Zur Wiedereinführung der obligatorischen Meisterprüfung.
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Zur Wiedereinführung der obligatorischen Neisterprüfung.
Von Dr. jur. F. C. Huber, Dozent an der technischen Hochschule und Sekretär der Haudelskammer zu Stuttgart.
Bauarbeiten die Thätigkeit der wirklich Sachverständigen un—
zebührlich verdrängt, und daß der wachsende Mangel an Sach—
kenntniß die Gefahren bei der Ausführung von Bauarbeiten
sowohl, wie bei der Benutzung der hergestellten Bauwerke in
»edenklicher Weise vermehre.
Diese vier Gründe haben mit den allgemeinen Klagen des
Kleingewerbes etwas Gemeinsames, insofern dieselben auf dem
noralischen und tech nischen Rückgang des Lehrlings-,
Besellen- und Meisterwesens fußen.“ Auch sind hier wie
hort die beiden Gesichtspunkte maßgebend, was nämlich den Ruf
aach dem Prüfungszwang bezw. dem Befähigungsnachweis eigentlich
geweckt hat und was von dessen Einführung erwartet wird, sowie:
velche Wirkung die letztere für die zukünftige Entwickelung des
Handwerks voraussichtlich nach sich zieht und ob nicht wirksamere
Abhilfemittel gegen die Uebelstände gegeben sind, aus welchen
heraus der Wunsch nach dem Befähigungsnachweis erwächst.
Seit einer Reihe von Jahren wird aus den Kreisen der
Bauhandwerker Klage darüber geführt, daß die durch die Reichs—
gewerbeordnung bewirkte Aufhebung der obligatorischen Meister—
prüfung für das Baugewerbe zu erheblichen, auch das allgemeine
Interesse schädigenden Mißständen geführt habe. Die Frage, ob
in Berücksichtigung dieser unermüdlichen Vorstellungen ein Hesetz—
geberisches Einschreiten notbhwendig oder zweckmäßig erscheint,
hat schon den Reichstag beschäftigt, und zwar in dem reichs—
partheilichen Antrage, welcher mit den andern Anträgen über den
Befähigungs-Nachweis in der Reichsstags-Sitzung vom 24. v. M
an eine Kommission verwiesen worden ist. Dieser — verhältniß
mäßig noch acceptabelste — Antrag, wonach für einige Gewerbe,
welche bei mangelhafter Ausführung Leben und Gesundheit der
Mitbürger gefährden, die Ablegung einer technischen Meister—
prüfung verlangt wird, giebt den geeignetsten Maaßstab für die
Beurtheilung der weitergehenden Anträge ab. Sowohl aus
diesem Grunde, als auch deshalb, weil daraus deutlich hervor—
geht, zu welchen Konsequenzen es führt, wenn man ein Prinzip
in der Gewerbegesetzgebung durchlöchert, geben wir im folgenden
eine erschöpfende Uebersicht über den Stand dieser Frage.
Auf den ersten Anblick erscheint das Ansinnen der Bau—
gewerbetreibenden als unverfänglich und als begründet, da der
Umstand, daß von der Mehrzahl der Fachgenossen dasselbe unter—
stützt wird, doch darauf hinweist, daß besondere Mißstände vor—
liegen müssen. Sonst ist zwar der Wunsch von Gewerbe—
treibenden, es möge ihren jüngeren Konkurrenten eine Last auf—
erlegt werden, noch nicht ein Grund dafür, daß ihnen die Re—
gierung, welche über den Parteien sich halten muß, auch diesen
Gefallen wirklich erweist. Aber doch verdiente hier die Ein—
müthigkeit sachliche Beachtung, insofern in ihr ausgedrückt liegt,
daß nicht nur ein dringendes Bedürfniß für die Aenderung der
Gesetzgebung vorhanden ist, sondern daß auch dieselbe berechtigte
Interessen nicht verletzt und die Zufriedenstellung der Petenten
nicht im Gegenlager Unzufriedenheit und Gährung hervorrufen
würde. Wäre also diese Einmüthigkeit in der That vorhanden,
so wäre sie ein Beweis für die Berechtigung des Antrags. Aber
diese Voraussetzung steht auf schwachen Füßen; thatfächlich kann
man nur so viel behaupten, daß — und dies ist immerhin ein
beachtenswerthes Indizium — bei den Baugewerben eine groͤßere
Majorität als bei den andern Gewerben für den Prüfungszwang
ist. Denn in Süddeutschland, im Rheinland und in Elsaß—
Lothringen giebt es einen ansehnlichen Bruchtheil von Bau—
zewerbektreibenden, welche den Antrag, der mehr in norddeutschen
Kreisen seine Anhänger hat, bekämpfen. Im „Deutschen Baugewerks—
blatt“ z. B. welches seit Jahren die Frage der obligatorischen Meister—
prüfung, besonders 1884 und 85, behandelt, treten nur vereinzelte
Stimmen für den Antrag auf. Noch mehr wird die Beweis—
kraft dieser angeblichen Einmüthigkeit dadurch geschwächt, daß die
Petenten in Norddeutschland den Prüfungszwang nur als eine Ab—
schlagszahlung für die weitergehende Forderung des Innungs—
zwangs ansehen, während der Mehrheit unserer süddeutschen
Baugewerksmeister dieser Hintergedanke unsympathisch ist; es ist
dies auch der Grund, weshalb bisher die Versuche der „Verbands
deutscher Baugewerksmeister“, dieselben zu einem engeren An—
ichlusse zu bewegen, gescheitert sind. Der allgemeine Wunsch
der Fachgenossen und dessen unermüdliche jahrzehntelange Wieder—
holung ist also noch nicht, wie in der Petition hervorgehoben
wird, ein Grund für dessen Berücksichtigung. Vielmehr weist
die angedeutete Doppelströmung darauf hin, daß dem beantragten
Prüfungszwang eine größere Tragweite innewohnt, als man auf
den ersten Blick vermuthet.
Gehen wir auf die sachlichen Gründe für die beantragten
Gesetzesänderung über, so kann man deren vier anführen. Der
erste ist noch etwas persönlicher Natur, auf der wünschenswerthen
Hebung des Standesbewußtseins und der Standesehre
aufgebaut und mit dem zweiten, der Hebung der technischen
Fachbildung, zusammenhängend.
Weiter wird in den hierauf bezüglichen Vorstellungen und
Petitionen darauf hingewiesen, daß durch die fortwährende zu—
nehmende Konkurrenz Unbefähigter bei der Ausführung von
II.
Untersuchen wir zunächst die eine Motivirung mit dem zu
hekämpfenden Rückgang der technischen Fachbildung, so
väre erst noch klarzustellen, ob ein solcher in der That statt—
zefunden hat; denn von manchen Technikern, zum Beispiel im
„Deutschen Baugewerksblatt“ Jahrg. 1883, S. 406, wird dies
»estritten. Man liebt es heutzutage zu sehr, nach rückwärts zu
chauen, in der Erinnerung an die Meisterwerke, an die Dome,
in die hohe technische Leistungsfähigkeit der früheren Zeit zu
chwelgen und man denkt nicht daran, daß noch kein Jahrhundert
zerade auf dem bautechnischen Gebiete so Vieles und so Groß—
artiges geleistet hat, als das unsere. Es verhält sich hier wohl
ihnlich, wie mit dem Kunstgewerbe, über dessen niederen Stand
uch immer geklagt wird, während es heute so viel und so Ge—
»iegenes leistet, als zu irgend einer Zeit. Anderseits ist das
Sprüchwort „Mäurer sind Leirer“ doch schon zu der Zeit auf—
zekommen, da die Zwangsprüfung im Flor stand. Jedenfalls
ist die in der fraglichen Petition ausgesprochene Annahme, daß
im Baugewerbe mehr als bei den andern Gewerben, „die Aus—
hildung eines fachkundigen Meisterstands in Frage gestellt werde
und die technischen Leistungen im Rückgange begriffen seien,“
zu allgemein, und die Behauptung, daß der Grund hiervon in
dem Mangel einer Meisterprüfung liege, zu gewagt. Da wären
ga die ausländischen Baugewerke, die von einer solchen nichts
wissen wollen, gar schtimm daran. Ueberhaupt ist wohl un—
hestreitbar, daß die Auswüchse der Gewerbefreiheit weniger auf
dem technischen, als auf dem sozialen Gebiete liegen. So hat
die fragliche Abnahme der Zahl der Meister ihren Grund zum
Theil in der neuzeitlichen Zentralisirung der Gewerbe und in
»em verstärkten Zuzug in die größeren Städte, also in einer
»olkswirthschaftlichen Umwälzung, gegen welche Zwangsprüfungen
machtlos sind.
Gehen wir von der Thatsache (des beklagten Mißstands)
zu der Untersuchung des vorgeschlagenen Abhilfemittels über, so
ist zunächst zu betonen, daß der Pruͤfungszwang früher rationell
ind von Nutzen war, da er aus einem innern Bedürfniß natur—⸗
zemäß herausgewachsen war und da ihm in der damaligen Ge—
»undenheit der Kundschaft ein naturgemäßes Acquivalent gegen⸗
iberstand. Heute sind diese Kunden- und Bezugsverhältnisse
ganz andere. Wenn auch auf dem Lande die Zahl der allseitig
urchgelernten und geschickten JZimmer- und, Maurermeister ab—
rimmt, so erleichtert es der heutige Verkehr, im Bedarfsfall
einerseits Spezialisten zu berufen, andrerseits Spezialitäten fertig
zu beziehen. Hier wie in den anderen Gewerben wäre es manch⸗
nal sogar ein Luxus, die gleiche Durchbildung wie früher zu
»erlangen oder zu erlangen, da die Nachfrage sich anders ge—
taltet und die Arbeitstheilung sich verfeinert hat. Zudem haben
wir, falls je ein Rückgang vorhanden ist, auch hiergegen —. ab—
gesehen von dem 8. 1000 der R.-G.-O. — wirksamere Mittel,
ils den Zwang: es ist dies einmal das ausgebildete Fortbildungs—
und Baugewerksschulwesen, sodann die in Württemberg, Sachsen
und Mecklenburg bestehende freiwillige Werkmeisterprüfung,
ndlich die Lehrlingsprüfung, die schließlich auch zu einer obli—