Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 45, Bd. 4, 1885)

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Erläuterungen zur neuen Aichordnung für das Deutsche Reich vom 27. Dezember 1884. 
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ergend einer von ihnen sollte im Stande sein, Anklage gegen den 
andern darüber zu erheben, daß Letzterer durch Schimpfworte oder 
zurch die That ein Unrecht gegen den anderen begangen hätte und 
alls der so Angeklagte durch die Aussage zweier glaubwürdiger 
Zeugen des begangenen Unrechtes für schuldig befunden würde. 
dieser Angeklagte 100 Schilling zur Erbauung der London-Brücke 
geben sollte. Ferner kamen sie darin überein, daß, wenn der Ver— 
urtheilte nicht zahlen wollte, der Kirmmerer dafür sorgen sollte, 
daß der ganze Betrag erhoben würde u. s. w. Beinahe 55, Jahr— 
jundert später führten gewisse Schimpfwörter und schmutzige Aus— 
drücke, ähnlich den in früherer Zeit ausgesprochenen, von einem 
Maurerpolier im Jahre 1841 bei dem im Bau begriffenen neuen 
Parlamentshause gebraucht, zu einem langen Maurerstrik, welcher 
sich auf 6G bis 7 Monate hin ausdehnte. Der Polier scheint etwas 
jart, wenn auch nicht tyrannisch gewesen zu sein, so daß er und 
die Arbeiter sich nicht verständigen konnten. Die Maurergesellen 
bildeten eine Genossenschaft und verlangten die Entlassung des 
Poliers. Die Unternehmer Grissell und Peto weigerten sich der 
Forderung der Maurergesellen nachzugeben und so entstand der 
Strik. Eine Reihe umständlicher Beschuldigungen, einige sehr 
gjravirenden Charakters, wurden gegen den Polier erhoben. Der 
Angeklagte vertheidigte sich gegen mehrere dieser Beschuldigungen 
in einem Briefe in der „Times“. Verschiedene Meetings wurden 
von den Arbeitern abgehalten und eine Untersuchung wurde ein— 
geleitet über die Richtigkeit der dem Polier zugeschriebenen Be— 
schuldigungen. Die Gesellen glaubten, ihre Sache bewiesen zu 
haben. Die Genossenschaft der Maurergesellen zog daher ihre 
Mitglieder von den anderen Kontraktarbeiten, welche durch Grissell 
und Peto ausgeführt werden sollten, zurück und die Arbeiten am 
neuen Partamentshause wurden dadurch bedeutend verzögert. In 
einer im Interesse der Maurer im April 1842 gemachten Auf— 
ttellung wird mitgetheilt, daß von ungefähr 400 Strikenden nur 
34 Mann als Stamm, nachdem der Strik 32 Wochen gedauert 
jatte, übrig blieben. Von diesen waren nur noch 32 Mann aus 
dem Strik am neuen Parlamentshause und am Nelsondenkmal 
»orhanden. Alle anderen Strikenden hatten wenige Wochen nach 
Ausbruch des Striks anderswo Beschäftigung gefunden und an— 
genommen. Zu erwähnen bleibt noch, daß die Regierung in Folge 
hes Striks die Zeit, in welcher der Kontrakt ablief, den Unter— 
rehmern verlängerte. Der Strik von 1841 war unbedeutend im 
Gergleich mit dem allgemeinen Londoner Baustrik im Jahre 1889, 
welcher schließlich zur Annahme des Stundensystenis führte, und im 
Vergleich mit dem Strik von 1872. 
Strike oder Streitigkeiten im Gewerbe, welche dieselben 
jerbeiführen, haben noch nicht aufgehört, aber unsere Arbeitgeber 
ind Arbeitnehmer sind sich klarer geworden über die Größe der 
lebel, welche aus diesen Operationen hervorgehen. Bloße Streitig— 
keiten und Meinungsverschiedenheiten werden immer mehr oder 
weniger bestehen, so lange die Welt steht. In der industriellen 
Welt lernen die Leute an der Hand der Erfahrung, in welcher 
Weise ihre Streitigkeiten durch rationelle Konferenzen beizulegen 
sind und greifen nicht zu Methoden, welche auf der einen Seite 
Bankrott und Ruin und auf der anderen Seite Bettlerthum 
herbeiführen. 
Gegen Ignoranz, schlechte Bauausführung und schlechte Ar— 
»eiter laht unsere Meister und Arbeiter Strike erheben und 
Erziehung, gesunde Bauausführung und gute Arbeit wird dem 
janzen Volke zum Segen gereichen. X. 
und im Monat Februar d. J. erfolgte die Veröffentlichung der— 
selben zugleich mit der Bekanntmachung der neuen Aichgebühren— 
taxe und der zugehörigen Uebergangsbestimmungen. 
Die neue Aichordnung erscheint gegenüber der alten in 
wesentlich veränderter Gestalt. Sie bildet nicht bloß eine Zusam— 
menfassung der bisher erschienenen Abänderungen und Zusätze, 
welche in einer großen Anzahl von Zirkularen zerstreut waren, 
ondern enthält auch vielfach neue Bestimmungen, so daß manche 
Theile eine vollständige Umarbeitung erfahren haben. Dagegen 
ind einige Abschnitte, welche bisher einen Theil der Aichordnung 
gebildet haben, ausgeschieden und in die Instruktion verwiesen 
worden. 
Unter diesen Umständen erscheint es geboten, die Behörden 
und das betheiligte Publikum auf die wichtigsten Aenderungen, 
welche die neuen Bestimmungen gegenüber den bisherigen auf— 
weisen, aufmerksam zu machen. Das ist der Zweck der vorliegen— 
den Erläuterungen. Sobald die Instruktion zur neuen Aich— 
ordnung veröffeutlicht ist, werden wir, wie im Jahr 1871, eine 
Amtliche Ausgabe sämmtlicher auf das Maß- und Gewichts— 
wesen bezüglichen Vorschriften veranstalten. 
Zur Beruhigung der Gewerbetreibenden schicken wir vorans, 
daß der Bundesrath durch die Bekanuntmachung vom 30. Oktober 
1884 (R. G. Bl. S. 215) für diejenigen Maße, Meßwerkzeuge 
und Gewichte, welche den neuen Vorschriften nicht entsprechen, so 
zeichlich bemessene Zulassungsfristen festgesetzt hat, daß einé 
Schädigung der Betheiligten so gut wie ausgeschlossen erscheint. 
Hienach dürfen nämlich solche Gegenstände, wenn sie den bisher 
geltenden Vorschriften gemäß hergestellt sind, 
bis 31. Dezember 1886 zur Aichung und Stempelung und 
bis 31. Dezember 1896 zur Wiederholung derselben 
zugelassen werden. Der Zeitpunkt aber, bis zu welchem sie im 
üffentlichen Verkehr überhaupt noch geduldet werden, ist noch gar 
nicht bestimmt. 
Bloß die älteren, dem Pfundsystem angehörigen Gewichte, 
velche zwar den Bestimmungen der Maß- und Gewichtsordnung 
dom 17. August 1868, nicht aber den dazu erlassenen technischen 
Vorschriften genügen und die daher auch nur bis auf Weiteres 
noch zur Wiederholung der Aichung und Stempelung zugelassen 
worden sind, sind vom 1. Januar d. J. ab zur Wiederholung der 
Aichung und Stempelung nicht mehr zugelassen, dagegen allgemein 
zis 31. Dezember 1888 noch im öffentlichen Verkehr geduldet 
dieher gehören u. A. die alten Formen (Prismen, Pyramiden ꝛc.) 
bon Pfundgewichtsstücken, welche übrigens bei uns schon beinahe 
vollständig verschwunden sind, sodann sämmtliche 5-Pfundstücke und 
die cylindrischen Gewichtsstücke zu 4 Pfund und lPfund, bei 
denen der Durchmesser des Cylinders gleich der Höhe oder größer 
als die letztere ist. falls dabei die Höhe nach der neuen Vorschrift 
nicht eingehalten ist; ferner cylindrische Gewichtsstücke zu , Pfund, 
bei denen die Höhe des Cylinders kleiner ist, als der Durch— 
messer; eiserne Gewichtsstücke zu 20 Pfund in Bombenform u. s. w. 
Im Uebrigen enthalten die Uebergangsbestimmungen einer 
auf Grund der oben erwähnten Bekanntmachung des Bundesraths 
erlassenen Bekanntmachung der Kaiserl. Normal-Aichungs-Kom— 
mission vom 30. Dezember 1884 
in Art. 1 eine detaillirte Aufführung der Gegenstände, 
velche bis Ende 1886 zur Aichung und Stempelung und bis 
Ende 1896 zur Wiederholung derselben zugelassen sind: 
in Art. 2 eine Aufzählung der Gegenstände, welche nicht 
mehr zur ersten Aichung und Stempelung, aber bis Ende 1896 
zur Wiederholung derselben zuzulassen sind und 
in Art. 3 diejenigen Gegenstände, welche noch im öffentlichen 
Verkehr zu dulden sind, aber zur Wiederholung der Aichung und 
Stempelung nicht mehr zugelassen werden dürfen. 
In Art. 5 findet sich sodann eine detaillirte Aufzählung der— 
enigen Gewichtsstücke des Pfuudsystems, welche vom 1. Januar 
d. J. zur Wiederholung der Aichung und Stempelung nicht mehr 
zugelassen, dagegen allgemein bis zum 31. Dezember 1888 noch 
mm öffentlichen Verkehr geduldet werden. Falls also solche Stücke 
zur aichamtlichen Prüfung gelangen, ist der Stempel zu vernichten 
und vor deren weiterem Gebrauch zu verwarnen, da sie weder 
den neuen Bestimmungen, noch den Uebergangsbestimmungen 
genügen. 
Diese Uebergangsbestimmungen enthalten sodann in Art. 6 
zie Aichgebühren für solche Gegenstände, welche in den Ueber— 
gjangszeiten zur Aichuug und Stempelung oder zur aichamtlichen 
Prüfung gelangen können, aber in der neuen Aichgebührentaxe 
vegen ihrer nur vorübergehenden Zulässigkeit keine Aufnahme 
mehr gefunden haben und am Schluß die gestatteten Fehlergrenzen 
für diejenigen Gegenstände, welche in der sieuen Aichordnung nicht 
mehr aufgeführt, im öffentlichen Verkehr aber noch zulässig sind. 
Um nun auf die Aichordnung vom 27. Dezember 1884 selbst 
Erläuterungen 
zur neuen Aichordnung für das Deutsche 
Reich vom 27. Dezember 1884. ) 
Die Aichordnung vom 16. Juli 1869 hat im Laufe der Zeit 
o zahlreiche Abänderungen und Nachträge erfahren, daß eine 
Neubearbeitung derselben längst als dringendes Bedürfniß empfun— 
den wurde. Eine solche wurde auch Seitens der Kaiserl. Normal— 
Aichungs-Kommission in Berlin schon seit Jahren vorbereitet, an 
die definitive Redaktion derselben konnte aber erst gegangen werden. 
nachdem zuvor an der Maß- und Gewichtsordnung vom 17. August 
1868, welche die Grundlage für die Aichordnung bildet, einige 
Abänderungen vorgenommen worden waren, die sich als sehr 
vünschenswerth herausgestellt hatten. Dies ist durch das Reichs— 
Jesetz vom 11. Juli 1884, betr. die Abänderung der Maß- und 
Sewichtsordnung vom 17. August 1868, geschehen. Der Schluß— 
redaktion der neuen Aichordnung stand nun nichts mehr im Wege 
*) Wir bringen diesen Beitrag nach dem „Gewerbebl. f. Württemberg“, 
oweit derselbe für das Baugewerbe von Interesse ist. Die Red.
	        
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