Die Dekoration der Putzfagade. — Preisbewerbung für die Heizungs- und Lüftungsanlage des neuen Reichstagsgebäudes. 342
Die Dekoration der Putzfacçade.
Von
Albert Hofmann, Acchitekt.
Schluß.)
Die beigemischte Infusorienerde (Kieselsänre in fein zertheilter
Form und leicht löslicher Modifikation) kann in zweierlei Richtung
zur Konsolidirung der Masse beitragen. Einmal wird ihre Wirkung
eine mechanische sein, indem sie mit dem Kalk die gröberen Theil—
hen untereinander verkittet und festhält. Dann wird sie theilweiste
mit dem vorhandenen Aetzkalk die Bildung eines Kalksilikats ein
zehen, wie solches übrigens auch hernach unter dem Einflusse des
hinzukommenden Wasserglases entstehen muß. Eine derartige
Silikat-Bildung innerhalb des Mörtels ist ganz besonders geeignet,
dessen Stärke und Widerstandsfähigkeit gegen chemische und mecha
nische Einwirkungen zu erhöhen. Der vollständig ausgetrocknete
Malgrund wird vor der Imprägnirung mit Wasserglas, um die
an der obersten Schichte befindlichen Lage von krystallinischem
kohlensaurem Kalk zu zerstören und die Poren möglichst freizu—
legen, mit Kieselfluorwasserstoffsäure getränkt. Diese Methode des
ODeffnens der Poren hat vor der durch bloßes Abreiben mit Sand—
stein den Vorzug der Gründlichkeit, erhöht die Gleichmäßigkeit und
Dauerhaftigkeit des Malgrundes in hohem Grade, indem, wie die
Praxis gezeigt hat, die durch die Einwirkung der Kieselfluorwasser—
toffsäure auf den kohlensauren Kalk erzeugten Produkte mit dem
Wasserglase eine chemische Verbindung von großer Widerstandsfähig—
keit zu bilden im Stande sind. Die Farben erhalten verschiedene
Zusätze, als: Thonerdehydrat, Magnesiahydrat, Kieselerdehydrat,
inkoxyd, kohlensauren Baryt, Flußspath und Glaspulver, je nach
der Natur des Farbstoffes und werden dieselben bald einzeln, balt
in Mischung zugeagt— in ganz bestimmten Quantitäten. Diest
Zusätze kommen alle in feinst zertheilter Form in Anwendung;
durch inniges Reiben werden die reinen, geschlämmten Farben mit
diesen Zusaͤtzen gemengt. Durch die aͤußerst feine Form der Zer—
theilung dringt der Farbkörper besser in die Poren des Malgrundes
ein, besitzt eine größere und gleichförmigere Deckkraft und schmiegt
sich dem Grund inniger an.
Was vom chemischen Gesichtspunkte aus insbesondere für die
Solidität dieser Methode hervorgehoben werden kann, ist, daß be
diesem Verfahren einer Silikatbildung von den Bestandtheilen des
Farbkörpers unter sich und mit den Materialien des Obergrundes
namentlich unter dem Einflusse des hernach hinzutretenden Fixirungs⸗
mittels, auf das Beste Vorschub geleistet wird. Dessen freies
Alkali wirkt auf gewisse Zusätze, wie Zinkoxyd, Thonerdehydrat
Kieselerdehydrat, zunächst lösend ein. Durch Zutritt der Kohlen—
säure der Luft werdeu diese Lösungen wieder zersetzt unter Aus—
scheidung der Hydrate, welche bei diesem Vorgange eine Umwand⸗
ung der Silikate erleiden müssen. Von diesem werden die reinen
Farben eingeschlossen, wenn letztere nicht etwa selbst an der Sili—
atbildung theilnehmen.
Was die Wahl der Farben anbelangt, so sind auch für das
neue Verfahren die in der Stereochromie gebräuchlichen und er—
probten Mineralfarben als die zweckmäßigsten angenommen. Ein
vesentlicher Nachtheil der Stereochromie war es, daß viele Farben
in Folge des freien Alkalis im Wasserglas nachträglich nach dem
Fixiren einen dunkleren oder helleren Ton annehmen. Diesem Um—⸗
stande begegnet Herr Keim in erfolgreicher Weise dadurch, daß er
die Farben zuvor mit Kali oder Ammoniak versetzt. Dieselben
zesitzen dann von Hause aus die Nüance, welche sie in Berührung
nit dem Alkali des Fixirungsmittels annehmen würden. Das
Fixiren des Bildes geschieht bei der Stereochromie mittelst des
Fixirungswasserglases, das mit der verbesserten, von Schlotthauer
erfundenen Staubspritze aufgetragen wird. Auch Herr Keim be—
dient sich hierzu eines nach seinen und zum Theile auch schon
Schlotthauer's Erfahrungen besser bewährten, mit Aetzkali und
Aetzammoniak versetzten Kaliwasserglases, wendet dieses in heißem
Zustande nur erst dann an, wenn das ganze Gemälde bis auf den
Stein ausgetrocknet ist, sodaß das Fixirungasmittel bis in die Mauer
eindringen kann.
UUm den Prozeß der Umsetzung des kieselsauren Alkalis mit
den in der Masse des Gemäldes vorhandenen Basen (Hydroxyden)
zu Silikaten zu beschleunigen und gleichzeitig die stoͤrenden Er—
scheinungen möglichst aufzuheben, welche später dadurch eintreten,
daß in Folge langsamer Vollziehung dieses Prozesses unter dem
Einflusse der Kohlensäure der Luft und des Wassers, das hierbei
sich bildende und frei werdende kohlensaure Alkali an die Ober—
läche des Bildes sich zieht und dort, eingetrocknet, einen weißlichen
staubartigen Ueberzug bildet, behandel Herr Keim nach dem Fixiren
das ganze Gemälde mit kohlensaurem Ammoniak. Die Wirkung
desselben auf kieselsaures Kali ist die, daß hierdurch Kieselsäure in
feiner gallertartigen Form auftritt, Ammoniak frei gemacht wird,
das sich verflüchtigt und kohlensaures Kali bildet. Letzteres wird
durch Auswaschen aus der Masse ausgezogen. Ein nasses Arbeiten
allein ermöglicht das Eindringen der Farben in die Poren des
Malgrundes und das innige Auschmiegen an die solide Verbindung
mit demselben.
Auch die verschiedensten rigorosen Prozeduren, welchen solche
Bilder ausgesetzt wurden, als: längeres Einlegen in heißes oder
kaltes Wasser, Bürsten mit Wasser, Alkalien, verdünnten und sel bst
konzentrirten Säuren, waren (mit Ausnahme kleiner Nüance-Aen—
derungen an einzelnen Farben) nicht im Stande, eine merkliche
Schädigung derselben zu bewirken. Die Bilder zeigen selbst nach
solchen Prozeduren noch gleiche Härte und Widerstandsfähigkeit
zegen mechanische Angriffe.
Gleich günstig lautet das Gutachten vom künstlerischen Stand—
punkte aus, welchen die Maler Lindenschmit, A. Muüller und
Gabriel Max vertreten. Sie äußern sich unter anderem in fol—
gender Weise: „Die Vortheile der neuen Technik dürften sich, ab—
zesehen von der bereits konstatirten Dauerhaftigkeit und Unzer—
störbarkeit, noch in folgendem finden lassen:
„Besonders ist es der klare weiße Malgrund, auf welchem sich
die Farben (besonders Lasuren) durchsichtig, brillant und mit
großer Leuchtkraft Wirkung zu verschaffen vermögen, was auf dem
dunklen Untergrunde des stereochromen Cement- oder Mörtelgrundes
nicht der Fall ist.
Die Reichhaltigkeit der Farbenskala ist eine große und ist
hier das höchste Licht des Freskobildes, sowie eine bedeutende
Tiefe und Wärme der Schatten erreichbar, wie durchaus auch kein
Mangel an brillanteren Farben ist. Vortheilhaft ist die außer—
zewöhnlich feine Reibung, in der diese Farben von dem Erfinder
fabrikmäßig hergestellt werden, welche hierdurch bei möglichst ge—
ringem Farbenquantum leicht Deckung des Malgrundes ermöglichen.
Es sind sowohl Deck- als Lasurfarben anwendbar. Die
Bilder lassen sich, wie in der Stereochromie und Freskomalerei,
gjanz matt herstellen, sodaß sie von dem Beschauer bei jeder Be—
leuchtung und von jeder Seite aus übersehen werden können.
Das Malen selbst ist äußerst angenehm und bietet nicht die
mindesten Schwierigkeiten. Die Farben sind äußerst geschmeidig,
gehen leicht vom Pinsel, adhäriren gut auf dem Malgrunde und
lassen sich in einander verreiben.
Die vollendeten Bilder können mit Leichtigkeit retouchirt,
verbessert und zusammengestimmt werden. Einer der größten Vor—
theile aber im Gegensatze zur alten Stereochromie ist es, daß die
Farben, nachdem sie fixirt sind, ebenso bleiben und wirken, wie
während des Malens im nassen Zustande, daß also durch das
Fixiren nicht die geringste Nüance-Aenderung, welche die Harmonie
und Stimmung des Werkes stören könnte, eintritt.
Dem vorstehenden Gutachten zufolge ist es Herrn Keim
zweifellos gelungen, eine bis ins kleinste Detail wohl durchdachte,
wissenschaftlich begründete und den augenscheinlichen Thätsachen
zufolge praktisch bewährte, monumentale Malmethode zu bieten,
die allen bisherigen Maltechniken weitaus vorzuziehen ist, die ein—
mal in ihrem hohen Werthe erkannt, eine foͤrmliche Umwälzung
in unserer gesammten Monumental- und Dekorationsmalerei her⸗
oorbringen dürfte und die größte Verbreitung und praktische Aus—
nützung verdient.“
ie Thatsache allein, daß Männer wie Franz von Lenbach,
W. Lindenschmit, Gabriel Max, A. Müller und Ferdinand Wagner
der neuen Erfindung ihr Interesse zuwendeten, giebt schon eine
gewisse Garantie objektiven Werthes, und allen Ausführungen zu—
solge scheint in der Mineralmalerei das Ideal einer monumen—
salen Malweise am nächsten erreicht zu sein. Indeß konnten nur
die gediegenen Vorarbeiten des Prof. Schlotthauer zu diesem Re—
zultat führen, wie denn auch Professor von Pettenkofer erklärte,
daß wahrscheinlich nie ein siereochromisches Bild zu Stande ge⸗
kommen wäre, wenn Prof. Schlotthauer nicht gewesen wäre. Auf
dieser Grundlage baute Keim verdienstvoll weiter.
Preisbewerbung
für die Heizungs- und Lüftungsanlage des
neuen Reichstagsgebäudes in Berlin.