Berichte aus versch. Städten.
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Wir finden denn auch bei allen alten Cultur-Völkern: bei
den Egyptern, Persern, Indiern, bei den Griechen und Römern
den gebrannten Thon eben so wohl in der Baukunst und in der
zildenden Kunst, als zu Gebrauchs- und Luxus-Gefäßen verwendet,
aber erst die Zeit der Renaissance in Italien hat gezeigt, welch'
hohe Bedeutung der unscheinbare Stoff für die Baukunst hat; und
mit Recht wurde daher für dies Produkt der Name Terra-Cotta
acceptirt. Die Verwendung der Terra-Cotta als Baumaterial
cand im Mittelalter auch in England, Frankreich und Deutschland
tatt; hier namentlich in den stein- und thonreichen Gegenden des
Tieflandes, sowohl bei Privathaus- als bei Kirchen-Bauten und
üjffentlichen Gebäuden, und bildete sie sich sowohl in technischer
als künstlerischer Beziehung zu großer Vervollkommnung aus.
Der hohen Kunstentwickelung im Mittelalter folgte die Zeit
des Verfalls und wie in manchen anderen Gebieten des Kunst—
zewerbes ging auch von der Terra⸗-Cotta selbst die Kenntniß des
echnischen Verfahrens ganz verloren. Die Wissenschaft war aber
nicht ausgestorben, sie hatte sich nur einem anderen als dem künst—
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als vor etwa einem Vierteljahrhundert sich der künstlerische Sinn
wieder allgemeiner zu regen begann, da standen der Technik die
Errungenschaften einer wissenschaftlichen Periode zu Gebote, welche
»s ermöglicht haben, daß in Italien, Frankreich, Deutschland und
England solche Fortschritte in der Fabrikation gemacht wurden,
daß die alten Vorbilder nicht allein erreicht, sondern vielfach sogar
übertroffen worden sind, wenigstens in der technischen Qualität
der Waaren. Auch in dem jungen Kulturstaat der Vereinigten
Staaten von Nordamerika sind seit etwa 15 Jahren große An—
crengungen gemacht worden, um das ausgezeichnete Thon-Material,
das hier in Menge vorhanden ist, für die Terra-Cotta-Fabrikation
zu verwerthen. 'In New-Nork, Chicago, Ill., Boston, Mass.,
Philadelphia, Chelsea, Mass., ꝛc. ꝛc. sind Fabriken gegründet
vorden und es ist den sachverständigen Leitern dieser Anlagen
iach vielen Anstrengungen und mancher Enttäuschung endlich ge—
ungen, die Einsicht von der außerordentlichen Verwendbarkeit
ind Güte ihrer Fabrikate in immer weiteren Kreisen zur Geltung
u bringen.
Die Terra⸗-Cotta besteht in der Hauptsache aus Thon, ge—
mischt mit Quarzsand oder „Grit“, d. i. gebranntem und ge—
mahlenem Thon, nebst einigen anderen Zusätzen, welche bezwecken,
dem Material die gewünschte Farbe zu geben, sie zu einem leichten
Grad von Sinterung vorzubereiten und sie möglichst hart zu
machen. Der Prozeß ist im Prinzip der gleiche wie bei der ge—
wöhnlichen Backstein- uund Töpferwaare, den man als bekannt
woraussetzen darj, und unterscheidet sich hauptsächlich nur duxch
strengere Auswahl des Rohmaäterials und eine in allen Theilen
sorgfältigere Behandlung der einzelnen Manipulationen, alles zu
dem Zweck, eine Waare zu erhalten, welche eine gleichmäßige
Struktuͤr hat, nicht reißt, sich nicht wirft oder verbiegt und den
größtmöglichen Grad von Härte zeigt.
Der Thon findet sich theils als oberste Schichte der Erd—
rinde, theils eingelagert zwischen anderen Gebirgsarten und spielt,
namentlich da, wo er in „fetter“, d. h. wenig mit Sand und
Steinen gemischter Konsistenz vorkommt, eine sehr wichtige Rolle
im Wasserversorgungs-Wesen der Erde, da er wasserundurchlässige
Schichten und so gleichsam die Verdämmung der unterirdischen
Wasser-Reservoire bildet, von denen aus die Quellen zu Tage
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Versorgungen durch Drainagen und artesische Brunnen. Der
Thon komint, wie die meisten übrigen Mineralien, sehr selten in
hemisch reiner Gestalt als kieselsaure Thonerde vor, sondern zeigt
sich meistens vermischt mit Sand, Kalk, Eisen und einigen andern
Mineralien in geringeren Prozentsätzen. Der stark mit Sand ge—
nengte Thon heißt magerer Thon; Eisen und Mangan geben dem
Thon eine rothe Farbe; der Kalk findet sich als kohlensaurer
Zalt in Form von Kalksteinen, als Schalen von fossilen Schnecken
i. s. w., oder in fein zertheiltem Zustande und bildet eines der
daupthindernisse bei Herstellung einer guten Terra-Cotta-Waare,
a sich die Kalktheilchen beim Brennen in Aetzkali verwandeln,
vobei ein Treiben eintritt, das zu Springen, Bersten und gänz—
ichem Zerfall der Waare Veranlassung geben kann; außerdem
bilden die feinen Kalktheilchen einen weißen Ueberzug oder Anflug
uuf der Oberfläche der Waare und geben derselben ein schlechtes
Aussehen. Es ist daher vor Allem noͤthig, die Lagernng der ver—
chiedenen Thonschichten zu studiren und deren Verhalten durch
hemische Analyse und Brenn-Proben kennen zu lernen, um dar—
nach den Fabrikations-Prozeß in rationeller Weise einzurichten.
Der Thon kann fast in allen natürlich vorkommenden Mischungen
zur Fabrikation verwendet werden, da man es in der Hand hat,
zurch Mischung der Sorten aus den verschiedenen Lagern, sowie
durch geeignete Zusätze, die gewünschte und für die weitere Be—
arbeitung geeignete Masse herzustellen. — Die Fabrikationsweise
nuß sich serner moderiren nach der Konsistenz der Thonlager,
velche Uebergänge zeigen von reinem Schlamm bis zu erdiger
ind felsenharter Beschaffenheit.
Schluß folgt.)
Berichte aus verschiedenen Städten.
Berlin. Zur nächsten Baukampagne. Es ist unlängst
n diesen Blättern darauf hingewiesen, daß die abermalige Hinaus—
chiebung der neuen Berliner Bauordnung wahrscheinlich nochmals
een Eifer steigern würde, unter den jetzt geltenden Bestimmungen
nletzter Stunde die Bauten auszuführen, welche später nicht mehr
lestattet seien. Diese Voraussetzung scheint sich vollauf zu be—
tätigen. Es wird bei der weichen Witterung eigentlich den ganzen
Vinter hindurch gebaut, und, obwohl die vorhandenen Wohnungen
soch immer weit über das Bedürfniß hinaus reichen, so verspricht
iach allen Vorbereitungen, namentlich den überaus zahlreichen
Zaugesuchen, das neue Baujahr für die Neichshauptstadt ein so
imfangreiches werden zu wollen, daß selbst das vorige dahinter
urücktritt. Zu den ununterbrochenen, selbst bei elektrischem Licht
ortgesetzten Privatbauten gesellt sich eine Reihe öffentlicher Unter—
jehmungen, welche theils begonnen, theils weitergesührt werden
ollen. Wir nennen den Reichstagspalast, die große Markthalle
im Alexanderplatz, die Hauptfeuerwache am Hafenplatz, das neue
ymnasium im Rorden Berlins, zahlreiche neue Gemeindeschulen,
en großen Packhof, das Landgericht II. das naturhistorische Ju—
titut in der Invalidenstraße, das ethnographische Museum in der
Zöniggrätzerstraße, die Kaserne in Tempelhof. In Aussicht stehen
erner der Bau der Kirche zum heiligen Kreuz, die Berliner
Morgue, die projektirte Waarenbörse und vielleicht auch das neue
Abgeördnetenhaus, sowie die der Stadtverordneten-Versammlung
»oriiegenden vier bis fünf Markthallen. Befriedigend erscheint,
saß bei diesen umfassenden Bauaussichten, welche durch die un—
jemeine Flüfsigkeit des Kapitals wesentlich unterstützt werden, die
Zauten selbst an Solidität nicht verlieren, vielmehr die Anwendung
son solidem Material sichtlich Fortschritte macht. Sandstein,
Branit und Kunstziegel treten bei den besseren Gebäuden immer
nehr an die Stelle des früheren Mörtelbewurfs und auch im In—
lern der Gebäude strebt man sichtlich nach einem soliden, technisch
vie künstlerisch vervollkommneten Ausbau. — Andererseits mag
»s mit dieser Baulust zusammenhängen, daß gleichzeitig auch die
Baugewerksarbeiter wieder den Zeitpunkt gekommen glauben, um
ür ihre Interessen zu sorgen. Wie uns von verschiedenen Seiten
erichtet wird, stehen zum Frühjahr neue Bewegungen in Aussicht,
velche auf das alte Ziel erhöhter Lohnpreise und verminderter
Arbeitsstunden hinauslaufen. Namentlich dürften die Tischler, deren
Irganisation eine sehr entwickelte sein soll, mit einer allgemeinen
Berliner Strike vorzugehen, entschlossen sein. An Nachfolgern
vird es dann kaum fehlen.
Berlin. Das Holzpflaster in der Straße am Opernhause
sat bekanntlich durch den Holzschwamm so gelitten, daß dessen
ẽrsetzung durch neues Pflafter dringend erforderlich ist. Die
tädtische Baudeputation hat beschlossen, jetzt die Straße mit
Asphaltpflaster belegen zu lassen.
Berlin. Der Flächeninhalt Berlins beträgt rund
3200 ha oder 24300 Morgen oder etwas über eine Quadratmeile:
avon sind 700 Morgen Wasser. Auf einen Einwohner entfallen
33,66 qm oder, wenn man die namentlich noch im Osten und
Norden liegenden, als Ackerland benutzten Flächen außer Betracht
äßt, 35 quu. In einzelnen Stadtbezirken (wie, 112,166) geht es
serunter bis auf nur etwas über 8 qm, so daß hier auf die Person
iur ungefähr dreimal soviel Raum konmt, als zu ihrer Beerdi—
jung nothwendig sein würde.
Erfurt. Zu den Prachtbauten, welche für den Postdienst
m Laufe des leßten Jahrzehnts an verschiedenen bedeutenden
Orten des Deutschen Reiches unter dem Regime des General—
ßostmeisters Stephan entstanden sind, wird in kurzer Zeit auch
zas neue Ober-Postdirektions- und Haupt-Postamtsgebäude zu
Erfurt gehören. Ist dieser Bau auch Dank der Sparsamkeit des
Reichstages, welcher bekanntlich dem General-Postmeister in seinen
roßartigen Bauplänen nicht mehr so recht fol gen will, nicht gauz
o luxuriös und splendid ausgefallen, wie ähnliche, einige Jahre
rüher errichtete Gebäude, z. B, in Hannover und Braunschweig,
o ist derselbe doch immer noch höchst imposant und prächtig zu
sennen und wird der Stadt Erfurt, welche außer dem Dom und
jem Rathhause nicht gerade allzuviel monumentale Bauten besitzt,
u hoher Zierde gereichen. Das neue Gebäude erhebt sich an der
zcke der Echlosserftraße und des Angers und ist im rein gothischen
Ztil aus solidem, modernen Material, mit gelbröthlichen Ver—