Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 44, Bd. 3, 1884)

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Ueber den Hausschwamm. 
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Naturwissenschaft und Praxis noch nicht in der wünschenswerthen 
Innigkeit angebahnt sei, wo beide neben einander hergehen und 
sich nicht befruchten. Er verglich die Naturwissenschaft und die 
Industrie mit den beiden Polen einer galvanischen Kette; so lange 
zieselben sich nicht berühren, entsteht kein elektrischer Strom; erst 
wenn beide in innigsten Kontakt gebracht sind, wird die Kraft 
entwickelt, welche den Draht erglühen und das Licht ausstrahlen 
äßt. Einer der Punkte, wo ein engerer Kontakt zwischen Wissen— 
schaft und Praxis herzustellen sei, bezieht sich auf das Thema, 
iber welches er sprechen wolle. Es ist allgemein bekannt, wie 
gefährlich der Hausschwamm sei, welchen Schaden er an unseren 
GHebäuden anrichtet. Wie groß der Schaden sei, ist leider noch 
uicht statistisch festgestellt. Man weiß auch nicht, ob in Breslau, 
vie es scheint, die Ausbreitung des Hausschwaumes sich in neuerer 
Zeit gesteigert habe. Es ist aber kein Zweifel, daß dem Haus— 
chwamm Tausende und Millionen zum Opfer fallen. Thatsache 
ssi, daß von Zeit zu Zeit das gesammte Holzwerk, besonders in 
ieuen Häusern, vom Hausschwamm zerstört wird. Die Praxis 
hat auch Mittel zur Bekäämpfung des Hausschwammes, die manchmal 
helfen, manchmal aber auch nicht. Wenn in einem Hause der 
dausschwamm wüthet, so wird man gewöhnlich erst aufmerksam, 
venn die Balken bereits zerstört sind und dem Gebäude der Ein— 
turz droht. Es wird nirgends dafür gesorgt, früher Untersuchungen 
anzustellen, wenn die Möglichkeit einer Erstickung des Feindes im 
Zeime noch vorhanden ist, und doch ist es nicht schwer, die ersten 
Spuren des Hausschwammes zu beobachten. Bemerkt man endlich 
den Hausschwamm, so reißt man das zerstörte Holz heraus und 
etzt neues ein, ohne gewiß zu sein, ob nicht nach Jahr und Tag 
der Schwaum auf's Neue ausbrechen werde. Hier fehlt eben der 
nnige Kontakt zwischen Wissenschaft und Praxis. Vielleicht wird 
nan schon in wenigen Jahren nicht mehr den Fatalismus be— 
zreifen, mit dem die Bauherren die Zerstörung ihres Eigenthums 
über sich ergehen ließen, als sei dies Uebel gar nicht abzuwenden. 
Es ist aber nothwendig, dort Rath und Hilfe zu suchen, wo sie 
allein zu finden ist, nämlich bei der Botanik. Diese ist freilich 
heute noch nicht im Stande, einen solchen Rath zu ertheilen, um 
die Entstehung des Hausschwammes mit unbedingter Zuverlässigkeit 
u verhindern und entstandenen für immer zu beseitigen. Bisher 
jat sich von den Botanikern unserer Zeit fast nur der Geheime 
Medizinalrath Professor Dr. Göppert mit dieser Frage eingehend 
veschäftigt und in öffentlichen Blättern sich meyrsach uͤber dieselbe 
iusgesprochen. Die neueste Arbeit über die Lebensgeschichte des 
Zausschwammes ist im pflanzenphysiologischen Institut in Breslau 
879 entstanden, eine Dissertation von Dr. Schauder, einem Schüler 
»es Vortragenden. 
Der Hausschwamm ist, wie Redner fortfährt, bekanntlich ein 
Schwamm oder Pilz; sein botanischer Name ist Merulius lacry- 
mans; den letzteren Beinamen, der thränende, habe er erhalten, 
weil er im gewissen Alter Wassertropfen ausschwitzt. Um über 
das Leben eines Pilzes eine richtige Vorstellung zu erwecken, 
möchte er dasselbe mit der Entwickelung eines Schmetterlings ver— 
zleichen. Jeder Pilz, jeder Schwamm hat, wie der Schmetterling, 
zwei Zustände zu durchleben. Der erste Zustand ist der des 
Mycels, in welchem der Pilz eine kolossale Masse organischer 
Nahrung zu sich nimmt und verdaut, in ähnlicher Weise, wie das 
einzige Geschäft der Raupen das Fressen des Laubes ist. Dadurch 
wächst der Schwamm rasch; er stellt in diesem Zustande ein feines 
Fadengespinnst dar, das über oder in der Nahrung sich ausbreitet 
und gewöhnlich als Schimmel bezeichnet wird, oder es bildet 
vurzelartig verzweigte Stränge, die man als Rhizomorphen be— 
zeichnet. Von seiuer Nahrung verzehrt der Schwamm indeß nicht 
alles, sondern läßt gewisse Bestandtheile als für ihn unverdaulich 
ibrig. Das Uebriggebliebene aber vermodert und zersetzt sich, und 
dadurch werden die Pilze so gefährlich; da sie selbst lebende Pflanzen, 
Thiere und Menschen zur Beute wählen, richten sie unermeßlichen 
Schaden an, indem sie Epidemien erzeugen. Es kommt dann eine 
Zeit, wo der Pilz aufhört zu fressen und sich verwandelt, ebenso 
wie die fressende Raupe sich in den Schmetterling verwandelt, der 
wenig oder gar keine Nahrung aufnimmt, dessen einziges Geschäft 
die Fortpflanzung ist. Dieser zweite Zustand ist der des Frucht—⸗ 
körpers oder der Frucht. Im Zustaände der Frucht erzeugt der 
Pilz unzählbare staubfeine Eierchen oder Sporen, die er in der 
Luft ausstreut. 
Auch der Hausschwamm in seinem Larven- oder Mycel⸗ 
zustande gleicht einem feinen Gespinnst, ähnlich einem Spinngewebe. 
Er überspinnt mit seinem Mycel das Holz, die Balken und die 
Bohlen, die letzteren nur auf ihrer, dem Licht entzogenen Unter— 
eite. Es läßt sich unter dem, Mikroskop nachweisen, daß der 
Hausschwamm das Holz auszehrt und gewissermaßen verdaut, 
indem das Mycel, welches die Balken überspinnt, gewisse Bestand⸗ 
cheile derselben aussaugt und aus dieser Nahrung sein Gewebe 
veiter spinnt. Tadurch verliert das HPolz an Substanz, es schwindet 
ind bekommt Risse an seiner Obeiflache, die von außen nach 
nnen verlaufen. Durch diese dringt das Mycel immer liefer eiü 
ind verzehrt allmälig den ganzen Balken. Nur das für den Pilz 
Inverdauliche läßt er übrig; der Rückstand des Holzes gleicht 
iner braunen, brüchigen Kohle, welche weit leichter nuud minder 
oluminös, natütlich auch zu jedem technischen Zweck unbrauchbar 
st, da sie bei jeder Erschütterung in Pulver zerbröckelt. Der 
dausschwamm,ist übrigens nicht der einzige Pilz, der sich von 
dolz nährt. Es giebt viele Pilze, die ganz denselbeu verderblichen 
kinfluß üben. Mancher Baum, der äußerlich noch gesund erscheint, 
st, inwendig verrottet und vermodert, weil das Mycel von 
Schwämmen, das von Außen an verletzten Stellen, abgebrochenen 
lesten ꝛc. eingedrungen, den Holzkörper ausgesaugt und nur eine 
»raune kohlige Masse zurückgelassen hat; man bezeichnet das als 
sothfäule des Holzes; den Pilz erkennt man erst, wenn seine hut— 
örmigen Fruchtkörper aus der Rinde aus Licht dringen. Aber 
»ie Schwämme, welche die Bäume in unseren Gärten und Wäldern 
infallen, tödten und verrotten, sind ganz andere Arten als der 
dausschwamm. Vom Mycel des Hausschwamms giebt ein Prä— 
Jarat die deutlichste Vorstellung, das von einem zwischen zwei 
Blasplatten oder zwischen Papier hineingewachsenen Exemplar ge— 
nildet ist; man sieht dann schon mit bloßem Auge das strahlig fich 
iusbreitende und durch reiche Verzweigungen verflochtene, seiden— 
lünzende, weißliche, silbergraue, auch lederfarbige oder violett 
ingelaufene Gespinnst seiner Fäden. Sobald der Hausschwamm 
eine Holzpartie ausgesaugt, was sich durch Verrottung und voll⸗ 
tändiges Trockenwerden kenntlich macht, so sucht er nach neuer 
Nahrung, nach frischem Holz; bei dieser Aufspürung von neuer 
Beute hat er die merkwürdige Fähigkeit, in die Mauer hineinzu— 
vachsen, in den Poren der Ziegel und des Mörtels seine wurzel— 
artigen Stränge, die Rhizomorphenform, aus der Tiefe in die 
Zöhe fortkriechen zu lassen. Allerdings muß die Mauer feucht 
ein; dies ist namentlich dann der Fall, wenn die Fundamenie 
auf einem feuchten und an organischen Verwesungsprodukten 
eichen Boden ruhen; dann steigt durch Capillarität ein ammo— 
niakreiches Wasser in der Mauer empor, welches in Verbindung 
nit dem Kalk salpetersauren Kalk erzeugt und dem Schwammmyceil 
jünstigen Nährstoff darbietet. So wächst das Mycel aus dem 
zeller in das Parterre und in die höheren Stockwerke bis zum 
dache. Aus der Mauer springt es dann über in die oberen 
Zalkenlagen und in die Bohlen der Dielen, auch wohl in die 
Bretter der Schränke und anderer Möbel. die an die Wände 
gerückt sind. 
Später tritt der zweite Zustand ein, in welchem der Pilz 
ich fortpflanzt. Während das Meycel im Verborgenen kriecht und 
eine Beute aufzehrt, dringt der Pilz, sobald er zur Fortpflanzung 
ommt, an die Luft. In diesem zweiten Zustande seines Lebens 
nimmt er die Gestalt des Fruchtkörpers an. Das Mycel ver— 
ichtet sich zu kreisförmigen dicken Polstern, die sehr saftig, ge— 
vöhnlich in der Decke finsterer Alkoven und ähnlicher geschlossener, 
euchter Räume hervorbrechen und deren Oberfläche meistens nach 
inten gerichtet, ein Netz zimmtbraun gefärbter Runzeln bilden. 
Von dem braunen Polster wird überaus reichlich ein gleichfarbiger 
Ztaub abgestoßen, der den Fußboden mit dicker Schicht bedeckt. 
dies sind die staubfeinen Eierchen oder Sporen des Hausschwammes. 
die Zahl der Sporen ist unglaublich groß und die Sporen selbst 
ehr klein; tausend neben einander in eine Reihe gelegt, nehmen 
inen Centimeter ein; auf dem Deckel eines mäßig großen Buches 
saben nahezu fünf Milliarden Sporen Platz. Mit der Sporen— 
lusstreuung gehen zwar die Fruchtkörper ein, aber der ganze 
Zausschwamm stirbt nicht ab, sondern das Pencel areift im Ver— 
jorgenen weiter um sich. 
Auf die Frage übergehend, wie man die Einschleppung des 
Pilzes in die Häuser verhüten, bezw. wie man der Weiterver— 
zreitung des eingeschleppten Pilzes entgegentreten könne, führte 
Redner aus, daß der Pilz einzig und allein aus seinen Sporen 
»der aus seinem Mycel entsteht, nicht wie Viele noch meinen, von 
elbst aus verrottetem Holze oder aus dem modrigen Boden. Woher 
iber in jedem einzelnen Falle die Keime des Hausschwammes 
tammen, welche die Ansteckung in das Holzwerk bringen, darauf 
ann die Wissenfchaft leider in der Regel keine befriedigende Ant— 
vort geben. Die Sporen erfüllen die Luft als Staub, sie könnten 
o schͤn am Bauholz haften oder mit dem Schutt in das Haus 
jereingebracht sein. Möglicherweise wird das Holz oft schon auf 
zjem Bauhof von dem Mycel des Hausschwammes angesteckt; wie 
n einer Epidemie könnte sich dieses Uebel aus einem Herde in 
ille Orte verbreiten, die ihr Bauholz von dort beziehen. Auch 
iuf die Frage, woher der Hausschwamm stamme, wo seine eigent⸗ 
iche Heimath sei, kann man noch keine bestimmte Antwort geben. 
Kewiß ist, daß er bis jetzt noch niemals im Walde oder an
	        
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