Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 47, Bd. 6, 1887)

4 
Babnbefs-Anlagen für Nebenbabhnen. — Ueber Grundfätze der Formstein-Verwendung. 
98 
Magazin kostete Fl. O80, ohne Magazin würde dieselbe um Fl. 500 
»illiger gewesen sein. Der freistehende Passagier-Abort ist mit 
einer Holzlage verbunden und von Gebüsch umgeben; die Her— 
tellungskosten desselben beliefen sich auf Fl. 415. Die Gesammit— 
zusgaben für die Hochbauten der vorliegenden Statien betrugen 
ilso rund Fl. 3900. Sollte das Aufnahmegebäude auch eine 
Wohnung erhalten, so würde sich ein Anbau neben dem Buregu 
nothwendig zeigen, oder es würde sich empfehlen, Burrau und 
Wartezimmer neben einander anzuordnen und die Wohnung in 
den ersten Stock zu verlegen; allerdings ist auch in diesem Falle 
»in kleiner Anbau für Trepre, Küche xc. erforderlich. 
Ueber Grundsätze der Formstein— 
Verwendung. 
Vortrag des Herrn Prof. Otzen, gebalten in der XXIII. General-— 
ersammtung des „Deutschen Vereins für Fabrikation von Ziegeln, Thon— 
waaren, Kalk und Cement“.) 
Fortsetzung und Schluß.) 
Cassel war nicht so glücklich in der Ausführung, aber es 
hatte das Glück, an der Schule den Lehrer Ungewitter zu haben, 
dem es zwar nicht vergönnt war, die Dinge auszuführen, der 
iber durch seine Kombinationen und Entwürfe im Geiste des 
Backsteinbaues außerordentlich dazu beigetragen hat, um an 
inderen Orten wiederum das Verständniß und das Vermögen 
zu erwecken. 
Beide Richtungen waren streng auf die konstruktive Ader 
gestellt und je länger desto mehr kam es den Herren zur Ueber— 
zeugung, daß nur darin ein dauerndes Heil liegen könne. 
Die Berliner Schule war ja tief in den Banden der Klassi— 
ität, und es hat lange gedauert, ehe auch nur eine Spur frischen 
Geistes in die Bewegung, welche sich in der Thonwaarenindustrie 
zeigte, hineingekommen ist. Auch hier, wie auf so vielen Ge— 
ieten, war es Schinkel, der merkwürdig weit seiner Zeit voraus— 
ging und der in der That an vielen Orten Einzelheiten und 
Züge seines Geistes hingesetzt hat, die nur einer späteren 
Weiterentwickelung bedurft hätten und eines klaren Auffassens 
eitens seiner Schüler und Nachfolger, um auch zu guten Resul— 
aten geführt zu werden. Aber diese fanden sich nicht, und die 
entwickelungsfähigen, von Schinkel gelegten Keime mußten ab— 
sterben. Die betreffenden Bauten zeigen ja auch einen über— 
viegenden Einfluß klassischer Denkweise und nur der schöpferische 
Benius reißzt Schinkel namentlich da, wo es sich um Erfüllung 
neuer praktischer Bedürfnisse handelt, weit darüber hinaus. 
Selbst die Messungen und Zeichnungen, die im Auftrage 
»es preußischen Ministeriums von den alten märkischen Back— 
steinbauten aufgenommen wurden, die ja ein überraschendes 
Resultat zu Tage förderten und im übrigen Deutschland mit 
ziner wahren Begeisterung aufgenommen wurden, hatten in 
Berlin selbst nur das Resultat, daß man vielleicht mit etwas 
nehr Achtung von den alten Sachen sprach, und daß man diese 
Dinge wie werthvolle archäologische Reste behandelte, ohne auch 
aur den ernstlichen Versuch zu wagen, diese wirklich schöpferisch 
ieu zu gestalten. 
Es stammen ja aus der Zeit eine Reihe Berliner Bauten, 
iber kein damaliger Bau trägt den Charakter, den man hätte 
erwarten sollen, sondern mehr und mehr sind sie in den Bauden 
»er Schule gehalten und als solche ziemlich zur Unfruchtbarkeit 
»erdamnt, so daß wir es dabei mit lauter Experimenten, theil— 
weise mit Verschmelzung antiker und mittelalterlicher Formen, theil— 
veise aber mit Nachahmung von Hausteingebilden zu thun haben. 
. In neuerer Zeit ist dies anders geworden. Die Berliner 
Schule hat in den letzten zehn Jahren viele Zöglinge entlassen, 
durch welche auch die Liebe zu der alten heimathuchen Kunst 
vieder in's Leben getragen wurde, und wir sehen zu unserer 
reude in den Provinzen die Spuren davon aus“ der Erde 
schießen und auch in Berlin, wo es'nur irgend zulässig ist, einen 
zuten Backsteinban zut Verwendung kommen. 
Vielfach fördernd und im besten Sinne neugestaltend hat 
dazu die Stadtbahn gewirkt, und die Versuche an solchen großen 
Bauten, wie die Station Friedrichstraße und Börse, neu und 
nodern, aber vollständig im Geiste der alten Form zu gestalten, 
haben in hervorragender Weise dazu beigetragen, um für die 
neue Auffassung der schöpferischen Behandlung' der Dinge Pro— 
baganda und Stimmung zu machen. 
Es ist merkwürdig genug, daß wir soviel Zeit gebraucht 
saben, um uns auf den Reichthum unserer alten Schätze zu be— 
innen, und es ist um so eigenthümlicher, als alle Länder um 
ins herum, selbst minderbedeutende und kleine Länder, wie 
Belgien, Holland, Dänemark, auf das Emsigste und Peinlichste 
»emüht gewesen sind, jede Spur von nationaler Eigenthümlich— 
eit und nationaler Kunst sorgfältig zu hegen und zu pflegen. 
—EVV00 
ich benrüht, in den letzten zwanzig Jahren mit größter Energie 
daran zu gehen, diese Form der Holzbauten in Steinbau um— 
uprägen. Nicht immer mit Glück, aber jedenfalls ist doch das 
Bestreben vorhanden, die Schätze der Alten, welche diese ihnen 
iberliefert haben, als unerläßliches und unverlierbares Vermächt— 
riß weiter zu hegen und zu pflegen. 
Wir haben in unserer nordischen Tiefebene einen Schatz, 
vie ihn besser kein anderes Volk auf der Erde besitzt, und sind 
erst sehr langsam dazu gekommen, ihn zu heben und wieder neu 
uu geftalten und zu versuchen, das Erbtheil, welches uns unsere 
Väter hinterlassen haben, in Anwendung auf unsere modernen 
Verhältnisse umzugestalten. 
Jetzt aber ist ja auch dies in ein besseres Fahrwasser ge— 
angt, und immer mehr reisen auch die Architekten der Berliner 
Zchule, anstatt lediglich nach Italien sich zu wenden, nicht blind 
in alledem vorüber, was Deutschland, namentlich Norddeutschland, 
zietet; sie bereisen auch die Provinzen der norddeutschen Tief— 
bene, studiren die alten Bauwerke und versuchen sie mit mehr 
»der weniger Glück nachzuahmen. 
Diese Erscheinungen in der Gegenwart haben ja auf Ihre) 
Fabrikation einen belebenden und fördernden Einfluß gehabt, und 
ch kann sagen, daß diese Gestalt der Bewegung, die rein geistig 
ʒu Anfang des Jahrhunderts auf dem Gebiete der Literatur be— 
jonnen hat, in einer gewissen Weise hier in diesem Saale zum 
ꝛersönlichen Ausdruck kommt. 
Eine ganze Reihe von Fabrikanten aus Ihrer Mitte sind 
n den letzten Decennien zu einer derartigen Verfeinerung auch 
hrer Leistungen gelangt, welche heute durch die Verfeinerung 
des Ziegelbaues bis zur künstlerischen Höhe verlangt werden muß. 
Es ist ja interessant, zu sehen, wie nichts Neues unter der 
Sonne eristirt, und wenn man im Vergleich mit unserer mo— 
ernen Bewegung auf die geschichtliche Bewegung in der Thon⸗ 
vaarenindustrie einen Blick wirft, so sieht man, daß alle Dinge 
ich in einem Kreislauf drehen und daß man wenig Ursache 
at, hochmüthig zu werden über das Scherflein, was eine einzelne 
Heneration dazu beizutragen im Stande ist. 
Es wird Sie z. B. wohl interessiren, den geschichtlichen 
Verlauf des Formats der Ziegelsteine zu betrachten. Es ist ja 
vahrscheinlich, daß die Uebersieferung und die Reste römischer 
ziegelbauten am Rhein den ersten Anstoß wie das Vorbild zu 
der ganzen Fabrikation des Mittelalters gegeben haben. Sodaun 
‚aben bedeutende Klostermänner, wie Bernhard von Hildesheim, 
zereits Ziegeleien angelegt und diese Technik weiter nach Norden 
erbreitet über Westfalen, Hannover und durch die Hülfe des 
Deutschordens nach Ofstpreußen, Westpreußen und Polen hinein. 
Diese römischen Ursprungsziegel, die ja noch in Trier zu sehen 
ind, sind nun ganz flache Ziegel. Sie sehen aus, wie unfere 
Biberschwänze, ünd der Moͤrtel spielt dabei eine ganz bedeutende 
soslle. Glücklicherweise ist der Moöͤrtel, den die alten Römer 
ergestellt haben, besser, als der meiste, den wir verwenden, 
der sie haben bessere Baumeister gehabt, die nicht im Winter 
ebaut haben, jedenfalls aber naß und nicht trocken, wie unsere 
Vohnungs-Spekulanten. Jedenfalls ist der Moörtel, der sich in 
en alten römischen Bauten findet, fast unzerstörbar und ist zu 
dalkstein geworden und in dieser Weise auf uns gekommen in 
iner Frische, wie wir es in der Basilika zu Trier vor uns haben, 
aß man glauben könnte, dieses Bauwerk fei zehn Jahre alt, 
vährend es seine zwei Tausende von Jahren auf dem Scheitel 
ält. Dann kommt die Entwickelung in den ersten Jahrhunderten 
der Kolonisation, also die aus dem elften und zwölften Jahr⸗ 
jundert, namentlich aus dem zwölften Jahrhundert. Da aändert 
ich nun das Format um und wir sehen merkwürdigerweise, daß 
eine Backsteingröße entsteht, welche dem heutigen Normalformat 
annähernd aleich ist. Die etwaige Ueberganasform aus dem 
J ). Wir bitten zu berücksichtigen, daß Vorstebendes ein von Herrn Pro 
essor Otzen gehaltener Vortrag 'ist Die Mod
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.