Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 49, Bd. 8, 1889)

Zur Strikeirage. — Ueber die Baukosten der Ringöfen 
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Zur Strikefrage. 
der größeren persönlichen Ungebundenheit und Selbstständigkeit, 
welche im Handwerk herrschen, alle Bewegungen gewerblicher 
Art zuerst im Handwerkerstande auftreten, dort am raschesten 
sich ausbreiten und am leichtesten in's Praktische übertragen 
werden. Wir begreifen es daher sehr wohl und wünschen 
es von Herzen, daß der so vielfach über die Schultern an— 
jesehene Handwerkerstand sich seiner gesellschaftlichen Bedeutung 
ewußt wird und auch seine berechtigten Ansprüche auf Schutz 
mit Energie geltend macht. Trotz aller Bedenken, welche gegen 
eine kriminelle Verfolzung des Kontraktbruches geltend gemacht 
werden, müssen wir in ihr ein durchaus wirksames Mittel zur 
Vorbeugung resp. Beseitigung der Massenausstände ansehen. 
Am liebsten natürlich ist es uns, wenn die vorkommenden 
Differenzen zwischen Meistern und Gesellen auf gütlichem Wege 
hre Erledigung finden, wie das während des Bestehens der 
Zünfte thatsächlich der Fall war. Die alten Zünfte und In— 
rungen wollen wir keineswegs wieder aus ihrer Vergessenheit 
hervorrufen — sie gehören nur noch der Geschichte an — aber 
das erscheint uns als eine Sache von zwingender Nothwendig— 
keit, aus ihrem Inventar einen Theil von Einrichtungen noch 
ür zukünftigen Gebrauch verwendbar zu machen. Die Ver— 
einigung der verschiedenen Unterabtheilungen eines Gewerbes 
zu einer Corporation ist und bleibt uns das Ideal unseres 
Strebens. Meister, Gesellen und Lehrlinge müssen durch ge— 
meinschaftliche Interessen verbunden werden, damit der Friede 
im Gewerbe aufrecht erhalten bleibe. Differenzen zwischen 
Meistern und Gesellen kamen naturgemäß auch in den alten 
zünften vor und werden auch in den zu neuem Leben erwachten 
Innungen fernerhin vorkommen. Aber die zur Innuugs-Ge— 
meinschaft verbundenen Glieder des Meisterstandes werden durch 
Finigkeit und brüderliches Zusammenhalten für den Kriegszu— 
stand während eventueller Massenausstände eine Macht sein, 
die der Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer ein unüberwindlichet 
Gegengewicht bietet. 
Wiederholt haben wir bei Gelegenheit unserer Betrachtungen 
über die diesjährigen Ausstände auf die Mittel, solchen in Zu— 
kunft in wirksamerer Weise als bisher vorzubeugen, hingewiesen. 
Unter den Erörterungen, welche über die vorliegende Frage in 
öͤffentlichen Blättern geführt sind, nehmen die Darlegungen der 
Preußischen Jahrbücher eine wichtige Stelle ein. Wir lassen da— 
her die Hauptsätze der gedachten Darlegung im Wortlaut folgen: 
„Man muß die Entschlossenheit haben, die sogenaunte Ko— 
alitionsfreiheit einzuschränken. Man muß die Arbeiterausschüsse 
und Einigungsämter einrichten und dann verfügen, daß jede 
Aufforderung zur Arbeitseinstellung strafbar, jede Versammlung, 
Organisatien, Bildung von Unterstützungsfonds untersagt ist, 
wegen Zwistigkeiten, die nicht vorher in dem Einigungsamt ver— 
handelt worden sind. Damit bleibt der Kern der Koalitions— 
rreibeit, das Prinzip des Streiks, bestehen, aber die praktische 
Ausführung wird auf seltene Fälle reduzirt sein. Fällt der 
Spruch des Einigungsamts zu Gunsten der Arbeiter aus, so 
werden die Fabrikanten nur sehr schwer in der Lage sein, sich 
weiter zu widersetzen; fällt er zu Gunsten der Arbeitgeber aus, 
so können die Arbeiter zwar nun doech noch streiken — ein Recht, 
das man ihnen unmöglich nehmen kann — aber die Zwischen— 
zeit ist doch für die Arbeitgeber ein sehr großer Gewinn. 
Alle Mittel der Beruhigung, der Aufklärung, der Mobil— 
machung der passiveren Elemenke in der Arbeiterschaft, welche 
den Streik vielleicht gar nicht so sehr wollen als ihn sich blos 
zefallen lassen, können in Anwendung gebracht werden, ehe noch 
die Leidenschaften gar zu stark geworden sind. So würden 
beide Theile gewinnen: die Arbeiter, daß sie durch die Aus— 
schüsse eine Repräsentation erhaltrn und durch die Einigungs— 
ämter ihre Beschwerden in regelmäßigem Geschäftsgange zur 
Erledigung bringen, ohne zu dem schwerfälligen, sostspieligen 
und gefährligen Streik zu greifen. Die Arbeitgeber, daß die 
Streikgefahr praktisch sehr verringert wird. Namentlich werden 
sie jene häßliche Sorte von Streiks los, die im Kleinen zur 
Ausnutzung momentaner Nothlagen inszenirt werden und aué 
der Sphäre der Volkswirthschaft schon mebr in die der Erpressung 
überleiten. Als Gegenleistung müssen die Arbeitgeber sich die 
Geduldprobe und Einschränkung durch die Einigungsämter ge— 
fallen lassen; die Arbeiter verzichten auf die gefährlichste Streik— 
sorm, die plötzliche Arbeitseinstellung unter nt 
Uns will es so scheinen, als wenn die öffentliche Presse in 
dieser Frage und in den Beiträgen zur Lösurg derselben einen 
sehr einseitigen Standpunkt einnchme, insofern diefelbe zumeist 
nur von den in der Großindustrie Beschäftigten redet. Wir 
vertreten in erster Linie den Handwerkerstand und nehmen auch 
in dieser Angelegenheit seine Interessen wahr. Diese Stellung— 
nahme rechtfertigt sich schon dadurch, daß einmal die Zahl der 
Angehörigen dieses Standes bis jetzt noch bei Weitem diejenige 
der in der Großindustrie Beschäftigten, der eigentlichen Fabrif— 
arbeiter, übersteigt. 
Nach der jüngst veröffentlichten Berufsstatistik des Deutschen 
Reiches find beispielsweise in der Schuhmacherei und Schneidecei, 
in der Bäckerei und Fleischerei, ferner als Grob- und (Huf⸗) 
Schmiede, als Tischler, Maurer, Zimmerer, Glaser, Anstreicher 
und Stuckatenre fast 1000 000 Personen als Selbständige 
thätig; dieselben beschäftigen über O00 000 männliche Hilfs⸗ 
arbeiter, und finden beinahe 6 000 000 Menschen (Gesammtzahl 
der Erwerbsthätigen, Dienenden und Angeboͤrigen) in diesen 
Gewerben ihr Brot. Diese Zahlen sprechen noch lauter, wenn 
wir sie vergleichen mit denen der Großindustrie. Der ganze 
Bergbau mit Hütten- und Salinenwesen, die Eisenindustrie und 
die ganze Texlilindustrie beschäftigen überhaupt nur 1739 719 
Personen, von denen noch dazu in der Textilbranche 353 70 
dem weiblichen Geschlecht angebören. Dieselben mit ihren 
Angehörigen repräsentiren eine Bevölkerung von im Ganzen 
4345 0 Köpfen. Außerdem geht für Viele der Weg zur 
Fabrik vielfach durch die Handwerksstätten des Kleingewerbes 
in welchen die besten der Fabrikarbeiter ihre Schulung em— 
pfangen. Sehr wichtige Industriezweige, wie z. B. der Ma— 
schinenbau, der Wagenbau und ähnliche, beziehen ihren Nach 
wuchs fast gusschließlich aus verwandten Handwerkern; die Zah. 
dNhepigen Arbeiter, welche sie selbst erlernen, ist im Verhältniß 
öchst unbedentend. Auch lehrt die Erfahrung, daß vermöge 
Ueber die Baukosten der Ringöfen 
ziebt Dueberg in der »Töpfer- und Ziealer-Zeitung“ foldend— 
llebersicht;“ 
Der Bau der Ringöfen wird von den Ziegeleibesitzern viel— 
fach an einen Maurermeister oder Bau Unternehmer in General— 
Entreprise vergeben, gewöhnlich mit Ausschluß der dazu erforder— 
lichen Mauersteine, welche der Ziegeleibesitzer selbst liefert; zu— 
weilen liefert derselbe auch die übrigen Baumaterialien und laͤßt 
nur die Arbeiten, also hauptsächlich die Maurer- und Zimmer— 
arbeit, durch einen Bau-Unternehmer ausführen. In beiden 
Fällen wird der Ziegeleibesitzer, wenn er nicht gründlich erfahren 
im Baufach ist, von dem betreffenden Bau-Unternehmer leicht 
äbervortheilt, indem er letzterem höhere Preise bewilligt, als wie 
sie den ortsüblichen Tagelöhnen, bezw. den Materialienpreisen 
entsprechen. Aus Anlaß zahlreicher Anfragen nach den Anlage— 
kosten von Ringöfen aller Größer veröffentlichen wir im Nach— 
tehenden eine Zusammmenstellung der für Ringöfen verschiedener 
Hröße erforderlichen Quantitäten Mauersteine, der angemessenen 
BHeldbeträge für selide Ausführung der Maurer- und Zimmer— 
arbeiten, sowie der Gesammtbaukosten der Oefen. Die in nach— 
tehender Tabelle angegebenen Geldbeträge basiren auf folide 
zebauten Ringöfen neuerer, bewährter Konstruktion; der Bau 
des Schornsteins ist in den für die Maurerarbeit angegebenen 
Beträgen mit einbegriffen, ebenso Vorhaltung der Gerüste ꝛc. 
ind das Einsetzen der Eisentheile in das Mauerwerk; selbst— 
ledend ist auch ein angemessener Verdienst für den Maurer— 
meister, resp. Bauunternehmer in jenen Beträgen eingeschlossen. 
Die angegebenen Summen entsprechen einem Tagelohn von 
3,00 Mk. für den Maurergesellen und 2 Mtk. für den Hand— 
anger; wo die ortsüblichen Loͤhne höher oder niedriger als die 
eben, genannten sind, da wird sich doch aus den —— an⸗ 
gegebenen Summen durch proportionale Erhöhung oder Er⸗ 
mäßigung derselben leicht der angemessene Betrag zur Ausführung 
der Maurerarbeiten ermitteln lafssen. 
Die Geldbeträge in der letzten Spalte nachstehender Tabelle 
*) Wir glauben, dieser Artikel verdient schon aus dem Grunde die 
Beachtung nuserer Leser, als er die in den Kreisen der Ziegelecibesitzer vor— 
handenen Gesinnungen gegen die Baugewerksmeister getreulich wiederspiegelt 
sRedakt. d. Teustsch. Baugew.-Blattes!
	        
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