betrag des zu leistenden Objekts angewendet werde.
Recht zustehen solle, wegen mangelhaft beschaffener Arbeit an Da nun das Recht selber dies strenge Erforderniß der anzuwen—
der Akkordsumme Abzüge zu machen und zwar sollte über den denden Billigkeit (arbitrium bopi viri) beobachtet wissen will, so
GBrund und Betrag derselben das freie Ermessen des Bauherrn teht auch der Arbitrirende, d. h. derjenige, der das Ermessen
entscheiden. Eine ähnliche Bestimmung findet sich in der von dem valten läßt, unter den Regeln des Rechtes, d. h. wenn er billiges
„Deutschen Baugewerksblatt“ Jahrg. 1883 Nr. 4 S. 50 ff. Ermessen verletzt, so tritt der Gerichtshof ein und nimmt ihm sein
mitgetheilten Baubeschreibung, und zwar unter den Allgemeinen Amt sogleich ab. Puchta, einer der größten neueren Rechtslehrer.
Bedingungen 88 9, 16, 17. In dem von der „Berliner Gerichts- agt hierüber:
zeitung“ referirten Streitfall fiel nun die gerichtliche Entschei— „Das Ermessen des Gläubigers ist ebenfalls stets als arbi—
dung wie folgt aus: rium boni viri zu verstehen. Endlich kann der Arbitrirende ein
„Ist in einem Baukontrakt dem Bauherrn das Recht vor- Dritter sein und auch hier ist ein arbitrium boni viri anzunehmen.
behalten, dem Bauunternehmer wegen etwa mangelhaft beschaffter In diesen Fällen ist das ausgeübte Ermessen nicht als Bedingung
Arbeit Abzüge nach dem Ermefssen des Bauherrn machen der Existenz des Vertrages zu betrachten, da die genannten Per'—
zu dürfen, so liegt einer der Fälle vor, in welchen die Kontrahenten dnen im Nothfall auch durch Andere, billig denkende Personen er—
die Bestimmung einzelner Kontraktspunkte, oder die Beurtheilung etzt werden können, oder auch schon der Richter auf das, was
gewisser kontraktlichen Leistungen dem billigen Ermessen eines der Ermessende als billiger Mann hätte bestimmen müssen, er—
von ihnen selbst anheimstellen, was giltig geschehen kann. Eine 'ennen kann.“
olche Bestimmung ist nicht unverbindlich, sondern es ist die Be— Die mehrerwähnte Vertragsbestimmung unterliegt also, wenn
rechtigung des Bauüherrn, das sachverständige Gutachten selbst oon der Gegenseite eine unbillige Ausübung, das Waltenlassen
ibzugeben, als vereinbart auzusehen. Selbstverständlich ist aber eines unbilligen Ermessens, behauptet wird, stets der richter—
»em Ergebnisse einer solchen, dem einen Kontrahenten eingeräumten lichen Nachprüfung. Diese kann ferner niemals in rechtsbe—
Befugniß zur Abgabe des sachverständigen Gutachtens keine größere fründeter Weise ausgeschlossen werden. Hätte also in obigem
Wirkung beizulegen, als eine solche in dem Fall eintritt, wenn Beispiel der Bauherr bedungen, daß der' Rechtsweg über seine
ein dritier zum Sachverständigen bestellt worden ist, d. h. es darf Entscheidung ausgeschlossen scin soll. so wäre diese Bedinqung
die Unrichtigkeit resp. Unbilligkeit des Ausspruchs uull und nichtig.
dor dem ordentlichen Richter angefochten werden. Der Das Ermessen und seine billige Ausübung kanu nur er—
Fall einer unantastbaren schiedsrichterlichen Entscheidung, welcher jJeischen, daß der Ermessende Sachverstand besitze. Auch hier
Folge geleistet werden muß, liegt hier nicht vor.“ ist die außergerichtliche Entscheidung im Rechtswege anfechtbar,
Dieses Erkenntniß, welches übrigens für alle deutscheu Rechts/ venn dem Bauherrn der Sachverstand fehlen und er des halb
yysteme mustergiltig ist, bedarf, seiner praktischen Bedeutung wegen, die Billigkeit verletzt haben sollte. Denn der Grund, weshalb
einiger Erläuterung. etzteres geschehen ist, ist ganz gleichgültig. Der alsdann ange—
Man könnte — eine Auffassung, die dem Bauherrn jeden- jangene Richter wird, wenn ihm Sachverstand abgeht, ebenfalls
jalls vorschwebte — die fragliche Vertragsbestimmung als einen »inen sachverständigen Bauknndigen herbeiziehen und auf dessen
Schiedsvertrag auffassen, bei welchem also der Streit mit Um- Butachten die Entscheidung aufbauen.
gehung des Gerichts privatim in statthafter Weise geschlichtet Aus unseren Ausführungen ergiebt sich, daß der Bauunter—
verden soll. Allein jene Auffassung wäre nur dann möglich, nehmer keineswegs, wenn der Bauherr obige Klausel für sich aus—
venn ein Dritter, Unbetheiligter, als Schiedsrichter benannt bedingt, rückhaltlos dem Banherrn und dessen Willkür verfallen
wäre. Daß der Bauherr, der doch Partei ist, zugleich in eigner st. Es giebt gegen letztern eine nicht zu beseitigende höhere In—
Sache Schiedsrichter sein solle, widerspricht dem Rechte und dem tanz, den Gerichtshof, welcher in ausgleichendem Richterspruch die
Wesen des Schiedsvertrags, der einen unbetheiligten Dritten als jekränkte Billigkeit wiederherstellt. Man ergebe sich also nicht
den Schlichter des Streites nothwendig erfordert. hne Weiteres muthlos, wenn der Bauherr auf seinem Schein be—
Die Sachlage ist vielmehr juristisch folgendermaßen aufzu- teht und auf die mehrerwähnte Vertragsklausel, die er sich aus—
jassen: Jede Vertragsleistung erheischt in der Regel, daß ihr »edungen, sich beruft, sondern man rufe getrost den Richter an.
Ein Buchhalter für Handwerker und Kleingewerbetreibende“
Von G. Kalb-Gera.
Die Baarzahlung, jene längst erstrebte Einrichtung, die für kinrichtung der Buchführung, oder der Mangel an Zeit zur Aus—
die Existenz der Haudwerker und Kleingewerbetreibenden so unge- ührung schriftlicher Arbeiten, wohl seltener Unkenntniß der hohen
nein wichtig ist, harrt noch immer ihrer vollständigen Durchführuiig. Bedeutüng einer exakten Geschäftsführung. Wie läßt sich da nun
Nicht allein am konsumirenden Publikum liegt die Schuld, sondern ine Besserung herbeiführen? Die Anstellung besonderer Buchhalter
auch an den Produzenten und Händlern. Wie gar häufig unter- st nur in großen Geschäften möglich und deshalb müssen sich die
bleibt die sofortige Berichtigung von Beträgen, weil die betreffen- dandwerker nach anderen Kräften umsehen. Da sind sehr geeignete
den Handwerker bei Uebersendung von Waaren weder die Faktura iñn den weiblichen Angehörigen genannter Gewerbetreibender vor—
beilegen, noch auf Wunsch der Entnehmer eine solche baldigst über randen. Durch Forthildungsschulen für die männliche Jugend, durch
enden. „Lassen Sie nur das, es ist nicht so eilig“, oder „Ich kinrichtung von Lehrkursen in Gewerbevereinen und von Privaten,
verde Ihnen die Rechnung schon zustellen“. Das sind Aeußerungen, hurch gute populäre Lehrbücher ist die Kenntniß der Buchführung
vie man sie gar häufig' aus dem Munde sogenannter „kleiner imter den Handwerkern ziemlich verbreitet worden, aber das weib—
Beschäftsleute“ und Handwerker vernehmen kann. Neujahr erfolgt iche Geschlecht ist hierbei noch nicht in der Weise berücksichtigt
dann Zusendung der Rechnungen und es ist dann oft den einzelnen vorden, wie es erforderlich ist.
Schuldnern nicht möglich, sofort Zahlung zu leisten. Und was ist
die Ursache jener Verschleppung, die zum Nachtheil des Gewerbe—
reibenden ausschlägt? In vielen Faͤllen ist es die ungenügende
Frauen und Töchter der Handwerker habeun meist einen Schul—⸗
interricht genossen, der Buchführung nicht mit umfaßt, ja nicht
venige Lehrer betrachten selbst die Anfertigung von Geschäftsauf—
ätzen als für Mädchen unnöthig. Es ist daher kein Wunder, daß
nanche sonst gewandte Frau oft nicht im Stande ist, in Abwesen—
eser
x*) Wir empfehlen diesen Vorschlag der Beachtung unserer werthen
Die Red.