Zur Unfallversicherung der Arbeiter — Villa in Raumburg a. S. — Ueber den Hausschwamm.
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Zur Unfallversicherung der Arbeiter.
Der neue Entwurf eines Gesetzes über die Unfallversicherung
der Arbeiter geht in manchen Punkten über die früheren Vor—
schläge hinaus, in anderen bleibt er hinter ihnen zurück; jedenfalls
ist man bemüht gewesen, auf Grund der Diskussion im Parlament
und in der Presse die bessernde Hand anzulegen, und die Kritik,
die an dem früheren Entwurf geübt worden ist, wird damit nach—
träglich von der Regierung selbst gerechtfertigt.
In wie eindringlicher Weise hat man uns früher vom Re—
gierungstische aus die Nothwendigkeit einer Reichsversicherungs—
änstalt oder doch wenigstens eines Reichszuschusses zu den zu bil—
denden Kassen nahe zu legen versucht! Jetzt ist von der ersteren
gar nicht mehr die Rede, und auch die letztere hat man in der
Hauptsache fallen lassen. In den Motiven zu dem neuen Entwurf
erkennt die Regierung selbst an, daß in der ausschließlichen Ueber—
nahme der durch Betriebsunfälle herbeigeführten Schäden durch
die Arbeitgeber die Befriedigung einer gerechten Forderung zu
erblicken sei; sie räumt selbst ein, daß die Erfüllung dieser Pflicht
recht wohl von der Industrie geleistet werden könne, ohne daß
eine Ueberbürdung derselben für eine Reihe von Jahren zu be—
fürchten wäre. Es rechtfertigt sich also der früher als so unent—
behrlich angepriesene Reichszuschuß weder aus prinzipiellen noch
aus praktischen Gründen. Nur ein kleiner Rest der alten An—
schauung ist auch in dem neuen Entwurf noch zurückgeblieben.
Das Reich soll als Helfer in der Noth beispringen für den Fall
der Leistungsunfähigkeit einer der Berufsgenossenschaften, denen die
Versicherungspflicht obliegt. Bedenkt man, daß nach Ansicht der
Regierung selbst eine Ueberbürdung der Industrie, also auch die
Leistungsunfähigkeit einer Genossenschaft für absehbare Zeit kaum zu
besorgen ist, so ist dieser Bestimmung von etwaigen Nothzuschüssen
des Reiches eine erhebliche praktische Bedeutung nicht beizumessen.
Immerhin wird zu erwägen sein, ob man selbst für diese fern—
liegende Eventualität durchaus auf die Staatshülfe zurückgreifen
muß, oder ob nicht vielmehr in der Organisation der Genossen⸗
schaften selbst, etwa in ihrer gemeinsamen und wechselseitigen
Haftbarkeit, ein weniger bedenkliches Auskunftsmittel gefunden
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Gegenstand der eingehendsten Erörterung wird überhaupt
noch die Organisation der Genossenschaften sein müssen. Die un—
jenügende Aufklärung, die darüber der Entwurf selbst giebt, findet
auch in den Motiven nur mangelhafte Ergänzung. Die Organi—
sation ist in großem Stile entworfen. Die Arbeitgeber sollen je
nach der Art ihrer industriellen Betriebe zu Berufsgenossenschaften
zusammentreten, die sich in der Regel über das ganze Reich er—
strecken sollen. Wie diese gewaltigen Verbände lokal fungiren.,
wie sie immer und überall prompt und mit der nöthigen Berück—
sichtigung der lokalen und individuellen Verhältnisse eingreifen
sollen, ist nicht recht klar. Auch nach dem neuen Entwurfe ist
kein Raum mehr für die Privat-Versicherungsgesellschaften. Und
doch ist nicht abzusehen, warum diese, zumal wenn ihnen gewisse
Normativbestimmungen auferlegt werden, sich mit dem Prinzip
des Versicherungszwanges nicht vertragen sollten. Hat man doch
auch im Krankenkassengesetz dem freien Versicherunaswesen ein
kleines Plätzchen gelassen.
Ein wesentlicher Punkt ist es, in welchem der neue Entwurf
hinter dem früheren zurückbleibt. Er schränkt den Kreis der zu
versichernden Personen auf die unter das Haftpflichtgesetz fallenden
Arbeiter ein, während der frühere Entwurf diesen Kreis schon
erheblich erweitert hatte. In den Motiven ist hierüber folgendes
ausgeführt. „Den Ausgangspunkt für die auf gesetzliche Regelung
der Arbeiter-Unfallversicherung gerichteten Bestrebungen bildet der
82 des Haftpflichtgesetzes vom 7. Juni 1871. Aus der Unzu—
länglichkeit und aus der ungünstigen Wirkung desselben auf die
Beziehungen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern ist das Bedürfniß
der Unfallversicherung erwachsen. Demgemäß handelt es sich zu—
nächst darum, für den Kreis der unter 8 2 des Haftpflichtgesetzes
fallenden Axbeiter eine bessere Fürsorge im Falle eines Betriebs—
unfalles gesetzlich sicher zu stellen. Die Vorlage beschränkt sich
daher, um nicht durch die an sich wünschenswerthe Ausdehnung
auf die weiteren Arbeiterkreise die Schwierigkeiten zu vermehren,
vorläufig auf die Arbeiter in den bisher haftpflichtigen Betrieben,
wobei die Ausdehnung der Unfallversicherung auch auf weitere
Kreise der arbeitenden Bevölkerung vorbehalten bleibi.
Der neue Entwurf knüpft also ausdrücklich an das Haft—⸗
pflichtgesetz an, das er verschärft, aber in einem Hauptpunkte nicht
erweitert, d. i. in Betreff der zu entschädigenden Personen. Man
erinnere sich, daß der früheren Vorlage der Regierung ein von
den liberalen Parteien gemeinsam ausgearbeiteter und vertretener
Entwurf entgegengestellt wurde, der das Problem im Anschluß an
das Haftpflichtgesetz zu lösen suchte. Damals hieß es, die weit—
greifende Sozialresorm, welche die Regierung anstrebe, hätte mil
dem Haftpflichtgesetz nichts mehr zu schaffen. Jetzt wird wieder
auf dieses Gesetz zurückgegangen und dasselbe in einer Haupt—
bestimmung festgehalten. Jener Versuch der Liberalen kommt
dadurch nachträglich wieder zu Ehren.
MNach den Grundzügen für den Entwurf des Gesetzes über
die Unfallversicherung der Arbeiter sollen die Genossenschaften in
Bezug auf die Befolgung des Unfallversicherungsgesjetzes der Be—
rufsichtigung des zu errichtenden Reichs-Versicherungsamtes unter—
iegen. Aus den Bestimmungen über die Zusammensetzung des
Reichs-Versicherungsamtes läßt sich ersehen, daß diese Behörde
ediglich für die Unfallversicherung geschaffen werden soll. Damit
st jedoch, wie verlautet, noch keineswegs ausgeschlossen, daß dem—
nächst durch die Seitens der Reichsregierung geplante reichsgesetz-
iche Regelung des Versicherungswesens das Reichsversicherungsamt
ür die Unfallversicherung behnfss Beaufsichtigung des gesammten
Versicherungswesens erweitert wird.
In dem durch den Reichskanzler unterm 4. April 1879 an
die Bundesregierungen gerichteten Rundschreiben, betreffend die
Regelung des Versicherungswesens, war zu dem Vorschlage einer
Beröffentlichung ausführlicher Rechnungsabschlüsse und Bilanzen
)er Versicherungsgesellschaften bemerkt worden, „daß eine er—
chöpfende Prüfung jener Veröffentlichungen durch die Vandes—
zufsichtsbehörden nicht bewerkstelligt werden kann, weil dieselben
m Allgemeinen den Verhältnissen des Versicherungswesens zu fern
tehen. Eine erschöpfende Prüfung würde nur durch eine Kontrol—
telle, welche in dem gesammten Versicherungswesen orientirt und
»essen Entwickelung stetig zu verfolgen in der Lage ist, geschehen
önnen.
Wird eine solche Prüfung als Bedürfniß anerkannt, so wäre
zu erwägen, ob sie nicht im Anschluß an eine bestehende Behörde,
etwa an das kaiserliche statistische Amt, ohne erhebliche Mühe und
Aufwendungen sich schaffen ließe. Wird sie aber nicht für erwünscht
zehalten, so möchte vorzuziehen sein, auf eine amtliche Kontrole
des Geschäftsbetriebes überhaupt zu verzichten, um nicht durch den
Schein einer solchen ein Vertrauen in die Versicherungsgesellschaften
zu begründen, für welches eine staatliche Gewähr dann nicht über—
rommen werden könnte“. Allem Anscheine nach sind die Bundes—
regierungen in der Mehrzahl für eine solche Reichsaufsichtsbehörde,
edoch steht die Entscheidung der Frage noch aus, ob ein besonderes
Reichsamt zu errichten, oder ob das Reichsjustizamt, oder das
Reichsamt des Innern, oder das projettirte Reichsversicherungsam
für die Unfallversicherung mit den bezüglichen Befugnissen zu be
rauen sei.
— PJ
Villa in Naumburg a. 8.
Urchitekt: H. Crato-Naumbur
(Mit 83 Fig.)
Für den Preis von 36000 Mark (exkl. Grundstück) ein schon
hochgehenden Ausprüchen genügendes Familienhaus zu erbauen
ind dabei dessen Aeußeres der reizenden landschaftlichen Umgebung
anzupassen, waren die Hauptumstände, die beim Enutwurf der BVilla
uu berücksichtigen waren. Es kam also darauf an, durch eine ge—
chickte Grundrißdisposition Raum zu ersparen, ohne aber dadurch
der praktischen Einrichtung oder der perspektivischen Wirkung der
Fronten Schaden zu thun. Ferner war noch zu beachten, daß im
Isten und Westen des Grundstückes andere Villen stehen, dagegen
die Süd- und Nordseite die herrlichste Aussicht gewähren, letzere
Facaden also die meisten Fenster erhalten mußten.
Die beigefügte Perspektive zeigt nun die Ansicht von Südost
Straßenseite) mit dem Aussichtsthurme, der leider, da der Bau—
»reis auf 34000 Mk. herabgesetzt wurde, in der Ausführung durch
inen niedrigeren Anbau ersetzt werden mußte. Die beiden bei—
tehenden Grundrisse geben die Eintheilung vom Parterre und
1. Stock, es ist nun noch hinzuzufiigen, daß in den Giebeln des
2. Stocks sich 2 Fremdenzimmer befinden und daß das Souterrain
die Wirthschaftsräume enthält. Der Anbau besteht aus einer
Barderobe und den Aborten. Von den 11 heizbaren Stuben sind
die 4 Parterrezimmer reich dekorirt, zum Theil mit Holzdecken
uind Vertäfelung, die übrigen sind in bürgerlicher Ausstattung ge—
Jalten.
Ueber den Hausschwamm.
Vortrag des Prof. Dr. Ferdinand Cohn im Breslauer Grundbesitzer-Verein.
Unter dem Hinweise auf die großen Erfolge, welche in den
etzten zwei Jahrhunderten bezüglich des Studiums der Natur—
vissenschaften zu verzeichnen waren, legte der Vortragende nach
dem trefflichen Fachblatt „Grundeigenthum“ dar, daß es trotzdem
soch unzählige Gebiete gebe, in denen die Verbindung zwischen