die Auftündigung des gewerblichen Arbeitsberbältnisses. — Mittheilungen aus der Praxis.
—372
Die Aufkündigung' des gewerblichen
Arbeitsverhältnisses.
Die Aufkündigung des gewerblichen Arbeiterverhältnisses
ziebt bekanntlich vielfach zu Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern
und Arbeitern Veranlassung, indem die diesbezüglichen Para—
zraphen der Gewerbeordnung von der einen oder anderen Seite
nißverständlich aufgefaßt und ausgelegt werden. Wir haben
diesen Gegenstand dae auf Seite 364 Jahrgang 1889 des
„Deutschen Baugewerks-Blattes“ eingehend erörtert. Bei der
Wichtigkeit der Sache scheint es aber nicht unangebracht, auf
dieselbe wiederholt hinzuweisen, weßwegen wir hier die folgenden
Ausführungen darüber von J. Bauer in der Zeitschrift , Gewerbe—
chau“ wiedergeben:
Das Arbeitsverhältniß zwischen den Gesellen oder Gehilfen
und ihren Arbeitgebern kann bekanntlich, wenn nicht ein Anderes
zerabredet ist, durch eine jedem Theile freistehende, 14 Tage
vorher erklärte Auffündigung gelöst werden.
Es verdient hierbei besonders hervorgehoben zu werden, daß
uur dann zwischen Arbeitgebern und Arbeitern eine 14-tägige Kündi⸗—
Jung gilt, wenn dieselben über die Aufkündigung überhanpt nichts
iusgemacht haben. Hieraus folgt von selbst, daß die etwa
getroffenen Vereinbarungen hinsichtlich der Lösung des Arbeits-
erhältnisses zuerst Berücksichtigung finden müssen, daß es also
olle rechtsverbindliche Wirkung hat, wenn die Vertragschließenden
die Kündigungsfrist ausdehnen, beschränken oder ganz ausschließen.
Tritt ein Arbeiter irgendwo in ein gewerbliches Arbeitsverhältniß
ind es unterbleibt eine Abmachung darüber, wie es mit der
fündigung gehalten werden soll, so tritt die gesetzliche 1i-tägige
Aufkündigung für beide Theile in Kraft; es braucht aber dieselbe
eineswegs auf einen bestimmten Tag (Lohntag, Sonnabend) ge⸗
cichtet zu sein, nein, sie kann an jedem Wochentage, schriftlich
»der mündlich, direkt oder durch Mittelspersonen erfolgen. Auf
tündigung wird der Arbeiter selbst dann Anspruch erheben dürfen,
venn seine Einstel.ung auch nur „auf Probe“ oder vorläufig.
»der unter einem anderen beschränkenden, aber unbestimmten
Ausdruck erfolgte. Die vorzeitige Lösung des Arbeitsvertrages
id. h. vor Ablauf der vereinbarten Zeit oder ohne Beachtung der
ündigung) hat nachstehende Folgen:
Für den Arbeitgeber: Dieser kann zur Fortbeschäftigung
dcs Arbeiters nicht gezwungen werden, wohl aber steht es dem
Letzteren zu, ihn wegen vorzeitiger unbegründeter Entlassung
iuf Lohnentschädigung zu belangen. Die Lohnentschädigung
erstreckt sich auf die Zeit der noch laufenden Vertragsdauer, wenn
»as Arbeitsverhältniß auf eine längere Zeit geschlossen wurde,
ruf 14 Tage, wenn eine Kündigung nicht ausgemacht, auf Tage,
venn eine 8ztägige Kündigung vereinbart war ꝛc. Der Schaden⸗
inspruch wird gewöhnlich in der Forderung des vereinbarten
»der üblichen Lohnes und, falls freie Wohnung und Beköstigung
zußerdem gewährt wurde, in einer Entschädigung auch in dieser
Hinsicht bestehen. (Fur Wohnung und Kost erscheint nach der
Rechtsprechung ein Betrag von 1Mk. 25 Pf. bis 1Mk. 50 Pf.
'ür jeden Tag angemessen.)
Das Fordern einer derartigen Entschädigung setzt voraus,
daß der Fordernde von Anfang an mit der vorzeitigen Entlassung
nicht einverstanden, vielmehr bereit war, seinerseits den Arbeits—
vertrag auszuhalten, und daß er sich, so lange er Lohnansprüche
c. geltend macht, zur Verfügung des Arbeitgebers gehalten habe.
ẽEs dürfte demnach der Arbeiter vergeblich Schadenansprüche
tellen, wenn er mit der vorzeitigen und eigentlich unberechtigten
Sntlassung ausdrücklich einverstanden, oder wenn aus einem
zustimmenden Verhalten auf sein Einverständniß zu schließen
var, oder wenn er die Entlassung des Prinzipals stillschweigend
hingenemmen hat. Denn, wer da schweigt, wo er reden kann
und sell, wird als einwilligend angesehen. Will der Arbeiter
iesen Schein vermeiden, so muß er der fortschickenden Weisung
vidersprechen, bezw. derselben unter Vorbehalt seiner Rechte folgen.
Anderseits vermag der Arbeiter nur den Schaden zu fordern,
er ibhm aus dem Verhalten des Arbeitgebers erwachsen ist.
Helingt es ihm, nach feiner Entlassung wieder Arbeit zu be—
Wweg so kommt ein Entschädigungsanspruch gemeinhin in
Wegfall; nur kann er die Differeng auf die Kündigungsfrist
ordern, wenn er in seiner neuen Stelle weniger an Lohn ꝛc.
erhält, als bei seinem krüheren Arbeitgeber
Weil ferner ein Schadenersatz- Anspruch wegen unberechtigter
Aufhebung des Arbeitsverhältnisses sich nur dann rechtfertigen
aͤßt, wenn der Fordernde selbst seinen Verbindlichkeiten nach—
Alumen will, so hat das Angebot des Fortarbeitens durch den
Arbeitgeber die Wirkung, daß der Arbeiter bei demselben seine
Thätigkeit fortsetzen, oder auf den weiteren Anspruch verzichten
— Arbeitgebers vom
rage der Entlassung bis zum Wiederangebot der Ärbeit nicht
zestreiten.
Der Ausschluß jedweder Kündigung in der Art, daß sowohl
er Arbeitgeber, wie Arbeitnehmer, zu jeder Zeit vom Arbeits⸗
ertrage abgehen kann, geschieht für gewöhnlich dadurch, daß
eide Theile durch Unterschreiben eines diesbezüglichen Schrift⸗
fückes sich zu einer solchen Abmachung bekennen. Manche
ʒewerbetreibende sehen in einer, Fabrikordnung“ oder „Werkstatt⸗
Idnung“ einen solchen, die Kuͤndigung ausschließenden Paffus
jor. Letztere Maaßnahine hat aber nur daun den beabsichtigten
yrfolg, wenn der Arbeiter, den es angeht, von dieser Werkstatt⸗
rdnung ꝛc. Kenntniß hatte und sich derselben durch Annahme
er Arbeit stillschweigend oder ausdrücklich unterwarf.
Eine weitere, micht selten zu Streitigkeiten führende Frage
st die: inwieweit der Arbeitgeber den Arbeiter, ohne ihm den
'ohn fortzuzahlen, aussetzen lassen kann. Hier hat man davon
uszugehen, daß der erstere stets für genügende Arbeit sorgen
auß, um den Arbeiter zu beschäftigen, und daß daher ein Aus—
ßen oder Paufiren des Arbeiters wegen fehlender Arbeits⸗
degenheit stets auf Kosten des Arbeitgebers geschieht. Es fällt
edoch, wie bei der Entlassung, auch hier der Umstand in's Ge⸗
vicht, wie der Arbeiter die Weisung zum Aussetzen seiner Thätig⸗
eit aufnimmt; ist er ausdrücklich oder stillschweigend einverstanden,
ann steht ihm selbstredend ein Anspruch auf Lohnentschädigung
nicht zu.
Zür den Arbeiter: Gegen den Arbeiter, der grundlos und
hne vorherige Aufkündigung die Arbeit verläßt, kann der Arbeit⸗
eber auf Rückkehr klagen und verlangen, daß derselbe auf die
ereinbarte Zeit (wenn ein Arbeitsvertrag auf längere Dauer
»orliegh) den Vertrag aushält. Die im Urtheil ausgesprochene
yflicht zur Rückkehr und Fortsetzung der Arbeit darf durch An⸗
egung der Haft erzwungen werden, Dieses Verfahren kommt
elten vor und ist auch für den Antragsteller, der die Alimen—
ationsbeträge vorauszuzahlen hat, mit erheblichen Kosten ver—⸗
müpft. Im Uebrigen bleibt die Anwendung dieser Zwangs—
naaßregel bei durch kurze Kündigungsfristen (14 Tage ꝛc.) zu
zfenden Arbeitsverbältnifssen fast eine thatsächliche Unmöalichkeit.
Mittheilungen aus der Praxis.
Ueber die Eindrücke, die er vom französischen Kunst—
jewerbe auf der Pariser Weltausstellung gewann, schreibt
—„A—— Nach der Idee des
Fiffelthurms zu schließen, wer hätte nicht erwarten sollen, auch
n der ganzen französischen Kunstindustrie solche forcirte Arbeiten
u finden, Uebertreibungen der Formen, Vergrößerungen in das
dolossale, wo Maaßhaltigkeit den feinen und guten Geschmack
ekundet! Ich gestehe, daß ich auch in dieser Erwartung nach
)aris gekommen bin; ich erwartete in der ganzen Kunstindustrie,
uf welche ich es ja abgesehen hatte, eine Fülle von Eiffelthürmen
m Kleinen zu finden, ich meine nicht wirkliche Nachbildungen,
enn diese sind zahlreich vorhanden in der Gestalt von Messern,
„cheeren, Seifen, Chokoladen, Thermometern und was des Un⸗
nas mehr ist; ich meine Eiffelthürme dem Geiste und dem
zharakter nach. Aber ich muß gestehen, ich habe in dieser Be⸗
iehung durchaus nicht gefunden;,, was ich erwartet hatte. Aller⸗
ings diebt es auch in der französischen Kunstindustrie kolossale
erscheinungen, aber sie sind mehr oder weniger vereinzelt oder
edeutungslos neben dem, was sich als Regel und in der großen
Nenge darstellt. Vielmehr kann ich nicht verhehlen, daß ich die
ranzoͤsische Kunstindustrie rom Standpunkte eines reinen Ge—⸗
hmacks und einer feinen vollendeten Arbeit weit besser gefunden
abe, als je auf einer früheren Ausstellung. Die Franzosen
aben ihre Vorzüge behalten, ihre Unarten zum großen Theile,
bie sich noch im Einzelnen zeigen wird, abgelegt; sie sind so
u sagen gereinigter im Geschmacke geworden, verständiger, klüger
n den Ideen. Daß sie dabei ihre bisherigen Kunstarten und
dunftstyle, welche vorzuasweise im 18. Jahrhundert ihre Vor—⸗