Zur Strikeirage. — Ueber die Baukosten der Ringöfen
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Zur Strikefrage.
der größeren persönlichen Ungebundenheit und Selbstständigkeit,
welche im Handwerk herrschen, alle Bewegungen gewerblicher
Art zuerst im Handwerkerstande auftreten, dort am raschesten
sich ausbreiten und am leichtesten in's Praktische übertragen
werden. Wir begreifen es daher sehr wohl und wünschen
es von Herzen, daß der so vielfach über die Schultern an—
jesehene Handwerkerstand sich seiner gesellschaftlichen Bedeutung
ewußt wird und auch seine berechtigten Ansprüche auf Schutz
mit Energie geltend macht. Trotz aller Bedenken, welche gegen
eine kriminelle Verfolzung des Kontraktbruches geltend gemacht
werden, müssen wir in ihr ein durchaus wirksames Mittel zur
Vorbeugung resp. Beseitigung der Massenausstände ansehen.
Am liebsten natürlich ist es uns, wenn die vorkommenden
Differenzen zwischen Meistern und Gesellen auf gütlichem Wege
hre Erledigung finden, wie das während des Bestehens der
Zünfte thatsächlich der Fall war. Die alten Zünfte und In—
rungen wollen wir keineswegs wieder aus ihrer Vergessenheit
hervorrufen — sie gehören nur noch der Geschichte an — aber
das erscheint uns als eine Sache von zwingender Nothwendig—
keit, aus ihrem Inventar einen Theil von Einrichtungen noch
ür zukünftigen Gebrauch verwendbar zu machen. Die Ver—
einigung der verschiedenen Unterabtheilungen eines Gewerbes
zu einer Corporation ist und bleibt uns das Ideal unseres
Strebens. Meister, Gesellen und Lehrlinge müssen durch ge—
meinschaftliche Interessen verbunden werden, damit der Friede
im Gewerbe aufrecht erhalten bleibe. Differenzen zwischen
Meistern und Gesellen kamen naturgemäß auch in den alten
zünften vor und werden auch in den zu neuem Leben erwachten
Innungen fernerhin vorkommen. Aber die zur Innuugs-Ge—
meinschaft verbundenen Glieder des Meisterstandes werden durch
Finigkeit und brüderliches Zusammenhalten für den Kriegszu—
stand während eventueller Massenausstände eine Macht sein,
die der Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer ein unüberwindlichet
Gegengewicht bietet.
Wiederholt haben wir bei Gelegenheit unserer Betrachtungen
über die diesjährigen Ausstände auf die Mittel, solchen in Zu—
kunft in wirksamerer Weise als bisher vorzubeugen, hingewiesen.
Unter den Erörterungen, welche über die vorliegende Frage in
öͤffentlichen Blättern geführt sind, nehmen die Darlegungen der
Preußischen Jahrbücher eine wichtige Stelle ein. Wir lassen da—
her die Hauptsätze der gedachten Darlegung im Wortlaut folgen:
„Man muß die Entschlossenheit haben, die sogenaunte Ko—
alitionsfreiheit einzuschränken. Man muß die Arbeiterausschüsse
und Einigungsämter einrichten und dann verfügen, daß jede
Aufforderung zur Arbeitseinstellung strafbar, jede Versammlung,
Organisatien, Bildung von Unterstützungsfonds untersagt ist,
wegen Zwistigkeiten, die nicht vorher in dem Einigungsamt ver—
handelt worden sind. Damit bleibt der Kern der Koalitions—
rreibeit, das Prinzip des Streiks, bestehen, aber die praktische
Ausführung wird auf seltene Fälle reduzirt sein. Fällt der
Spruch des Einigungsamts zu Gunsten der Arbeiter aus, so
werden die Fabrikanten nur sehr schwer in der Lage sein, sich
weiter zu widersetzen; fällt er zu Gunsten der Arbeitgeber aus,
so können die Arbeiter zwar nun doech noch streiken — ein Recht,
das man ihnen unmöglich nehmen kann — aber die Zwischen—
zeit ist doch für die Arbeitgeber ein sehr großer Gewinn.
Alle Mittel der Beruhigung, der Aufklärung, der Mobil—
machung der passiveren Elemenke in der Arbeiterschaft, welche
den Streik vielleicht gar nicht so sehr wollen als ihn sich blos
zefallen lassen, können in Anwendung gebracht werden, ehe noch
die Leidenschaften gar zu stark geworden sind. So würden
beide Theile gewinnen: die Arbeiter, daß sie durch die Aus—
schüsse eine Repräsentation erhaltrn und durch die Einigungs—
ämter ihre Beschwerden in regelmäßigem Geschäftsgange zur
Erledigung bringen, ohne zu dem schwerfälligen, sostspieligen
und gefährligen Streik zu greifen. Die Arbeitgeber, daß die
Streikgefahr praktisch sehr verringert wird. Namentlich werden
sie jene häßliche Sorte von Streiks los, die im Kleinen zur
Ausnutzung momentaner Nothlagen inszenirt werden und aué
der Sphäre der Volkswirthschaft schon mebr in die der Erpressung
überleiten. Als Gegenleistung müssen die Arbeitgeber sich die
Geduldprobe und Einschränkung durch die Einigungsämter ge—
fallen lassen; die Arbeiter verzichten auf die gefährlichste Streik—
sorm, die plötzliche Arbeitseinstellung unter nt
Uns will es so scheinen, als wenn die öffentliche Presse in
dieser Frage und in den Beiträgen zur Lösurg derselben einen
sehr einseitigen Standpunkt einnchme, insofern diefelbe zumeist
nur von den in der Großindustrie Beschäftigten redet. Wir
vertreten in erster Linie den Handwerkerstand und nehmen auch
in dieser Angelegenheit seine Interessen wahr. Diese Stellung—
nahme rechtfertigt sich schon dadurch, daß einmal die Zahl der
Angehörigen dieses Standes bis jetzt noch bei Weitem diejenige
der in der Großindustrie Beschäftigten, der eigentlichen Fabrif—
arbeiter, übersteigt.
Nach der jüngst veröffentlichten Berufsstatistik des Deutschen
Reiches find beispielsweise in der Schuhmacherei und Schneidecei,
in der Bäckerei und Fleischerei, ferner als Grob- und (Huf⸗)
Schmiede, als Tischler, Maurer, Zimmerer, Glaser, Anstreicher
und Stuckatenre fast 1000 000 Personen als Selbständige
thätig; dieselben beschäftigen über O00 000 männliche Hilfs⸗
arbeiter, und finden beinahe 6 000 000 Menschen (Gesammtzahl
der Erwerbsthätigen, Dienenden und Angeboͤrigen) in diesen
Gewerben ihr Brot. Diese Zahlen sprechen noch lauter, wenn
wir sie vergleichen mit denen der Großindustrie. Der ganze
Bergbau mit Hütten- und Salinenwesen, die Eisenindustrie und
die ganze Texlilindustrie beschäftigen überhaupt nur 1739 719
Personen, von denen noch dazu in der Textilbranche 353 70
dem weiblichen Geschlecht angebören. Dieselben mit ihren
Angehörigen repräsentiren eine Bevölkerung von im Ganzen
4345 0 Köpfen. Außerdem geht für Viele der Weg zur
Fabrik vielfach durch die Handwerksstätten des Kleingewerbes
in welchen die besten der Fabrikarbeiter ihre Schulung em—
pfangen. Sehr wichtige Industriezweige, wie z. B. der Ma—
schinenbau, der Wagenbau und ähnliche, beziehen ihren Nach
wuchs fast gusschließlich aus verwandten Handwerkern; die Zah.
dNhepigen Arbeiter, welche sie selbst erlernen, ist im Verhältniß
öchst unbedentend. Auch lehrt die Erfahrung, daß vermöge
Ueber die Baukosten der Ringöfen
ziebt Dueberg in der »Töpfer- und Ziealer-Zeitung“ foldend—
llebersicht;“
Der Bau der Ringöfen wird von den Ziegeleibesitzern viel—
fach an einen Maurermeister oder Bau Unternehmer in General—
Entreprise vergeben, gewöhnlich mit Ausschluß der dazu erforder—
lichen Mauersteine, welche der Ziegeleibesitzer selbst liefert; zu—
weilen liefert derselbe auch die übrigen Baumaterialien und laͤßt
nur die Arbeiten, also hauptsächlich die Maurer- und Zimmer—
arbeit, durch einen Bau-Unternehmer ausführen. In beiden
Fällen wird der Ziegeleibesitzer, wenn er nicht gründlich erfahren
im Baufach ist, von dem betreffenden Bau-Unternehmer leicht
äbervortheilt, indem er letzterem höhere Preise bewilligt, als wie
sie den ortsüblichen Tagelöhnen, bezw. den Materialienpreisen
entsprechen. Aus Anlaß zahlreicher Anfragen nach den Anlage—
kosten von Ringöfen aller Größer veröffentlichen wir im Nach—
tehenden eine Zusammmenstellung der für Ringöfen verschiedener
Hröße erforderlichen Quantitäten Mauersteine, der angemessenen
BHeldbeträge für selide Ausführung der Maurer- und Zimmer—
arbeiten, sowie der Gesammtbaukosten der Oefen. Die in nach—
tehender Tabelle angegebenen Geldbeträge basiren auf folide
zebauten Ringöfen neuerer, bewährter Konstruktion; der Bau
des Schornsteins ist in den für die Maurerarbeit angegebenen
Beträgen mit einbegriffen, ebenso Vorhaltung der Gerüste ꝛc.
ind das Einsetzen der Eisentheile in das Mauerwerk; selbst—
ledend ist auch ein angemessener Verdienst für den Maurer—
meister, resp. Bauunternehmer in jenen Beträgen eingeschlossen.
Die angegebenen Summen entsprechen einem Tagelohn von
3,00 Mk. für den Maurergesellen und 2 Mtk. für den Hand—
anger; wo die ortsüblichen Loͤhne höher oder niedriger als die
eben, genannten sind, da wird sich doch aus den —— an⸗
gegebenen Summen durch proportionale Erhöhung oder Er⸗
mäßigung derselben leicht der angemessene Betrag zur Ausführung
der Maurerarbeiten ermitteln lafssen.
Die Geldbeträge in der letzten Spalte nachstehender Tabelle
*) Wir glauben, dieser Artikel verdient schon aus dem Grunde die
Beachtung nuserer Leser, als er die in den Kreisen der Ziegelecibesitzer vor—
handenen Gesinnungen gegen die Baugewerksmeister getreulich wiederspiegelt
sRedakt. d. Teustsch. Baugew.-Blattes!