Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 44, Bd. 3, 1884)

Mittheilungen aus der Praxis. 
assungen ausfüllende Expropriatiousgesetze sollten nun billig in 
dieser Beziehnng die Entschädigungsfrage auf das Peinlichste regeln, 
o daß namentlich in Anbetracht der Werthsberechnung des Expro⸗ 
zriationsgegenstandes Zweifel überall nicht entstehen könnten. 
Diese Akkuratesse ist aber von dem gedachten Preuß. Enteignungs— 
gesetz sehr vernachlässigt. Zwar sagt 8 1 desselben, das Grund— 
eigenthum könne nur aus Gründen des öffentlichen Wohles für 
ein Unternehmen, dessen Ausführung die Ausübung des Enteig— 
nungsrechtes erfordere, gegen vollständige Entschädigung 
entzogen werden. Allein die weiterhin aufgestellten Grundsätze 
iber die Entschädigung siud so lückenhaft, daß es den Gerichts— 
höfen möglich wurde, Erkenntnisse zu fällen, welche nicht nur dem 
Recht der Wissenschaft widersprechen, sondern auch, falls man den 
Ausdruck „vollftändige Entschädigung“ des 8 1ernsthaft nehmen 
will, sich hiermit in Gegensatz stellen. Expropriationen scheinen 
nanchen Gerichtshöfen auf einer Stufe mit Verloosungen zu stehen, 
nsofern bei beiden ein Gewinn gemacht werde, der auf einem 
Blücksfall bernhe und deshalb sei das Gesetz in Ansehung der 
döhe der Geldentschädigung möglichst strikt auszulegen. 
Zunächst geben wir die einschlägigen Bestimmungen des 
Preuß. Expropriationsgesetzes hier wieder, welche uns hauptsächlich 
yeschäftigen werden, und deren Zusammenhang mit der Verheißung 
der „vollen Entschädigung“ des 8 1 meist von den Gerichtshöfen 
ibersehen wird. 
88. Die Entschädigung für die Abtretung des Grundeigenthums 
esteht in dem vollen Werthe des abzutretenden Grundstücks, einschließlich 
der enteigneten Zubehörungen und Früchte. 
Wird nur ein Theil des Grundbesitzes desselben Eigenthümers in An— 
pruch genommen, so umfaßt die Entschädigung zugleich den Mehrwerth, 
velchen der abzutretende Theil durch seinen örklichen oder wirthschaftlichen 
Zusammenhang mit dem Ganzen hat, sowie den Minderwerth, welcher für 
den übrigen Grundbesitz durch die Abtretung entsteht. 
8 9. Wird nur ein Theil von einem Grundstück in Anspruch ge⸗ 
nommen, so kann der Eigenthümer verlangen, daß der Unternehmer das 
Hanze gegen Entschädigung übernimmt, wenn das Grundstück durch die Ab— 
retung so zerstückelt werden würde, daß das Restgrundstück nach seiner bis— 
serigen Bestimmung nicht mehr zweckmäßig benutzt werden kann. 
Trifft die geminderte Benutzbarkeit nur bestimmte Theile des Rest⸗ 
zrundstücks, so beschränkt sich die Pflicht zur Mitübernahme auf diese Theile. 
Bei Gebäuden, welche theilweise in Anspruch genommen werden, um⸗ 
aßt diese Pflicht jedenfalls das gesammte Gebäude. 
Bei den Vorschriften dieses Paragraphen ist unter der Bezeichnung 
hrundstück jeder in Zusammenhang stehende Grundbesitz des nämlichen 
Ligenthümers begriffen. 
8 10. Die bisherige Benutzungsart kann bei der Abschätzung nur 
is zu demjenigen Geldbetrage Berücksichtigung finden, welcher erforderlich 
st, damit der Eigenthümer ein anderes Grundstück in derselben Weise und 
nit gleichem Ertrage benutzen kann 
Eine Wertherhöhung, welche das abzutretende Grundstück erst in Folge 
er neuen Anlage erhält, kommt bei der Bemessung der Entschädigung nicht 
n Anschlag. 
Dies wären die Normen, nach denen die Abfindung des 
Enteigneten zu vollziehen ist. Der „volle Werth“ des 8 8 ist so 
venig definirt, als die „volle Entschüdigung“ des &F1. Während 
die Expropriationsgesetze die Verfassungen im Speziellen durch 
iormgebende Grundsätze ausfüllen sollten, ist hier einfach wieder— 
jolt, was im obigen Art. 9 der Preußischen Verfassung „Ent— 
chädigung“ genannt ist; das Wort „voll“ ist überflüssig, weil 
eder Schadensersatz schon dies ganz ist, wenn nicht ausdrücklich 
ein Bruchtheil desselben genannt ist. Es fehlen mithin gerade für 
den wesentlichsten Punkt, für die Werths- oder Entschädigungs- 
herechnung die maßgebenden Direktiven. Was für ein „Werth“ 
ist gemeint? Es giebt Gebrauchs-, Tausch-, Verkaufs-, Spekula⸗ 
tions-, Produktionskosten ꝛc. Werthe, welche bei einer ökonomischen 
Schätzung in Frage gezogen werden können. Ebenso wird die 
„Entschädigung“ je nachdem man diese oder jene Berechnungs— 
mnethode des Werthes in Anwendung bringt, höher oder niedriger 
ausfallen. 
Unmöglich kann den im kommissarischen, oder, falls auf ge— 
cichtliche Entscheidung, angetragen wird, im gerichtlichen Verfahren 
»eigezogenen 1453 Sachverständigen es überlassen werden, nach 
welchen objektiven Grundsätzen sie die Werths- oder Entschädi⸗ 
zungsberechnung vornehmen wollen; das zu ordnen ist Sache des 
Besetzes. Die Sachverständigen haben nur das Subjektive der 
Schätzung im thatsächlichen Falle zu besorgen, und überließ man 
ihnen auch die Entscheidung, nach welchen objektiven Normen sie 
rechnen wollen, so würde der eine diese, der andere jene Rechnungs— 
nethode für richtig halten und anwenden, was sicherlich zu falschen 
Resultaten führt. Wer rechnen soll, dem müssen also zuvor die 
Rechnungsregehn gegeben sein; diese können nicht in seinem Er— 
nessen stehen. 
Im folgenden Artikel werden wir die Gerichtspraxis erörtern. 
(Fortsetzung folgt.) 
Mittheilungen aus der Praris. 
Die verflüssigte Kohlensäure als Feuerlösch— 
mittel. Zu den bisherigen verschiedenen Verwendungsarten des 
ieuen Handelsartikels „flüssige Kohlensäure“ ist noch eine gekommen, 
zie eigentlich sehr nahe lag, aber eben erst ermöglicht wurde durch 
zie leichte, billige und gefahrlose Beschaffung derselben, nämlich die 
um Löschen von ausgebrochenen Bränden. C. Mönch in Berlin 
sat hierauf und auf die dazu nöthigen Apparate ein Patent, und 
jat mit der Aktiengesellschaft für Kohlensäure-Industrie in Berlin 
inen Vertrag geschlossen, durch welchen er allein und ausschließ— 
ich in den Stand gesetzt ist, die Füllung der Apparate mit flüssiger 
dohlensäure stets ausführen zu können. 
Man hat zwar schon laͤngst Kohlensäure indirekt zum Löschen 
,on Feuer verwendet, so z. B. bei den sogenannten Extinkteurs, 
ndem aus einem mit Wasser gefüllten verschlossenen Gefäße durch 
sen Druck sich entwickelnder Kohlensäure Wasser gespritzt wurde, 
illein die Kohlensäure spielt bei diesen Apparaten als eigentliches 
röschmittel nur eine untergeordnete Rolle, wirkt vielmehr nur in— 
zirekt als druckgebendes Mittel. 
Dasselbe ist der Fall bei den Versuchen, die flüssige Kohlen— 
äure zur ersten Bewegung der Dampffruerspritze zu benutzen, so 
ange, bis genügend Dampf zur Ausübung der Kraft entwickelt ist. 
Nach dem Verfahren von Mönch wird jedoch die Kohlen— 
äure selbst als direktes Feuerlöschmittel verwendet, und haben Ver— 
uche, die im vorigen Herbst in Berlin im Großen mit diesem 
Verfahren gemacht wurden, sehr günstige Resultate ergeben. 
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß diese Löschmethode 
ich besonders für solche Fälle eignet, in denen rasche und sichere 
Wirkung nöthig ist, um den Ausbruch großer Feuer zu verhin— 
)ern, wie bei Bränden auf Schiffen, in Werkstätten, Theatern u. s. w. 
Nach Versuchen von Fresenius genügen 17 bis 20 pCt. der 
Luft eines Raumes gasförmiger Kohlensäure, um die gewünschte 
röschwirkung zu erzielen. 
Ein besonderer Vortheil scheint uns noch darin zu liegen, 
zaß durch dieses Löschverfahren die Anwendung von Wasser unnöthig 
vird, wodurch also die so häufigen Beschädigungen der Gegenstände 
durch eingespritztes Wasser vermieden werden. 
Ueber die Benützung inländischer und akklimati—⸗ 
sirter Hölzer für Industriezwecke. Hierüber macht 
A. W. Kubelka in den „Meittheilungen des technologischen Museums 
„u Wien“ folgende Angaben: „Die internationale Ausstellung von 
Drechslerwaaren, welche im Laufe dieses Sommers im technolo— 
Jischen Museum in Wien stattfand, hat die Thatsache konstatirt, 
daß der größte Theil unserer Holzarbeiter außer den landläufigen 
Hölzern wie Fichte, Buche, Nußbaum, Eiche, Esche, Erle ꝛc. nur 
sehr selten andere einheimische Holzarten verwendet, dagegen mit 
hesonderer Vorliebe zu außereuropüischen Hölzern greift, welche, 
eine Zeit lang bevorzugt, dann ebenso schnell der Vergessenheit 
inheimfallen. Es ist nicht zu leugnen, daß diese Vorliebe zum 
zroßen Theil auf den werthvollen Eigenschaften, namentlich aber 
zuf dem oft prächtigen Farbenspiele der in den heißen Klimaten ge— 
vachsenen Hölzer beruht, wodurch beim konsumirenden Publikum 
eine größere Kauflust hervorgerufen wird; andererseits muß aber 
»xwähnt werden, daß die Nichtbeachtung vieler heimischen Holz— 
zattungen auch darin zu suchen ist, daß die Holzindustriellen über 
sie Eigenschaften und die Verwendbarkeit der Mehrzahl unserer 
Zolzgewächse gar nicht oder nicht genau informirt sind.“ — Zu 
enjenigen Holzarten, von welchen der Verfasser glaubt, daß sie 
zu Industriezwecken, insbesondere für die Bedürfnisse der Kunst— 
rechslerei weitergehende Verwendung finden könnten, und deren 
dultivirung deshalb zu empfehlen wäre, gehören u. a. der Bohnen— 
»aum oder Goldregen (COytisus labarnum L.), die Kornelkirsche 
Cerasus mascula L.), der Weißdorn (Crataegus oxyacantha L.), 
er Mehlbeerbaum (Sorbus aria L.), die Pimpernuß (8Staphylea 
innata L.), das Pfaffenhütchen Evonymus), der Sauerdorn 
Berberis vulgaris I.), der Perückenstrauch (Rhuscotinus L.). 
Wenn diese und die außereuropäischen, bereits akklimatisirten 
Zölzer kunstgerecht in Baumschulen gepflanzt würden, so würde 
nan z. B. ein vorzügliches Stockmaterial erlangen und den be— 
eutenden Import an solchem vermindern. In dieser Beziehung 
rinnert der Verfasser an die bekannten Badener (uniederöster— 
eichischen) Weichselplantagen, welche bedeutende Erträge abwerfen, 
und deren Produktion stetig zuninmt. 
Verfahren, Holz zu trocknen. Zu den vielen ein⸗ 
chlägigen Verfahren dieser Art ist durch Emil Roßdeutscher in 
Potsdam (D. R.⸗P.) ein nenes getreten, welches darin besteht, das 
dolz durch Einbetten in Knochenkohle, Beinschwarz oder Torfstreu 
urntrocknen. Dieses Verfahren hat den Zweck, grünes Holz aller 
Art innerhalb 10414 Tagen ohne Anwendung von Hitze zu 
trocknen und zur Verarbeituͤng tauglich zu machen. Zu diesem
	        

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