Sin Streifblick auf die Zunftbestrebungen. — Die Grundrißgestaltung der Schulgebäude.
XI
Ein Streifblick auf die Zunftbestrebungen.
So oft man auch einen Gewerbetreibenden nach dem Ge—
schäftsgang fragen mag, fast ebenso oft wird man hören müssen,
)aß das Geschäft gerade jetzt nicht gut gehe, und daß dies in den
und jenen Verhältnissen seinen Grund habe!
Dieser Grund aber wird immer sehr weit abseits, nie in
nächster Nähe gesucht werden! Wie Viele wollen nicht die bis—
serige gewerbliche Gesetzgebung dafür verantwortlich machen, daß
die Gewerbethätigkeit nicht mehr stille steht, daß sie stetig vorwärts—
schreitet, daß der Handwerker durch kein Monopol mehr vor der
Konkurrenz — vor der Konkurrenz der Fabriken — geschützt ist,
wie ehedem in der paradiesischen Zunftzeit! — Die Behauptungen
von der guten alten Zeit, dem goldenen Boden und dem verloren—
zegangenen Paradies, welche das Handwerk einst erlebt haben soll,
in Wirklichkeit aber wohl nie erlebt hat, sind eitel Wind; denn
vergleicht man die alten Zunftakten verschiedener deutscher Städte,
die durch ihre Handwerksthätigkeit berühmt waren, so findet sich
»on dem Glück und der Zufriedenheit, die man in unserer Zeit
enen alten Zünften anzudichten beliebt, auch nicht die leiseste
Spur, — wohl aber fortlaufend Prozesse und Klagen der Zünfte,
die beim Magistrat und sogar beim Kaiser neue Privilegien für
das hungernde und nothleidende Handwerk erringen wollten. —
Wir werden durch diese Akten belehrt, daß Zustände sank—
iionirt waren, in welchen alle Fachgenossen strengstens darüber
wachten, daß Keiner einen Bissen mehr erhielt als der Andere,
ind daß diese gute alte Zunftzeit nichts war, als eine Zeit der
Anechtschaft; denn der Magistrat knechtete das Handwerk in Person
»es Obermeisters, dieser alle übrigen Meister und diese wiederum
die Gesellen und Lehrlinge, welchen nur der eine Trost verblieb,
daß sie einst — wenn sie jemals Meister würden — es ebenso
oder noch schlimmer würden machen können. — Neid und Haß,
Mißgunst und jene Beschränktheit, die jeder Neuerung, jedem
38 feind ist, fanden ihren geeigneten Boden in der
Zunft. —
zelungen wäre, sie wiederzufinden? — Zugegeben, daß die Lehr—
inge und Gesellen der Zunftzeit besser geschult waren und die
HYeeister mehr Keuntnisse aufwiesen, als die der Jetzzeit (was immer
noch zu beweisen wäre), könnte man ernstlich ähnliche Einrichtungen
zurückwünschen, nach welchen die Grenzen des einzelnen Handwerks
so enge gezogen waren, daß kein Meister es wagen durfte, sich
über diese Grenzen hinauszubegeben, ohne der schrecklichen Fuchtel
des Gesetzes zu verfallen, die ihn wieder in die unerbittliche Zuuft—
»)rdnung hineinzwängte, etwaige rückfällige Uebertreter aber als
Rebellen oder Schinder gestäupft und mit Weib und Kind aus der
Stadt vertreiben konnte!? —
Die Angehörigen der meisten Gewerbe mußten schon beim
Fintritt in die Lehre, dann als Geselle und beim Meister- Werden
zum Handwerk schwören, d. h. sie mußten einen fürchterlichen Eid
darauf ablegen, daß sie die im Handwerk geübten Techniken und
etwaige Geschäfts-Vortheile ohne jegliche Ausnahme bei ihrer
Seele Seligkeit an Niemand, selbst nicht an die leiblichen Eltern
und Geschwister, verriethen.
Uebertretungen dieser Zunftsatzungen wurden von den Zänften
in ebenso schrecklicher als raffinirter Weise geahndet. —
Daß an manchen Orten einzelne Zunftmeister es durch ihre
Vettern zu einigem Vermögen und größerem Wohlstand brachten,
indem sie es beim Magistrat durchsetzten, daß keine weiteren Kon—
urrenten zugelassen wurden, muß allerdings anerkannt, dagegen
aber auch hervorgehoben werden, daß das Handwerk im Allgemeinen
ein fortgesetztes Nothgeschrei nach neuen Privilegien anstellte!
Welch' glänzende Traditionen der guten alten Zunftzeit!? —
Wollte man also heute Innungen mit ähnlichen Rechten
wieder in's Leben rufen, so würde der etwaige Vortheil ebenfalls
vieder nur Einzelnen zu Gute kommen und das könnte nur durch
Benachtheiligung Anderer und des Ganzen erkauft werden, was
iber den einfachen Grundsätzen der Gerechtigkeit ebenso wider—
präche, wie überhaupt jede Beschränkung, die das Individuum an
der freien Entwickelung seiner Kräfte hindert.
Und was endlich die Meisterprüfungen anlangt, so gewähren
diese, auch wenn sie den heutigen gewerblichen Verhältnissen mög—
ichst angepaßt würden, weder einen hinlänglichen Antrieb zu
veiterer allseitiger Ausbildung in einem Gewerbe, noch eine Bürg—
chaft dafür, daß dieselbe erreicht und der Betreffende sich in dem
Besitz derjenigen persönlichen Geistes- und Charaktereigenschaften
»efindet, die ihn befähigen, einer größeren Bauunternehmung selbst-
tändig vorzustehen. — Der Kampf um das Dasein zwingt schon
an sich das Individuum dazu, das Gewerbe, das es betreiben
vill, möglichst allseitig zu erfassen, und daß es in der That an
üchtigen Kräften nicht fehlt, zeigen am besten die Leistungen
der Gegenwart. — Jede Prüfung kann doch nur feststellen,
vas einer einmal geleistet hat, nicht aber, was er im Allgemeinen
zu leisten pflegt; die beste Prüfung für einen Mann bleibt jeden—
falls immer das Leben selbst; was also Einer leisten kaun, wird
— viel besser als aus jeder Prüfuna — aus dem allgemeinen
Urtheil hervorgehen! —
Unsere Herren Kunstkritiker, die von ihrem hohen Stand—
»unkte herab so oft auf das gegenwärtige Haudwerk schimpfen, so
iel von den verloren gegangenen Techniken und Kunstfertigkeiten
reden, könnten doch auch endlich einmal anfaungen, die vielen neuen
Techniken und Gewerbe zu zählen, die zu einem einzigen alten
dandwerk hinzugekommen sind, und vergleichen, was und wie viel
gegen früher produzirt wird. — Sie könnten uns auch einmal
Auskunft geben, war um das Gewerbe in England
das seit Alters her Gewerbefreiheit besitzt)
und in Amerika so bedeutende Leistunagen auf—
zuweisen hat. —
Wenn auch kein Zünftler die Zustände der alten Innungen
m Ernst wieder herbeiwünschen dürfte, ein tüchtiges Stück rückwärts
möchten diese Herren aber trotz alledem gehen; es ist ja auch so
leicht und bequem, sich gegen das Gute mit Gewalt zu verschließen
und das Bestehende herabzusetzen!
Anm. d. Red. Den vorstehenden Artikel, welcher uns aus
unserem Leserkreise eingesandt ist, empfehlen wir aus vollem Herzen
de Anfmoörfkfsomfkeit unferer Leser
Klingt es nicht wie ein Hohn gegen das einfachste Rechts—
gefühl, wenn man lesen muß, wie intelligenten, ganz ausnehmend
zjeschickten Arbeitern das Meisterrecht und das Heirathen verweigert
purden, wie man deren uneheliche Kinder vom Handwerk ausstieß,
sie dem Elend und womöglich noch durch falsche Denunziation
»eim Magistrat der Schande preisgab, und das Alles nur aus
Furcht, daß diese einst zu Ansehen und Macht kommen könnten,
daß dieser oder jener Fachgenosse Konfurrenz durch diese Leute
zrleiden könne!? —
Die einzelnen Handwerkszweige bildeten streng von einander
zeschiedene Kasten, welche sich im weiteren Verlauf auch durch die
jußere Kleidung dokumentirten. Es war also kein freier Wille
der Handwerker, wenn z. B. die Klempner einen braunen Rock
»hne Tressen und die Bäcker und Müller hellgraue Kleidung
trugen, es war ihnen dies, ebenso wie der Schnitt der Haare,
dielmehr genau vorgeschrieben. —
Im Allgemeinen verbot die Kleiderordnung den Hand—
werkern, buntfarbige Kleider oder solche von Sammet und Seide
u tragen.
Dies mag wohl anch noch der Grund gewesen sein, daß sich
die Frauen der Handwerker so bescheiden in der Kleidung hielten,
eine Bescheidenheit, die ihnen in unsrer Zeit immer sehr hoch an—
gerechnet zu werden pflegt, die ihnen aber sicherlich sehr schwer
gefallen sein wird.
Hatte aber diese wohlwollende Gesetzes-Vorschrift nicht den
zroßen Vortheil, daß man sofort auf den ersten Blick sah, wen
nan vor sich hatte? und mußte es schließlich nicht noch der
dandwerker für ein Glück schätzen, daß man ihm nicht das
Gewerkzeichen auf Wange oder Stirn brannte?
Es wäre doch jedenfalls für die damaligen „besseren“ Klassen
ehr vergnüglich gewesen, wenn sie das Handwerk an solchen
Zeichen auch ohne Paß und Wanderbuch erkannt hätten.
Ganz besonderer Vorrechte erfreuten sich auch die zünftigen
dandwerker in den offenen, nicht befestigten Plätzen; denn sie
jurften auf Treibjagden helfen!
Wenn sie dabei zu spät kamen oder sonst ihre Schuldigkeit
nicht thaten, so wurden sie von den Leibjägern durchgepeitscht oder
mit Hunden gehetzt!? —
Ob sich wohl unsere Vorfahren, die Handwerker voriger
Jahrhunderte, über derartige schöne Vorrechte besonders gefreut
saben mögen? ..
Haben aber in dieser liebenswürdigen alten Zunftzeit die
Lehrlinge und Gesellen nicht viel mehr gelernt und die Meister
nicht mehr gekonnt, und sind sie pekuniaͤr nicht weit besser gestellt
zewesen, als heute? — und sind nicht so manche Techniken der
zlücklichen Zünftler verloren gegangen, ohne daß es uns bisher
Die Grundrißgestaltung der Schulgebäude.
Illustrirt.)
Wie alle Arten von öffentlichen Gebäuden, die im Laufe der
letzten 20 Jahre errichtet worden sind, gegenüber den Ausführungen
rüherer Zeit ganz wesentliche Veränderungen und Verbesserungen
owohl in Bezug auf Grundrißgestaltung wie Ausstattung des
Innern und Aeußern erfahren haben, so sind auch spegziell die
Fehäude, welche zu Unterrichtszwecken irgend welcher Art bestimmt