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Der FriedrichDampfmotor.
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einströmt, so ist darauf aufmerksam zu machen, daß es zweckmäßiger
sein dürfte, über dem Oberlicht eine Kühlung stattfinden zu lassen,
welche sehr weit getrieben werden kann, ohne die Abgeordneten
zu belästigen. So ist denn der dritte Vorschlag, nach welchem
die frische Luft durch die Wölbung der Saaldecke und unter der
Galeriedecke eintreten und durch die Fußböden des Saales wie
der Galerie abströmen soll, genügend als der geeignetste gekenn—
zeichnet. Die Erfahrungen in Theatern, welche gegen diese Art
der Luftzufuhr und Abfuhr sprechen sollen, sind für den vorliegen—
den Fall nicht maßgebend, indem bei jenen eine überaus starke
Wärmeentwicklung durch die nahe der Decke befindlichen Beleuch—
tungsflammen stattfindet. Will man an eiuem ausgeführten Bau—
werke gemachte Erfahrungen berücksichtigen, so beachte man den
jetzigen Sitzungssaal des Reichstags. Bei demselben liegen die
A— recht ungünstig, indem nur die an einer der
Langseiten befindlichen benutzt werden“) und trotzdem befriedigs
die Anlage im großen und ganzen. Freilich wird man der Lusfi—
zufuhr wie der Abfuhr auch in den Einzelheiten große Sorgfallt
widmen müssen, um die Luft in den ihr vorgeschriebenen Weg zu
zwingen und um zu verhüten, daß die kalte Luft auf die Häupter
einzelner Personen mit besonderer Wucht niederfällt. Auch in
dieser Beziehung scheint, soweit es zu erkennen ist, der Grove'sche
Entwurf das Richtige zu treffen, indem die Zuluftöffnungen gut
vertheilt und mit Führungen versehen sind, welche ein waagerechies
Eintreten der Luft sichern. Die frische Luft wird mit etwa 160
die Häupter der Anwesenden treffen. Hat man Bedenken, daß
hierdurch kahlköpfige Herren belästigt werden, so ist dem zu ent—
gegnen, daß es wohl weniger schwierig sein wird, diese zum Tragen
eines Käppchens oder einer Perrücke zu veranlassen, als sämmtliche
Besucher mit Filzschuhen oder Pelzstiefeln zu belasten. Die Wärme,
welche durch den Stoffwechsel entwickelt wird, läßt sich nur auf
den Schultern der Luft aus einem dicht besetzten Saal entfernen,
man muß daher diesem Abfuhrverfahren Rechnung tragen.
Oben wurde, bei der überschläglichen Berechnung der Zuluft—
temperatur, ein mittlerer Feuchtigkeitsgehalt der Luft angenommen.
Derselbe vermittelt durch die Ausdünstung der Menschen (etwa
100 8 Wasser stündlich) eine entsprechende Wärmebindung. Steigt
der Feuchtigkeitsgehalt, so vermindert sich natürlich die Verdunstung
und es wird mehr fühlbare Wärme frei. Würden beispielsweise
don jeder Person 50 g weniger verdunstet, so würde das 50. 0,6
— 30 W. E. also nahezu 7, der mittleren Wärmeabgabe eines
erwachsenen Menschen betragen, d. h. es müßte, um auch noch
diese Wärme zu binden, die Zulufttempetratur noch wesentlich
niedriger sein, als oben berechnet. Es ist deshalb schon wegen
dieser Thatsache nothwendig, die von Natur feuchte, oder durch
Wasser feucht gewordene Luft vor ihrem Eintritt in den Saal zu
trocknen. Ich habe auf die Nothwendigkeit des Lufttrocknens
hereits früher aufmerksam gemacht **) und bedauere von meinem
Standpunkt aus, daß von den Preisbewerbern nur einer dieses
Verfahren erwähnt hat. Man benutzt in gewerblichen Betrieben
verschiedene Mittel zum künstlichen Trocknen der Luft; von diesen
dürfte für den vorliegenden Fall nur das Kühlen auf sehr niedrige
Temperatur und das nachträgliche Erwärmen auf die Eintritts—
temperatur brauchbar sein, welches, da Grove sehr reichliche Vor—
wärmflächen vorschlägt, ohne nennenswerthe Aenderung seines
Entwurfes auszuführen ist, indem die ersten Heizkörper der Kühlung,
die unter dem Saal befindlichen der Wiedererwärmung dienstbar
gemacht werden. Es mag erwähnt werden, daß man durch weiter—
gehende Lufttrocknung einen größeren Theil der durch den Stoff—
wechsel frei werdenden Wärme durch Verdunstung beseitigen und
dann die Zulufttemperatur erhöhen kann. Ich würde kein Be—
denken tragen, hiervon Gebrauch zu machen, da ich aus Erfahrung
weiß, daß selbst in einer reinen, nur bis 25 pCt. gefeuchteten
Luft sich sehr gut leben und reden läßt.
Die Benutzung zweier besonderer, von der übrigen Anlage
unabhängiger Bläser für den großen Saal kann nur gebilligt
werden. Man gewinnt hierdurch die Möglichkeit, den Druck im
Saal so zu regeln, daß Zugerfcheinungen infolge Oeffnens der
Thüren vermieden werden, und überhaupt die Regelung für den
Saal von dem Wechsel der Bedürfnisse anderer Räume unabhängig
zu machen.
Für die Sicherheit des dem Hauptsaal geltenden Betriebes,
wie auch derjenigen der übrigen Raäͤume ist das oben bereits er—
wähnte Niederführen der Abluft zum Keller von hohem Werth.
Aus den vorliegenden Zeichnungen ist nicht genau zu erkennen,
wie hoch das Dach des Hauptsaales über seinem Fußboden liegt.
Man darf aber annehmen, daß die Mündungshöhe eines gerades—
wegs über Dach geführten Schlotes etwa 30 m über Saalfuß—
—
luft entspricht diese Höhe*) 30 m. O,004. (200 4 230) - 5, 16 kg
Druck auf 1qm, oder 5,16 mm Wassersäule, welcher als Auftrieb
die Fortbewegung der Luft erheblich fördert. Ist die Temperatur
des Freien gleich derjenigen der Äbluft, so faͤllt dieser Auftrieb
zinweg, und bei hoher Sommertemperatur wird er sogar negativ.
Durch die Grove'sche Anordnung wird dieser, die Regelung er—
jeblich erschwerenden Ungleichheit wirksam entgegengetreteu, indem
durch die zwei Sauger, oder — wenn diese versagen sollten —
hzurch die Höhenerwärmung der Abluft im Fuße der beiden Lock—
chornsteine die Möglichkeit gegeben ist, den Druck in den Abluft⸗
Hauptkanälen auf im wesentlichen gleicher Höhe zu erhalten, ihn
ilso von den atmosphärischen Vorgängen unabhängig zu machen.
Es wird hierdurch die Regelung des Luftabflusses nicht überflüfsig,
aber erleichtert, wobei noch die Vereinigung aller Regelungstheile
im Kellergeschoß eine wichtige Rolle spielt.
Die Frage der Regelung ist überhaupt durch Grove vortreff⸗
lich gelöst. Dieselbe erfolgt von den unter dem Hauptsaal befind—
lichen Luftmischkammern und den Hauptkanälen aus. Man wendet
gegen dieses Verfahren wohl ein, daß die durch die Bedienungs—
mannschaften verursachten Geräusche stören. Diese Geräusche sind
zweierlei Art; sie rühren entweder von den Regelungstheilen her
Aufschlagen der Klappen, Knarren der Zapfen u. s. w.) oder
entstammen unmittelbar dem Benehmen der Bedienenden. Erstere
Geräusche treten immer in den Heizkammern, Luftkanälen
u. s. w. auf, auch wenn die Bedienung von irgend einer
anderen Stelle aus erfolgt; sie sind zu mildern durch zweckmäßige
Konstruktion und sorgfältige Wartung der Theile. Die Geräusche
der letzteren Art sind unnöthig, denn man kann von den Be—
dienungsmannschaften verlangen, daß sie während ihres Dienstes
Ruhe walten lassen und, wo es angebracht, Fußbekleidungen be—
nutzen, welche einen geräuschlosen Gang gestatten. Man hat ferner
Bedenken gegen das regelmäßige Begehen der Hauptluftkanäle
eitens der betreffenden Diener insofern erhoben, als hierdurch
Luftverunreinigungen herbeigeführt werden könnte. Dieser Ein—
wurf ist jedoch ebenso wenig stichhaltig wie der erstgenannte, in—
dem selbstoerständlich größte Sauberkeit, und zwar schon aus
anderen Gründen, verlangt werden muß, die regelmäßigen Aus—
dünstungen der wenigen Menschen (drei oder höchstens vier) gegen—
über der hier in Frage kommenden gewaltigen Luftmenge aber
verschwinden. Eine gute, also theilweise künstliche Beleuchtung
der Kanäle ist nothwendig, ebenso wie bei irgend welchen anderen
Bedienungsgängen; man kann diese jedoch ohne Schwierigkeit
oo einrichten, daß sie die frische Luft nicht verunreinigen. Anderer—
eits ist eine regelmäßig gute Beleuchtung wie das Begehen der
Lduftkanäle von hohem Vortheil für die Reinlichkeit derselben.
Begen Unreinlichkeit der Luftkanäle — die leider noch immer
nicht zu den Seltenheiten gehört — ist kein Luftwechsel wirksam
zenug. Paart sich mit den erwähnten Bortheilen, wie im vor—
liegenden Falle, der andere, daß durch das in Rede stehende Ver—
'ahren die Bedienung eine sicherere und raschere wird, als auf irgend
einem anderen Wege, so sprechen wohl genügende Gründe für
ersteres. Grove läßt die theilweise elektrisch übertragenen Nach—
richten über die Zustände der betreffenden Räume an diejenigen
Orte gelangen, an welchen die Regelung stattzufinden hat, an
denen man auch die zeitige Stellung der Regelungstheile beobach—
ten kann. Er schafft hierdurch die Möglichkeit, den Diener für
die richtige Regelung verantwortlich machen zu können, was für
den Betrieb von hoher Wichtigkeit ist. Gleichzeitig sollen jene
Nachrichten auch dem leitenden Ingenieure zugehen, welcher für
zewöhnlich nur allgemeine Verhaltüngsmaßregeln vorschreibt, in
Ausnahmefällen aber handelnd einzugreifen hat.
Leider ist, soviel aus den Plänen gesehen werden kann, die
Regelung der Dampfwarmwasserheizung nicht in gleicher Weise
durchgeführt, wie diejenige der Dampfluftheizung und, Lüftung,
indem dieselbe vom Kellergeschoß aus nur gruppenweise stattfinden
fkann. (Centralblatt der Bauverwaltung.)
Erfindungen im Hochbauwesen
und der damit zusammenhängenden Zweige.
Der Friedrich-Dampfmotor aus der Fabrik von
Friedrich und Jaffé in Wien (mit 6 Figurxen).
Dem Erfinder eines Motors muß als Ideal eine Maschine
vorschweben, welche selbstthätig und kostenlos arbeitet. Hat
er die Entfernung zwischen diesem Ideal und der leistungsfähigsten
aller existirenden Betriebsmaschinen abzukürzen vermocht, so ge—
*) Dem Erbauer, welcher seiner Zeit über die nöthige Muße, den
Bauplan in diesen Einzelheiten durchzuarbeiten, bekanntlich nicht gebot, soll
hier ein Vorwurf nicht gemacht werden. D. V.
**) Handbuch der Architektur, Theil IIII. Bd. 4, S. 86
*) Wochenschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1883, S. 155.