Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 47, Bd. 6, 1887)

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Der Neubau des Kaiserpalastes in Straßburg. 
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heiligten Reichsbehörden, der Entwurf des stattlichen Palastes 
vurde vielmehr auf Veranlassung des Herrn Reichskanzlers in 
der Beurtheilung des preußischen Ministeriums der öffentlichen 
Arbeiten von dem Landbauinspektor, Hermann Eggert, einem 
er tüchtigsten jungeren preußischen Staatstechniker, der sich be— 
reits bei den ausgedehnten Neubauten der Straßburger Universität 
»or dem ebemaligen Fischerthore, sowie durch zahlreiche Kon— 
rurrenzen einen geachteten Namen erworben hatte, aufgestellt 
ind vom Oberbaudirektor Herrmann revidirt. Die im Auftrage 
ꝛes Ministeriums für Elsaß-VLothringen früher ausgearbeiteten 
Entwürfe, bei denen eine Frontlänge von 96 mm und eine Tiefe 
des Gebäudes von 326mm angenommen wurde, waren vom Herrn 
Meichskanzler abgelehnt worden, weil der für den Bau in Aus— 
icht genommene Kostenbetrag von 2660600 Mark, einschließlich 
der Kosten für den Grunderwerb, sowie für Straßen- und Garten— 
anlagen ꝛc. zu erheblich überschritten worden war. 
Glücklicherweise kann man heute, nachdem der Bau nahezu 
bollendet ist, mit Freude konstatiren, daß die Wahl des mit den 
Straseburger baulichen Verhältnissen durchaus vertrauten leitenden 
Architekten eine in höhem Maaße glückliche gewesen ist, da der 
Palast ohne Zweifel auf den Beschauer eine bedeutende Wirkung 
zusübt und wohl zu keinen Anständen Veraulassung geben dürfte. 
Der Bau muß unbedingt zu den bedeutendsten Leistungen der 
neueren Architektur gerechnet werden und gereicht der ehrwürdigen 
Neichsstadt zu hohem Schmuck. 
Wegen der genannten zeitraubenden Vorverhandlungen und 
umfangreichen Entwurfsarbeiten kounte daher erst in der Mitte 
»es Jahres 1883 der Bau endlich in regeren Betrieb genommen 
verden. Zunächst mußten die ruinenhaften Reste des alten 
dornwerkes „Finkmatt“, an dessen Stelle sich der Palast erhebt, 
eingeebnet und die Festungsgräben ausgefüllt werden, ehe mit 
den eigentlichen Gründungsarbeiten kräftig begonnen werden 
'onnte. Wie es auf dem, von alten Wasserläufen und Festungs— 
zräben vielfach durchsetzten Baugrund nicht anders zu erwarten 
var, stellten sich der Ausführung der Gründungsarbeiten nicht 
zeringe Schwierigkeiten entgegen. Im Allgemeinen wurde der 
ragfäbhige, aus einer mächtigen Schicht groben Kieses bestehende 
Baugrund erst in 4 bis 6 in Tiefe unter der Kellersohle ge— 
unden, so daß die Wahl eines Systems von einzelnen Pfeilern, 
die durch Bögen zu verbinden waren, für den Unterbau des 
Palastes angezeigt erschien. 
Trotzdem der damalige niedrige Stand des Grundwassers den 
Hründungéarbeiten sehr zu Statten kam, mußten die Fundirungen 
»ennoch zum Theil bis über 2 in unter Wasser hinabgesenkt 
verden. Es wurde zu diesem Zwecke ein Beton aus dem harten 
Rbeinkies und dem ertsüblichen, vortreffflichen Schwarzkalkmörtel 
nit einem geringen Zementzusatz verwendet, welcher unter Wasser 
iemlich schnell erhärtet. Die Ausführung der gesammten Ar— 
eiten zu den Fundamenten und dem Kellergeschoß wurde der 
Baugesellschaft von Otto Back KeCo. und Kirchenbauer und 
Seufert in Straßburg übertragen. 
Bis zum Ende des Rechnungsjahres 1884,85 wurde das 
Erdgeschoß, sowie der größte Theil des Hauptgebäudes im Mauer— 
verk fertiggestellt, im Jahre 1885,86 konnte der Rohbau des 
Hauptgebäudes mit Ausschluß der Gewölbe und der Pußtarbeiten, 
owie der des Nebengebändes vollständig vollendet werden, so 
aß für das Rechnungsjahr 18856/,87 nur noch der Schluß der 
Rohbauarbeiten des Hauptgebäudes verblieb und der innere Aus— 
»au kräftig in Angriff genommen werden konnte. Das, was 
isber vollendet wurde, beweist, daß der Kaiserpalast die Bezeich⸗ 
iung eines Bauwerkes ersten Ranges in jeder Beziehung verdient. 
Das Hauptgebäude enthält in dem vornehmen Hauptgeschoß 
»en stattlichsten Verhältnissen die Wohnräume der Majestäten, 
owie gusgedebnte Fest- und Gesellschaftsräume; in einen oberen 
Hescheßz die Wohnungen des Gefolges und der Dienerschaft und 
m Erdgescheßz die zahlreichen Küchen⸗ und Wirthschafisräume, 
velche für eine ausgedebnte kaiserliche Hofhaltung erforderlich 
ind, sowie die Geschäftsräume des Hofmarschallamtes. Das 
Zebäude, für welches nach dem Eggert'schen Entwurf eine Front— 
ange von 8 in, eine Tiefe von 48m und eine durchschnittliche 
Höhe von 18 im angenommen wurde, gruppirt sich um zwei ge— 
umige ffene Lichtböͤfe. Der Zugang zu den Wohnkaͤumen 
er Majestãten und den Festräumen wird durch eine reich ge⸗ 
riederte Treppe vermittelt, die in einem weiträumigen, von 
Zäulenaängen umaebenen Treppenhause angeordnet ift 
Die architektonische und konstruktive Gestaltung des Kaiser— 
»alastes ist ganz in monumentalem Sinne mit durchgehends 
euerfesten Deckenbildungen erfolgt. Der Dachstuhl ist ganz aus 
Fisen hergestellt, selbst die tiefrothen großen Falzziegel, welche 
zur Dachdeckung des Haupt- und des Nebengebäudes verwendet 
vurden und mit der Farbe der Sandsteinverblendung gut zu— 
ammen stimmen, ruhen auf eisernen Latten, so daß im ganzen 
Dachraum nur unverbrennliche Materialien zu finden sind, einem 
Brande hier also von vornherein vorgebeugt ist. 
Das Aeußere zeigt bei Anwendung strenger Renaissance— 
ormen italienischer Richtung und reicher bekrönender Abschlüsse 
eine bewegte Gliederung seiner Massen. Der graue Vogesen— 
Sandstein, der zur Bekleidung aller Gebändetheile benutzt wurde, 
sringt die vornehme Architektur voll zur Geltung. Ein beson— 
»eres Gewicht ist auf die Behandlung der Hauptansicht nach dem 
kaiserplatze gelegt, wo sich über einer mittleren, giebelgekrönten 
ind durch maͤchtige Figurengruppen eingefaßten jonischen Säulen— 
yalle von schönen Verhältnissen ein mit der Kaiserkrone ab— 
zeschlossener Kuppelbau erhebt. 
Das Nebengebäude an der Rückfront des Hauptgebäudes 
ind von diesem durch einen weiträumigen Vorplatz getrennt, 
mit Stallungen, Remisen, einer militairischen Wache u. s. w., war 
hei der Anwesenheit des Referenten im Herbste 1886 bereits im 
Rohbau vollständig fertiggestellt. Besonders malerisch wirkte der 
chöne Hof dieses Bauwerkes mit seiner reizvollen echten Holz— 
Architektur. 
Der Kostenanschlag für die ganze Bauanlage schloß, wie 
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ichtung, das Nebengebäude, Umwährungen, Gartenanlagen u. s. w. 
iuf 2660 000 Mk. ab. Auf den Bau des eigentlichen Palastes 
»ntfallen davon 1540 000 Mk. oder rund 470Mk. für das Ouadrat— 
neter bebaute Grundfläche, auf Freitreppen, Gartenanlagen, 
Stallungen, Remisen, Einfriedigungen u. s. w. 240 000 Mk., auf 
die innere Einrichtung und die Beschaffung der Möbel rund 
200 000 Mk., so daß sich eine Gesammtsumme von rund 
2000000 Mk. ergiebt, zu welcher dann noch die Kosten für den 
Bauplatz und die Straßenanlagen mit 660 000 Mt. hinzutreten. 
Ein würdiges Gegenüber wird der Kaiserpalast demnächst 
durch den Neubau des Landesausschuß-Gebäudes erhalten, der 
ie zweite Seite des Kaiserplatzes in hoffentlich nicht zu ferner 
zukunft einnehmen wird. Da das provisorische Gebäude für den 
andesausschuß, auf einem Bauplatze zwischen dem Kaiserpalast 
ind dem Contades, nach einem Plane des Ministerialrathes 
havelt in Straßburg im Sommer 1882 als Fachwerksbau er— 
ichtet, nur auf 3 bis 4 Jahre berechnet war und daher zum 
kheil nur auf eingeschlagenen tannenen Pfählen statt auf durch— 
zehends gemauertem Fundament ruhte, diese Pfähle aber natur— 
zemäß in wenigen Jahren der Fäulniß zu erliegen begannen 
ind dadurch mannigfache beunruhigende Bewegungen des Auf— 
aues hervorriefen, sah man sich bekanntlich Mifte 1886 ge— 
nöthigt, nunmehr der Ausführung eines endgültigen Baues näher 
u treten. Auf Grund eines vom Ministerialrath Pavelt auf— 
zestellten Entwurfs wurde daher ein Programm zu einem öffent— 
Wettbewerb ausgearbeitet und die deutsche Architektenwelt zur 
Betheiligung eingeladen. Ueber das Ergebniß dieser Konkurrenz 
inden sich eingehende Berichte im „Centralblatt der Bau— 
erwaltung“ und in der „Deutschen Bauzeitung“ Jahrgang 
886, auf welche wohl hier verwiesen werden kann. Der Bau— 
latz wurde, wie bemerkt, gegenüber dem Kaiserpalast auf einem 
iahezu ebenen Gelände von rund 6000 quin Grundfläche aus— 
jewählt. Das Gebäude soll einen guthörigen, hellerleuchteten 
Sitzungssaal mit 58 Plätzen für die Abgeordneten, 20 für die 
segierungsvertreter und die nöthigen Zuschauerlogen enthalten. 
lußerdem war eine große Halle, ein Zimmer für den Prä— 
identen, den Schriftführer, den Staatssekretär, die Unter-Staats-— 
ekretäre, die Regierungsvertreter, das Büreau u. s. w. vorzu— 
ehen; ferner in einem zweiten Geschoß die erforderlichen Aus— 
chußzimmer, eine Bibliothek mit Zubehör und dergleichen. Der 
dostenbetrag wurde auf die Summe von“ 650 000 Mk. fest— 
zestellt; wie das Ergebniß der Konkurrenz jedoch schlagend nach— 
zewiesen hat, wird sich der Bau mit diesen Mitteln in einer 
eines Zweckes würdigen Weise kaum herstellen lassen. Die 
Wahl der Architektur blieb den Bewerbern überlassen, doch sollte 
der gewählte Stil mit jenen des benachbarten Kaiserpalastes
	        
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