Mittheilungen aus der Praxis. — Literaturbericht. — Bautechnische Notizen.
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Mittheilungen aus der Praris.
Zur Zerstörung der Ziegelsteine durch Bak—⸗
terien. In Jungster Zeit macht durch die technischen Zeitschriften
ine Meittheilung die Runde, welcher zufolge die Zerstörung der
Ziegelsteine, durch Verwitterung nicht durch atmosphärische Ein—
füsse, sondern größtentheils durch die Entwickelung mikrostkopischer
Organismen bedingt sein soll, da man im Pulver eines ver—
ditterten Steines zahlreiche Bakterien gefunden haben will. Ohne
Fie Glaubwürdigkeit der letzteren Angabe in Zweifel zu ziehen,
scheint uns doch in den Schlußfolgerungen eine Verwechselung von
Ursache und Wirkung vorzulegen. Es können sich Spaltpilze doch
nur dort entwickeln, wo sie einen an geeigneten organischen Stoffen
reichen Nährboden finden, und wie ein normal gebrannter Ziegel—
tein einen solchen liefern soll, ist durchaus uünerfindlich. Ist
edoch der Stein zuvor durch atmosphärische Einflüsse verwittert
uind dadurch mürbe und porös geworden, so wird er auch leicht
bon (z. Thl. organischeu) Staub durchdrungen, der sich in ihm
jestsetzt, und tritt nun noch Feuchtigkeit hinzu, so sind die Bedin—
zJüngen für die Entwickelung der Bakterien gegeben, die dann
zurch ihre Lebensthätigkeit allerdings den Gang der Zerstörung
eschleunigen können. Man ist sogar schon soweit gegangen, eine
Desinfektion der Steine vorzuschlagen; unseres Erachtens wird
ziese mindestens ebenso zwecklos und überflüssig sein, wie die
zleichfalls befürwortete Desinfektion der Münzen, auf denen man
in jüngster Zeit auch Bakterien aufgefunden hat. Man übersiehl
sierbei vollkommen, daß die Spaltpilze bei der überaus wichtigen
RKolle, welche sie als Vermittler des Kreislaufes des Stoffes in
er organischen und organisirten Welt spielen, in der Natur un—
jemein verbreitet sind, und daß es schwer halten würde, auf einem
Hegenstande, welcher nur wenige Augenblicke der Luft ausgesetzt
jewesen ist, mittelst des Mikrostopes Spaltpilze nicht zu finden,
ind ferner, daß bei weitem die große Mehrzahl dieser Pilze als
anitär durchaus unschädlich betrachtet werden muß. Wahrscheinlich
jandelt es sich im vorliegenden Falle um Bacterium termo Cohn,
sem allverbreiteten Fäulnißpilz par excellence, der auf allen
Rahrnngsmitteln vorkommt und von dem Meenschen täglich in
zroßer Anzahl genossen wird. Sehr einseitig werden die Spalt—
zilze noch häufig ohne Ausnahme als Feinde der Menschen auf—
zefaßt, während die Existenz der letzteren ohne diese Organismen
etzt kaum noch denkbar ist. Blasenonn
Ausbildung der Silhouette bei Gebäudegruppen, die harmonische
Stimmung der drei Hauptdimensionen eines Inneunraumes, die
Farbenwahl zur Dekorsirung unserer Wohnräume, das Größenmaß
des pflanzlichen und figürlichen Ornaments an den gewerblichen
Zunstobjekten (von den Möbelin an bis zu den kleinsten Nippsachen)
vorzuführen uud das Werthvollste dieser Abhandlung ist es, daß
Htärtens es versteht, wissenschaftlich genau festzustellen, was es
jeißt, Außen- und Innenagrchitektur „mit dem menschlichen Maß
tabe“ zu messen, weil sich von nun an neben der harmonischen
Stimmung des Innenraums auch die charakteristische Formung
zesselben zur Geltung bringt. Am Schlusse seines überall an—
regenden Werkes unternimmt es der Verfasser, von dem ganz neu
sewonnenen Gesichtspunkte der optischen Messung aus, drei be—
ühmte Riesenbauien, den Kölner Dom, die Peterskirche zu Rom
ind das Siegesdenkmal auf dem Königsplatze zu Berlin einer
isthetischen Kritik zu unterwerfen, nud zwar speiell zu dem Zwecke,
dem Künstler eine umfassende Anleitung zur Selbstkritik während
des Schaffens seiner eigenen Werke zu geben.
Die zweite Auflage des Märtens schen Werkes hat vor der
ersten Auflage den großen Vorzug, daß in letzterer Alles sehr viel
ystematischer geordnet, überall erweitert, leichtfaßlicher besprochen
ind, was besonders wichtig, durch Beispiele aus allen Kunst—
deridden (selbst auch den antiken und mittelalterlichen) belegt
vorden ist.
Bautechnische Notizen.
Stiftung für die Lösung der sozialen Frage. Ein
Menschenfreund in Edinburgh, dessen Name nicht genannt wird, hat
ür den angegebenen Zweck die Summe von 1000 Pfd. St. gewidmet,
ind berichtet ein englisches Blatt folgendermaßen über die Art der
Durchführung dieses Problems: Es werden Vorbereitungen zu einer
donferenz von Handwerkern, Kapitalisten und sonstigen für das Studium
ozialer Probleme eingenommener Personen getroffen, welche im Januar
raͤchsten Jahres in London abgeholten werden und sich mit der Frage
»ꝛer Vertheilung der Güter zwischen den arbeitenden und kapitalistischen
alassen befassen sollen. Die erwähnte Stiftungssumme wurde dem Par—
amentsmitgliede Burt zur Verwahrung übergeben, welcher dieselbe im
Vereine mit einigen anderen Herren verwaltet. Durch Unterstützung
eitens der statistischen Gesellschaft wurde ein starkes Komité gebildet
ehufs Förderung dieses Zweckes und werden Änstrengungen gemacht
ini Informationen zu sammeln, welche in der Form einer Statisti
Aufklärungen geben soll über die gegenwärtige Lage bezüglich der Be—
tändigkeit der Beschäftigung, Beschaffung der Lebensbedürtnisse, Sani—
ätswesen und andere das gewerbliche Leben besreffende Gegenstände.
Die Konferenz soll durch Beleuchtung der verschiedenen Fragen von jedem
einzelnen Standpunkte Klarheit darüber bringen, wie weit die herrschenden
debelstände durch staatliche Vermittelung oder anderweitige Aktion be—
soben werden können Auch, die Anhänger des Bauernthums in der
dandwirthschaft und der Nationalisirnug des Ackerbaues werden Gelegen—
zeit haben, ihre Prinzipien darzulegen. Es steht Jedermann frei, sich
in dieser Konferenz zu betheiligen, oder auf den Gegenstand Bezug
—
diesbezüglich an Rev. W. Cunningham in Cambridge wenden, der als
Sekretär des Komités funairt.
Literaturbericht.
Unter dem Titel: „Der optische Masstab“ oder
Die Theorie und Praxis des ästhetischen Sehens
in den bildenden Künsten“ ist soeben die zweite Auflage
eines von H. Märtens, königl. Baurath zu Bonn, verfaßten und
»on E. Wasmuth's Architektur-Buchhandlung in Berlin verlegten.
in gewisser Hinsicht epochemachenden Werkes erschienen.
Die von Heimscholtz schon 1876 in seinen Vorträgen über
Malerei prophetisch ausgesprochenen Worte, daß beim Genießen
zines Kunstwerks die sinnliche Deutlichkeit eine immer größere Be—
deutung gewinnen werde, haben eine volle Bestätigung in dem uns
porliegenden Werke gefunden. Dasselbe ist nicht allein für Archi—
ekten und Bildhauer, sondern auch für die Meister der gewerb—
lichen Kunst geschrieben. Der Autor belehrt uns zunächst auf
Brund der physiologischen Optik, daß das menschliche Auge die
Eigenschaften eines genauen Winkelinstruments habe. Dann be—
zinnt er damit, nachdem er jedem einzelnen Kunstwerke eine nor—
nale Augendistanz zugesprochen hat, von letzterer aus durch Augen—
vinkelmessungen die Minimumgröße der kleinsten architektonischen
Blieder und weiterer Verzierungen festzustellen. Ueber diese prak—
isch hochwichtige, aber immerhin elementare Behandlung hinaus
zewinnt jedoch das Werk sehr bald allgemeinere ästhetische Stand—
zunkte, es versteht mit seinen ganz neuen Doktrinen eine große
Reihe von allgemeinen Fragen zu lösen, welche bisher nur allein
durch das dunkle, daher leider sehr schwankende Gefühl des ein—
zelnen Künstlers gelöst wurden.
An Stelle dieser Gefühle treten dem Leser durch die wissen—
cchaftlichen Deduktionen des Verfassers bestimmte optische Gesetze
ntgegen.
Sehr viele bisher vereinzelt dastehende Ersfahrungen der Kunst—
ibung treten dadurch unter sich in inueren Zusammenhang. Wir
führen hier nur Folgendes an: Der Autor behandelt in obigem Zu—
sammenhange die Formate von Bilderrahmen, die Dimensionen
»er Bildergalerien, die Abmessungen der Zuschauerräume in
Theatern, die Auswahl der Plätze zu Bildsäulen, die Regulirung
der Straßen vor monumentalen Gebäuden, die Maße der Figuren—
jöhe zu Bildsäulen, sowohl an Facçaden als auch auf öffentlichen
Plätzen. die Wahl der Sackeldimensionen zu den Bildfsäulen, di—
Die Frage nach Schutzmitteln gegen die Verbreitung
von Schall durch Decken und Wände ist Gegenstand eingehender
Berathungen im Verein für Bauk. in Stuttgart gewesen. Der Verein
atte aus Anlaß einer betr. Anfrage eine besondere Kommission für das
Studium dieser Frage eingesetzt und die Kommission hat einen schriftlichen
Zericht erstattet, welcher in Heft 2 pro 1884 der Sitzungs-Protokolle des
Ztutigarter Vereins zum Abdruck gebracht ist. Was die Dämpfung des
Schalles bei Zwischendecken anbetrifft, so kommt der Bericht zu der
—„chlußfolgerung, daß diese am besten durch eine Konstruktion erzielt
verde, bei der die Zwischendecke nicht einen eintheiligen Körper bildet,
». h. also im wesentlichen durch Aufheben der direkten Verbind ung
wischen Fußboden und Balken. Es ist dazu nöthig, daß besondere
agerhölzer zur Anwendung kommer, welche statt in eine Auffüllung der
Decken-Gefache gelegt werden; die Auffüllung ruht auf einem Zwischen—
Bretterboden, dessen Fugen, um das Durchfallen des Füllmaterials zu
erhindern, mit Pappe überlegt werden; 10 cm Höhe der Aufhöhung
verden als Minimum bezeichnet. Nach der Unterseite hin wird äauf die
Zchallbretter ebenfalls eine leichte Auffüllung gebracht. Hinsichtlich der
Mittel zur Schalldämpfung bei Wänden häben die Verhaäͤndlungen nur
ehr unbestimmte Resultate gezeitigt; es wurden Bekleidungen mit Jute—
zeweben, mit Leder ꝛc. gedichtete Thüren, Doppelwände mit Hohlraum
c. empfohlen. Im Ganzen aber war man wenig sicher über den Erfolg
einzelner Mittel, weil eine nähere Einsicht in die Art der Fortleitung
des Schalles und in die spezifische Leistungsfähigkeit, welche einzelne
Materialien und Konstruktionsweisen dabei spielen, zur Zeit noch fehlt.
Hier liegt noch ein sehr anbauwürdiges Feld für spezielle Beobachtungen
uͤnd Ermittelungen brach. D. Bau-Ztg.)
wedaktion: H. Di⸗esener in Berlin. — Verlag von Julius Engelmann in Berlin. — Druck von H. S Hermann in Berlin
1116fer Berantwortlichkeit des Verlegers