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Das riernursystem und die Ausdehnung der Berliner Kanalisation.
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eine solche Versteifung des Siebes eintritt, als wenn selbes nur
ein Stück Metallplatie wäre. Auf dieses Metallsieb, welches eine
große Porosität besitzt, werden mit Hilfe der Sedinentirung aus
uftfreiem Wasser die mikrolithischen Stäbchen des Asbestes auf—
hoden der Städtereintgung kritisch beleuchtet und zu dem Rejultat
'ommt, daß unter allen das Liernursystem das konsequentest durch⸗
achte ist und die befriedigendste Lösung der üheraus schweren
Aufgabe verheißt. Der Veriasser ist der Projessor der —XWo
in der Universität zu Utrecht, lär. van Oberbeek de Meher,
ine hervorragende Persönlichkeit, welche die Städtereinigung seit
Jahren zum Gegenstand der eingehendsten Studien gemacht hat
ind von den heißblütigsten Vertretern der englischen Schwemm—
aualisation als ein geirialer Mann öffentlich anerkannt worden
st. — Zur, Sache zitiren wir ferner aus Nr. 96 S. 1578 der,
n den weitesten Kreisen verbreiteten „Chemiker-Zeitung“, Jahr—
zjang 1883, folgende Mittheilung über das Liernursystem in Amster—
»am: „Ziemlich zu gleicher Zeit, als in Berlin seine Pläue von
naßgebenden Sachverständigen für physikalisch falsch und praktisch
indurchführbar erklärt worden waren, war endlich Liernur so
lücklich, in Amsterdam festen Fuß zu fassen und ad ocalos zu
emonstriren, was er wollte und konute. Freilich fehlte es auch
vort nicht an einflußreichen Widersachern, denen ein Fiasko am
dherzen lag; aber je weiter die praktische Verwirklichung vorschritt,
im so mehr wuchs das öffentliche Vertrauen zu Liernur, und ob—
leich auch jetzt noch nicht eine perfekte Anlage des Liernur'schen
Differenzirsystems vorliegt, so ist es doch nur eine Frage der Zeit,
aß. Amsterdam seine Reinhaltung durchaus nach dem Liernur⸗
zystem ordnen wird, mit Beiseiteschiebung aller vorgelegt ge—
vesenen Projekte der Schwemmkanalisation. Inzwischen reichen
die vorhandenen Anlagen — für nahezu 500100 Menschen — schon
ius, Denjenigen das Liernursystem zu verdeutlichen, deren technische
Korbildung nicht genügt, um nach Plänen und Erläuterungs—
»erichten eine klare Vorfsellung zu gewinnen. Die 1879 beschlossene
zentralstation zur Bedienung sämmtlicher pneumatischer Anlagen
u Amsterdam wird voraussichtlich im nächsten Frühjahre dem
Betriebe übergeben werden, und haben die dortigen Stadtverord—
neten am 26. Oktober a. c. gemäß der Magistratsvorlage 6300 il.
116000 Mek.) bewilligt, um ein Häuserquartier mit inter—
nistischer Liernur-Einrichtung an das Zentralrohrnetz anzuschließen
ind um den derzeitigen kostspieligen Betrieb durch Hand- und
Pferdearbeit in Zutunft durch den billigen Maschinenbetrieb zu
ersetzen“. (Vgl. Amsterdamer Gemeenteblad Afd.? 1883 S. 844).
Inzwischen liegen die Dinge in Berlin zur Zeit also:
Trotz des Kanalisations- und Berieselungsdefizits von mehr
als einer Million Mark über die Ausgabenansätze des Ordiuariums
ro 18832/83 und trotz der Aussichten auf ein noch größeres Defizit
ür das Wirthschaftsjahr 1883,84 steht, wenn nicht alle Zeichen
rügen, bald eine Magistratsvorlage wegen weiterer Ausdehnung
der Schwemmkanalisation zu erwaärten, nänilich für den über
30000 Einwohner umfassenden Stadttheil Moabit. Es wiegen
ich die tonangebenden Kreise in der Hoffnung, daß Berlin fortan
yvon allen Berieselungsverlegenheiten befreit und gleichzeitig ein,
nisher nahezu brach liegendes Terrain mit dem Berliner embarras
les richesses an Dungstoff fruchtbar gemacht werden könne.
Es handelt sich nämlich um das großartige Projekt, die auf
10000 Morgen geschätzte Nutheniederung zwischen Großbeeren,
Trebbin und Potsdam zu entwässern, in Kultur zu bringen und
zur Aufnahme der Abfallstoffe von zwei Millionen Menschen ge—
chickt zu machen! Im Einzelnen ist das Projekt noch nicht bekannt
seworden, sondern nur nach einer, allerdings sehr farbenreichen
Skizze, welche Herr Rittergutsbesitzer Neuhauß-Selchow dem Tel—⸗
cower landwirthschaftlichen Verein in dessen Dezembersitzung vor—
gelegt hat.
In der darüber nachfolgenden Besprechung wurde von allen
Rednern aus dem Vereine auf's Freudigste die Idee begrüßt, die
inter Friedrich dem Großen begonnene Meelioration jener Moor—
trecke in einer, der heutigen Agrikultur entsprechenden Weise fort—
usetzen und auszubauen, und wurde dabei auf die überraschenden
kErfolge der bekannten und berühmten Rimpau'schen Moor-Damm—
'ulturen und auf die jetzt aller Orten theils geplanten, theils in
lusführung begriffenen ähnlichen Moorkulturen hingewiesen. Aber
benso einstimmig war man darin, daß für derartige Kulturen der
Stoff, woran die Spüljauche am reichsten ist und der zu gleicher
Zeit den werthvollsten Dungstoff auf humusarmen Lehm und
Sandboden bildet, nämlich der Stickstoff, so gut wie keinen Werth
jabe, sondern vorzugsweise die Mineralstoffe Kali, Phosphorsäure
ind Kalk, an denen die Spüljauche relativ arm ist, das befruch—
ende Element seien, abgesehen davon, daß man sich keine rechte
horstellung darüber machen konnte, wie mit Moor-Dammkultur
lüssige Düngung, d. h. Rieselung sich vereinigen lasse. — Der
inwesende Chefingenieur der Berliner Kanalisation, Herr Baurath
Ir. Hobrecht begnügte sich darauf zu erwiedern, daß man nur
rnstlich wollen müsse, dann würden alle Schwierigkeiten über—
vunden werden; er blieb aber den Nachweis schuldig, warum der
rnste Wille, an dem es in den leitenden Kreisen doch gewiß nicht
Fia. *
Fig. 1
zetragen. Mehrere solcher Lagen werden nun zu einem mikro—
ithischen Gewebe folgendermaßen verbunden: Nachdem die Sedi—
mentirung der Asbestmikrolithe aus dem Wasser auf die Draht—
zitter stattgefunden hat, wird dieselbe getrocknet, dann in ein Bad,
welches einen sehr geringen Prozentsatz Wasserglas enthält, einge—
taucht und abermals getrocknet. Durch das Eintauchen in Wasser—
glas werden die Zwischenräume zwischen den mikrolithischen Stäb—
hen mit einer dünnen Schicht von Wasserglaslösung ausgefüllt.
Durch das Trocknen zerreißen die dünnen Häutchen und wenn
nan diese Platte dann in ein Chlorkalziumbad taucht, so rollen
ich die Wasserglashäutchen zusammen und schießen in kleinen
Znöpfchen als kieselsaurer Kalk an, wodurch die Asbestfädchen un—
öslich in Wasser verbunden werden. Ein solches Meetallgewebe
nit Asbestlagen nennen wir ein Mikromembran-Element und je
wei solcher Elemente mit ihren Asbestschichten gegen einander ge—
ehrt und an den Rändern luft- und flüssigkeitsdicht verbunden —
»ein Mikromembran-System. Ein Mikromembransystem kann zum
Zzweck der Filtration (in der bergmännischen Sprache ausgedrückt,)
als liegende, streichende oder hängende Schicht verweundet werden,
). h. die zu filtrirende Flüssigkeit kann dieselbe vertikal, von oben
nach abwärts, oder von unten nach aufwärts oder von einer Seite
zur anderen durchfließen. Man kann daher nicht nur eine be—
liebige Anzahl solcher Wände vertikal aufgestellt zur Filtration
»erwenden, sondern die Filtration selbst geht in ganz anderer
Weise vor sich, als es sonst bei Filtern der Fall ist.
Der Umstand, daß der durch die Mikromembran erzielte
Filter die denkbar kürzesten Filterröhrchen oder Filter—
anäle besitzt und daß eine bestimmte Querschnittsfläche des zu
filtrirenden Wassers in die größte Anzahl von Wasserfäden
gespalten wird, giebt diesem Filter alle erforderlichen Eigenschaften,
zie größte Dichtigkeit und Durchlässigkeit gleichzeitig.
Schluß folgt.)
Das Liernursystem und die Ausdehnung der
Berliner Kanalisation.“ꝰ
Anläßlich der Mittheilungen in Nr. 1 der Wochenschrift
„Das Deutsche Grundeigenthum aus der Zentralkommission der
Hausbesitzer⸗Vereine, wönach der Berliner Magistrat um endliche
gründliche Prüfung des Liernursystems ersucht werden soll, bevor
man weitere Stadttheile der Schwemmkanalisation einverleibe,
erscheint es am Platze, auf eine, vor Kurzem in Paris bei Baillière
zt sils erschienene Schrift aufmerksam zu machen: „Les Systèmes
J'évacuation des eaux et immondices d'une villet, welche haupt—
ächlich vom hygienischen Standpunkt aus, aber zugleich nach tech—
nischen und finanziellen Gesichtspunkten. die haubtächlichsten Me—
) Um ieder Ansicht Gehör zu ageben, theilen wir diesen Artikel unserem
Leserkreise mit D RPaede