Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 44, Bd. 3, 1884)

Preisbewerbung für die Heizungs- und Lüftungsanlage des neuen Reichstagsgebäudes in Berlin. 
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wirkung der verdungenen, Leistung, abzielen, den einzelnen Hand— 
lungen, welche nach den konkreten Umständen des Falls von ihm 
persönlich als dem Unternehmer, erwartet, werden können, wozu 
wa auch die sorgfältige Auswahl und nach Umständen auch Be⸗ 
aufsichtigung der Hülfspersonen gehören mag, sondern er verpflichtet 
sich unmittelbar zur Perstellung des Endergebnisses im Ganzen. 
Wer aber in dieser Weise kontrahirt, der hat es lediglich mit sich 
elbst abzumachen, wenn er aus irgend einem Grunde nicht in der 
Lage ist, das fragliche Ergebniß durch seine eigene, alleinige 
Thätigkeit herbeizuführen; er nimmt alle zur Ausführung etwa 
erjorderlichen Hülfspersonen nur auf seine eigene Gefahr au.“ 
Nothwendige Voraussetzungen der bisher erörterten civil— 
rechtlichen Haftpflicht ist aber die Existenz einer wirklichen Ge— 
ahr, aus' welcher für den Betreffenden die Verbindlichkeit ent 
ließt, gewisse schützende Vorkehrungen zu treffen. Den Begriff 
der Gesahr hatte ein Urtheil des J. Senats des Oberlandesgerichts 
Kiel vom 18. Januar 1883 festzustellen, als es sich um die etwa 
zemäß dem oben mitgetheilten 85120 Abs. 3 der Gewerbeordnungs— 
nhovelle bestehende Verpflichtung des Gewerbsunternehmers handelte, 
Zchutzbrillen für seine Arbeiter zu verwenden. Ein Arbeiter war 
derletzt und klagte gegen den Unternehmer auf Entschädigung, weil 
er jene Schutzuorrichtungen außer Acht gelassen habe. Der Ge— 
richtshof aber wies die Klage ab mit folgender Motivirung: 
Zwar sei nicht zu verkennen, daß der klagende Arbeiter den 
Fisensplitter bein Handhaben der Stanzmaschine nicht in's Auge 
»ekommen hätte, wern er bei der Gelegenheit eine Schutzbrille ge— 
ragen hätte. Allein mit Rücksicht ledighich auf die einge— 
zretene Folge ohne Weiteres ein Verschulden des beklagten 
Unternehmers anzunehmen, sei uustatthaft. Allerdings ließen sich 
Umstände denken, wo auch Schutzbrillen zu denjenigen Schutzvor— 
richtungen zu rechnen seien, zu deren Herstellung ein Fabrikbesitzer, 
venn in seiner Fabrik die Augen der Arbeiter durch abgesprengte 
Fisenstücke in Gefahr kämen, verpflichtet sei. Dies finde aber 
eineswegs, wie der Kläger annehme, schlechtweg auf alle Fabriken 
Anwendung, in welcher Meetall verarbeitet werde; es komme viel— 
nehr auf den einzeinen Fall an (Eutscheid. des Reichsger. Bd. V, 
S. 101). Namentlich in Meetalldrehereien und ähnlichen Betrieben, 
in welchen ein Umherfliegen von Eisensplittern beständig statt finde 
ind unvermeidlich sei, würden Schutzbrillen unentbehrlich sein 
Im einen solchen Betrieb handele es sich hier aber nicht. Nach 
Angabe der Sachverständigen sei die Arbeit an der fraglichen 
Yiaschine in Beziehung sowohl auf die Art der Arbeit, als auf 
»as zu verarbeitende Matertal an sich mit keiner Gefahr ver— 
zunden. Blos mit Rücksicht auf die Möglichkeit aber, daß in 
Folge irgend einer Unordnung ein Eisensplitter abgesprengt werden 
önnte, den Beklagten zur Verwendung von Schutzbrillen für ver— 
yflichtet zu halten und in dem Fehlen solcher Brillen ein Ver— 
chulden desselben zu fiuden, könne für zulässig nicht erachtet 
verden. — 
Die Anwendung des in dieser Eutscheidung steckenden Prinzips 
nuf das Baugewerbe ergiebt sich von selbst. Es soll mit der 
dausalität, mit dem ursächlichen Zusammenhang zwischen der 
Dandlung und dem angeblich aus ihr entsprungenen schädlichen 
Erfolge nicht zu lax genommen werden und es soll dem Fabrik— 
»der Banunternehmer nicht so ohne Weiteres die Haffpflicht auf— 
zebürdet werden, wenn nicht ein wirkliches Verschuldeu seiner— 
eits, indem er eine wirkliche Gefahr aus den Augen setzte 
iach den objektiven Unständen und der individuellen Sachlage 
nachgewiesen ist. Eine hier geübte falische Humanität fälscht auch 
die Gerechtigkeit der richterlichen Entscheidungen. 
sebnisse derartiger friedlichen Wettkämpfe sich gestalten. Der Ge— 
vinn, den die bauende Behörde aus einem solchen Erfolge zieht: 
zute, für die Ausführung brauchbare Pläne und, nenue Gedanken 
ür die Einzelkonstruktionen zu erwerben, ist dabei von geriugerer 
Bedeutung gegenüber dem weiteren Gesichtspunkte, daß die ganze 
Fachwelt durch die öffentliche Ausstellung und die literarische Be— 
prechung der Preisentwürfe an den Früchten dieser Wettbewer— 
»ungen theilnimmt, und daß im vorliegenden Falle namentlich auch 
die Angehörigen der einschlägigen Industriezweige an fremden 
Leistungen einen Maßstab für das eigene Können gewinnen und 
— was besonders wichtig ist — daraus den Autrieb schöpfen, ihre 
Leistungen auch auf einen möglichst hohen wissenschaftlichen Stand— 
punkt zuͤ erheben. Und so erwerben sich die Behörden mit der 
Ausschreibung von Preisaufgaben in jedem Falle unzweifelhafte 
Verdienste um die Fördernng von Kunst, Wissenschaft oder In— 
zustrie, durch welche die etwa aufzuwendenden Geldopfer weitaus 
aufgewogen werden. 
Daß die in Rede stehende, vom Reichsamt des Innern aus— 
geschriebene Wettbewerbung solche, über den augenblicklichen prak— 
ischen Zweck hinausgehende günstige Erfolge haben wird, beweist 
das uns von der geniannten Behörde in dankenswerthester Weise 
zur Verfügung gestellte Gutachten, welches die Preisrichter amtlich 
erstattet haben, zur Genüge. Wir glauben daher, mit dem Abdruck 
desselben unsere Besprechung eröffnen zu sollen, in deren weiterem 
Verfolg sich dann Gelegenheit bieten wird, auf die in dem Gutachten 
iaturgemäß nur kurz ausgeführten Urtheile und Gedanken näher 
zurückzukommen. Aus den thatsächlichen Mittheilungen desselben 
heben wir noch hervor, daß von den in engere Wahl gestellten elf 
Entwürfen sieben von Berliner Firmen herrühren, während die 
ibrigen aus Augsburg, Dresden, Hamburg und Kaiserslautern 
tammen, und daß neben den drei preisgekrönten Arbeiten noch die 
Futwürfe von Rietschel u. Henneberg und von H. Rösicke in 
Berlin in die engste Wahl gekommen sind. — 
Bericht des Preisgerichts, 
betreffend die Preisbewerbung für die Heizungs- und Lüftungs— 
Anlage des neuen Reichstagsgebäudes. 
Am Vormittag des 18. April versammelten sich, unter Vorsitz 
des Reichstagspräsidenten Herrn von Levetzow, im neuen Gebäude 
der Königlichen technischen Hochschnle, woselbst die eingegangenen 
34 Entwürfe in geeigneter Weise zur Schau gestellt waren, die 
unterzeichneten Mitglieder des Preisgerichts. 
Zunächst wurde beschlossen, daß der laut Poststempel am 
10. April zwischen 12 und 1 Uhr aufgegebene Entwurf der Firma 
Arnold u. Schirmer zwar beurtheilt werden solle, jedoch keinesfalls 
hrämiirt werden könne. Dann fand die Bildung zweier Abthei— 
lungen des Preisgerichts zum erstmaligen Studium der Vorlagen 
statt. Letztere würden durch Loos den Abtheilungen überwiesen. 
Trotz angestrengtester Thätigkeit der Abtheilungen konnte das 
Preisgericht erst in seinen am 28. und 29. April stattgehabten 
Sitzungen zur erstmaligen Sichtung der Entwürfe schreiten. 
Hierbei wurde die erfreuliche Thatsache einstimmig anerkannt, 
daß zahlreiche Arbeiten volle Hingabe, ungemeinen Fleiß und 
zroßen Scharfssinn der betreffenden Verfasser bekundeten. Allerdings 
lagen auch einzelne Entwürfe vor, welche von gänzlicher Verkennnuüg 
der Aufgabe zeugten. 
Das Preisgericht schied mehrere Entwürfe wegen Verstöße 
zegen das Programm, audere wegen gröberer Fehler in der Ge— 
sammtanordnung wie weiteren Durcharbeitung und unvollständigen 
Darstellung aus, während der Rest der Entwürfe, nämlich die— 
enigen der Verfasser: David Grove in Berlin, Joh. Haag in 
Augsburg, Eisenwerk Kaiserslautern in Kaiserslautern, Kaͤuffer u. 
To. in Mainz und Berlin, E. Kelling in Dresden und Berlin, 
R. O. Meyer in Hamburg, Naruhn u. Petsch in Berlin, 
H. Pfützner in Dresden, Rietschel u. Henneberg in Berlin, H. Rösicke 
in Berlin, Rob. Uhl in Berlin in engere Wahl gestellt wurde. 
Die Arbeiten der Firmen: Gebr. Körting in Hannover und 
R. Noske in Hamburg konnten zwar wegenwesentlicher Fehler 
nicht in engere Wahl gestellt werden; die von diesen Firmen auf 
Brund eigener Versuche erreichte Förderung der Kühlungsfrage 
fand indeß besondere Anerkennung. 
Für die Luftentnahme macht R. O. Meyer zwei Vorschläge: 
ie soll entweder über Dach, oder durch die westliche Rampe er— 
olgen. Man konnte sich nicht unbedingt für das erste Versahren 
erklaͤren; das zweite ist jedoch wenig befriedigend durchgeführt, in— 
dem behufs dessen Benutzung zwei Frischluftkaͤnäle auf rund 283 m 
Länge in erheblicher Tiefe ünter Kellersohle gelegt sind. 
Die warme Luft wird in unzuläfsiger Weise durch zwei 
Pfeiler des Hauptsaales geführt. Wenn diese Fehler auch ohne 
größere Schwierigkeiten zu beseitigen sein würden, so glaubte man 
doch aus Gerechtigkeitsgründen gegen andere Bewerber bei den 
Preisbewerbung 
für die Heizungs- und Lüftungsanlage des 
neuen Reichstagsgebäudes in Berlin —1 
Bei der eminenten Wichtigkeit dieser Konkurrenz wird nach— 
tehender Bericht des „Centralblatt der Bauverwaltung“, der sicher 
don kompetenter Feder versaßt ist, das besondere Interesse unserer 
eeser erwecken. 
Seit dem 10. d. M. sind die Pläne für die Heizung und 
Lüftung des neuen Reichstagshauses in der technischen Hochschule 
in Charlottenburg ausgestellt: vierunddreißig Entwürfe, welche in 
380 Blatt Zeichnungen und meist ausführlichen Erläuterungsbe— 
dichten eine große Summe von Geistesarbeit und Tüchtigkeit offen— 
daren und die bisher gemachte Erfahrung von neuem bestätigen, 
daß, je mehr und je länger es zur Regel geworden, hervorragende 
hauliche Aufgaben zum Gegenstand öffentlicher Preisbewerbungen 
zu machen, um so befriedigender und vraktisch günstiger die Sr—
	        

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