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Ueber Ziegeldächer in nördlichen Ländern.
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immer weniger bewähren. In der Mark Brandenburg halten
sich die Biberschwänze noch sehr gut, in den norddeutschen Küsten—
iändern dagegen vermögen sie der Witterung nicht mehr zu trotzen.
Einigermaßen suchte man diesem Umstande dadurch Rechnung
zu tragen, daß man die Dächer um so steiler baute, je weiter nach
Norden die Baustelle liegt, um so eine größere Dauerhaftigkeit zu
erreichen, denn flache Dächer können dem immerwährenden Wechsel
von Waäͤrme und Kälte, Thau, Regen, Schnee ꝛc., wie sie das
nördliche Klima mit sich bringt, viel weniger widerstehen. Unsere
Vorfahren bauten noch aus diesem Grunde hauptfsächlich ihre
Kirchendächer so steil, und wie die Erfahrung lehrt, trotzten die—
selben Jahrhunderte iang allen Unbilden der Witterung. In den
norddeutschen Ländern, namentlich in Ostpreußen, verwendete man
in früheren Zeiten vielfach die halbzylindrischen Dachsteine (so—
genannte Möuche und Nonnen), welche auf dem steilen Dache
zanz schmale, tiefe, abwärts gerichtete Rinnen bildeten und das
Findringen der Feuchtigkeit verhinderten. Ein solches Dach war
jsedoch sehr schwer, bedurfte also eines sehr starken Dachgerüstes
und gewährte dabei doch nicht die Dauer und Wasserdichtigkeit
eines qut eingedeckten Biberschwanzdaches
»er Traufe zuführt, als dies z. B. auf den ebenen Flächen des
Biberschwanzdaches möglich ist. Aus diesem Grunde trocknen denn
auch Pfannendächer erfahrungsmäßig schneller ab, als Biberschwanz—
dächer und deßhalb sind jene auch wetterbeständiger, als diese.
Bei allen, in neuerer Zeit erfundenen, mittelst Ziegelpressen
herstellbaren Formen der Dachziegel lenkten die Fabrikaunten auf
die schnelle Wasserabführung, sowie die Leichtigkeit der Bedachung
ihr Hauptaugenmerk. Man suchte letzteren Vortheil hauptsächlich
dadurch zu erreichen, daß man den Ziegeln sowohl auf ihrer oberen
als unteren Fläche vorsteheude Leisten, sogenannte Falze gab, die
bei den benachbarten Steinen ineinander greifen und sich gegen—
eitig überdecken, so daß man durch diese Steine auch ohne doppelte
ragen einen genügend dichten Fugenschluß erreichen kann. Anfangs
vurden diese, besonders in Frankreich in zahlreichen Modellen ver—
retenen Falzziegel mehr im Auschluß aun die Biberschwanzdächer
lach hergestellt und auch der in landwirthschaftlichen Kreisen be—
reits rühmlichst bekannte Rittergutsbesitzer von Kobylinski auf
Wöterkeim in Ostpreußen trat bereits vor dreißig Jahren mit
seinen sogenannten „Krampsteinen“ auf, welche an der Unterfläche
der Dachziegel zwei, an der Oberfläche eine durchlaufende Längs—
Fig. 1.
er⸗ und Unteransicht der S—
Vt
Fig. 5.
Unter-Ansicht der Dachfläche
Fig.
Am besten bewährten sich in den norddeutschen Küstengebieten
noch die holländischen S-förmigen Dachsteine, allerdings nur in
Verbindung mit einer darunter angebrachten Verschaalung. Die
letztere macht aber die Bedachung theuer und zugleich feuergefähr—
lich, zudem wurden die Dachsteine leicht bei heftigem Sturme
heruntergeworfen. Außerdem entstehen häufig bei diesen Dächern
zroße Fugen an den Ueberdeckungsstellen, weil die Pfannen als
Folge einer mangelhaften Herstellungsweise häufig krumm und
schief werden. Bei der in Holland und Westdeutschland allgemein
üblichen Eindeckung der Pfannen auf Lattung sind diejelben daher
überall sorgfältig, mit Mörtel zu verstreichen und dieser Fugen—
derstrich ist alljährlich zu repariren, wenn man ein dicht schließendes
Dach haben will. Hierdurch sind diese viel Mörtel erfordernden
Dächer aber wieder kostspielig, wenn man auch noch so peinlich
auf grade Ziegeln hält und alle windschiefen bei der Lieferung
ausschließt.
Der Hauptvortheil des Pfannendaches besteht aber darin,
daß es sich durch die Gestalt der Dachsteine und deren Ueber
deckung in ähnlicher Weise wie bei dem mittelalterlichen Monch—
und Nonnendach in zahlreiche Rinnen zerlegt, deren jede einzelne
außer dem allgemeinen Gesälle des Daches noch ein Quergefälle
besitzt, also das Wasser schneller in der Rinnensohle sammeit und
leiste (Ktrampe) und außerdem eine Nase zum Einhängen auf die
Lattung erhielten. Um die wasseraufsaugende Kraft der Steine,
eine Folge ihrer porösen Beschaffenheit, möglichst aufzuheben,
wurden dieselben mit heißem Steinkohlentheer gestrichen. Beim
Eindecken der Dächer bildete sich dann ähnlich, wie beim Pfannen—
dach, in den einzelnen Dachstreifen außer dem Längen- noch ein
Quergefälle, die Längs- und Querfugen wurden innen sorgfältig
mit Cement verstrichen, wobei allerdings darauf zu achten war,
daß sich die Krampsteine wenigstens 7—8 em von oben nach unten
äberdeckten, damit das durch die Adhäsion emporgezogene Wasser
dem Cementverstrich nicht schädlich wurde. Die Dicke der Steine
'onnte bis auf etwa 13 mun ermäßigt werden, ohne daß ihre
Haltbarkeit beeinträchtigt wurde, das Dachgerüst also verhältniß—
mäßig leicht konstruirt werden.
Während der dreißig Jahre nun, daß diese Dachsteine in
Ostpreußen Verwendung fanden, zeigte sich der Fugenverstrich im
Innern des Daches, sowohl in den Längs- wie Querfugen, tadel—
os erhalten, einmal war derselbe abgeplatzt, was sich ja auch
durch seine Lage im Trocknen und dadürch ergab daß die Steine
vom Wind nicht bewegt werden konnten. Dagegen zeigte es sich
doch nach einer Reihe von Jahren, daß die Steine, welche über
Räumen lagen, in denen sich viele Dünste entwickelten. namentlich