Die Ausstellung für Unfallverbütuug und das Baugewerbe
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Jarth, im ersten Stocke hat Franz Spengler (Alte Jakobstraße
Nr. 6), ein luftdichtes wetterfestes Patent⸗Panzer-Doppelfenster
angeschlagen. Im zweiten Geschoß findet man eine Modell—
ausstellung der Innung der Berliner Dach- und Schieferdecker—
meister. Sehr praktisch erscheint hier die Anwendung gabel—
förmiger Stuͤtzlatten für Laufbretter, sowie die Anbringung
von Schneefangeisen, deren geringe Höherführung unter An—
wendung von Behlen auch in vielen Fällen wohl persönlichen
Schutz gewähren würde. Im dritten Stock folgen weitere Me—
delle abgebundener Gerüste und solche von Leitergerüsten, aus—
gestellt von der Innung geprüfter Maurer- und Zimmermeister
in Leipzig, ferner Beiträge, Vorschriften u. s. w der Tiefbau—
Jenossenschaft und am Dache noch ein von der Dachdeckerinnung
ausgestelltes Hängegerüste mit Führungsseil (in Oesen), wobe
Seilermeister Morit Lohse in Rixdorf (Berlin) als Verfertiger
olcher Seile für Hängegerüste genannt wird.
Nahe diesem Probebau, der das Hauptstück dieser Gruxpe
bildet, hat der Verein „Freie Vereinigung und Fachgenossen der
Maurer Berlins“ eine Baubude in Fachwerk ausgestellt, die aus
einem Raum für 16 Personen nebst anstoßender Geschirrkammer,
bezw. Polirstube besteht. Der Naum ist recht praklisch ausge—
nutzt und alle Theile sind leicht auseinanderzunehmen. Den er—
ziehlichen Zweck, den dieses „anspruchslose“ Häuschen nebenbei
verfolgt, verkündet der Hauptgegenstand der Wandausschmückung,
das ist eine Tafel mit Unfallverhütungsvorschriften. Diese lieft
man jedenfalls lieber im Trocknen. Hier anzureihen wären: als
Gerüstmodelle dasjenige in der Abtheilung des Reichsversicherungs—
amtes, vom Architekt C. Heidrich (Nr. 1192 in Saal EK.), das
durch Einfachheit und Gediegenheit sich auszeichnet, ferner das
zroße Modell der Maurer- und Versetzrüstungen des Reichstags—
baues von den Ramelow'schen Erben, Krebs und Lauenbutg,
ausgestellt von Krebs, Lauenburg und G. W. Scharnwerber.
Dabei sind in klarer, mustergiltiger Weise auch die Versetzvor—
richtungen in den verschiedensten Bauabschnitten dargestellt und
zwar mit besonderer Berücksichtigung der neuesten, daselbst
ausgeführten Deckenwölbungen zwischen eisernen Crägern. Das
Herüst stellt sich in theoretischer wie praktischer Hinsicht als
eine tüchtige Leistung dar, wie sie eines so hervorragenden Bau—
werkes würdig ist. (Ausgestellt im Saal J., Nr. 1191.) Ein
naicht weniger umfangreiches Baumodell ist das von dem Tech—
nischen Verein der in Augsburg veranstalteten Ausstellung Augs—
burger Industriellen angehörige einer modernen Baumwoll-
spinnerei aus Eisen und Zement, wobei der Hauptwerth auf
unbedingte Feuersicherheit gelegt ist. (Saal J., 1170.) Es isti
das ein langgestreckter Bau von 32 Axen mit steinernen Treppen—
häusern an den Saalenden und einer eisernen Nothtreppe, von
der Mitte des Saales in jedem Geschoß unmittelbar in's Freie
führend. Solcher eisernen Treppen, deren Absätze in jedem Steock
in der Höhe der Fensterbrüstung liegen, sind auch einige in
Berlin vorhanden, so in der Louisenstraße und in der Wilhelm—
straße bei einem Hintergebäude, das als Tischlerei eingerichtet ist.
Im Innern dieser Spinnerei ist der Betrieb scharf getrennt.
Der Transmissionsraum für den Seilantrieb ist für sich ab—
zeschlossen, auch Ankleide- und Waschräume u. s. w. sind von
dem Hauptsaal nicht unmittelbar zugänglich. Vor den letzgenann—
ten Räumen sind besondere offene Gallerien in zweckmäßiger
Weise angelegt. —
Kommt man ven dem Bau selbst auf die Einrichtung
und deren einzelne Theile zu reden, so muß eine Vorrichtung
von L. Beißner erwähnt werden, vermöge deren sich bei Oeffnen
einer Bodenluke selbstthätig eine Brustwehr bildet. Das betref—
fende Modell (im Nebenraum von Saat 8. No. 1171.) läßt
erkennen, daß die Luke sich durch eine zahnradähnliche Vorkehrung
hebt, die sofort selbst den sicheren Äbschluß bildet. Zur Bau—
einrichtung noch zu rechnen sind die leichtgehenden Jalousien
von Wihelm Schäfer in Naumburg, die eine große Sicherheit
beim Anschlagen wie beim Benuztzen gewähren und überdies
mannigfache Anuehmlichkeiten bieten. (J 1195). Angereiht sei
an dieser Stelle die Aufhängevorrichtung mit Schrauben sicherung
für Kronleuchter von H. Krätke, Direktor der Aktiengeseilschaft
Spinn u. Sohn (Wasserthorstraße No. 9.). In Anbetracht der
in der letzten Zeit wiederhelt aufgetretenen Unfälle durch Herab—
stürzen schwerer Kronleuchter nach Ausscheeren und Blindgehn
der Schrauben verdient der an und für sich winzige Gegenstand
alle Beachtung (Saal U. No. 1187.). Durch die Krätte'sche
Vorkehrung wird jede Drehung und Ablösung der Kronleuchter—
zewinde unmöglich gemacht, indem an jeder der zu verbindenden
Röhren eine gerippte Scheibe befestigt ist, über welche eine
ebenso gerippte Kappe gesteckt wird. Da es wobhl kaum vorkommt,
daß Roͤhren auseinanderreißen, diese sehr praktische Vorrichtung
aber (die überall nachträglich angebracht werden kann) jede, auch
die kleinste Drehung verhindert, so bietet sie auch in allen den—
enigen Fällen Schutz, wo die Gewinde (auch selbst nur einige
Windungen) ineinandergreifen.
In naher Beziehung zu einander stehen die Sammel—
nusstellungen der Berufsgenossenschaft der Schornsteinfegermeister
des Deutschen Reiches, sowie die der Berliner Dach- und Schiefer⸗
deckermeister, welche Letzere oben schon erwähnt wurde. Daneben
bringt C. Waß (Liegnitz) eine Reihe von Zeichnungen und Ent—
würsen, die sich mit der Sicherung beim Reinigen der Schorn—
steine befassen. Früher war diese Beschäftigung ziemlich gefahr—
las, da die meisten Röhren vom Boden aus in Ordnung ge—
halten werden konnten. Gegenwärtig aber sind die Beschwer—
lichkeiten dieser „schwarzen Gesellen“ sehr große geworden, ein—
mal durch die stetig zunehmende Höhe der Gebände, dann durch
die häufigere Anordnung freistehender Schornsteine, dann durch
die oftmals unvortheilhafte Anordnung der Dachflächen. Im
Interesse der allgemeinen Sicherheit für Leib und Leben wird
aach dieser Seite hin noch recht Vieles geschehen können. E. Waß
No. 1202., Nebenraum von Saal 8) empfiehlt, Schutzgitter
in Dächern obligatorisch zu machen, die außer bei den Trauf—
anten auch an dem Knie der Mansarden wiederkehren sollen.
Dieser Vorschlag, der in Berlin übrigens schon mehrfach an—
zeregt wurde, sollte ernstlich verfolgt werden; die Kosten dafür
fallen bei einem Hausbau nicht zu sehr in's Gewicht; auch können
bei besseren Bauten diese Gitter hübsch dekorativ verwerthet
werden, während man bei einfacheren Bauten auch mit einer
einfacheren Lösung sich helfen kann. (So würde schon viel ge—
wonnen sein, wenn das Dach in Abständen von je zwei Metern
mit aufrechten Eisenstäben versehen würde, zwischen denen während
einer Arbeitsausführung Seile straff gespannt würden.) Das
Begehen der Dächer, sowie die Untersuchung gefährlicher Stellen
soll durch Laufbohlen mit Handgefänder, durch Steigeeisen u. s. w.
erleichtert werden.
Von der Berufsgenossenschaft der Schornsteinfegermeister
haben sich E. und P. Anders, F. A. Fichtner, Götz, Weber und
Wittmann, sämmtlich in Dresden, mit Albin Seyfarth in Gotha,
owie den Kreisinnungen zu Dresden und Leipzig und der Innung
der Stadt Berlin verbunden. Die hier ausgestellten Geräthe
geben einen recht handgreiflichen Beweis von der „Schwere“
dieses Berufes, der sonst so luftig erscheint, wenn diese ver—
nummten Gestalten den Mächtigsten der Erde auf das Dach
teigen, um gründliche Auskehr zu halten. Ihre Thätigkeit, bei
der sie oft ganz unerwartet angeschwärzt werden, ist eine segens—
reiche, denn sie sind es, die die Sorge tragen, daß die wich—
tigsten Kanäle des Hauses — die Schornsteinröhren — sich nicht
verstopfen, erhitzen, entzünden. Hier sieht man, was Alles dieser
Läuterungsprozeß unserer Oefen erfordert: da bringt die Dresdener
Innung eine verstellbare Reckenzaun'sche Kratzmaschine zum Ent—
fernen von Glanzruß aus kreisrunden Röhren, die Berliner
Innung u. a. ein recht sauberes Kratzeisen mit Sicherheitslatten,
eine Stoßbürste für freistehende russische Roͤhren, einen Kehr—
apparat für gewerbliche Feuerungsanlagen; C. A. Fichtner in
Dresden einen Doppel-Verschlußschieber in Dachböden, Ed. Anders
den Tober'schen Reinigungsapparat für russische Röhren mit
Spiralen aus starkem Eisendraht; ferner Scheer (Berlin) Kehr—
apparate für russische Röhren, Seyfarth in Gotha Besen mit
einer Vorrichtung, zu verhüten, daß der Luftdruck den Ruß in
die Wohnungen treibt; der Apparat ist mit einem Schlagbolzen
versehen, um ein Steckenbleiben desselben zu verhindern.
Auch G. Fuhrmann hat hier (Nebenraum zu Saal 8.) eine
Auswahl von Zeichnungen gebracht, auf denen Vorschläge für
erhöhten Schutz der Dacharbeiter durch Traufgitter, eiserne Leitern
Steigeeisen und Dachhaken gemacht werden. Mehnlichen Zwecken
dient Hartleff's Lebensschutzapparat (Saal 8. 1182.), ein Sicher—
heits-Gurt, bei dessen Benutzung das Tau an den Dachsparren
zu befestigen ist. Das Seil wird verschränkt durch eine mis
Schraube verschlossene Bremse gezogen. Hiermit gleitet der Ar—
zeiter, der die Hände frei hat, langsam hernieder und wird
elbst bei einem Zusammenbruch des Gerüstes, mit diesem Gurt