Mittheilungen aus der Praxis. — Arbeiter: Wohnhaus und Kinderasol in Aussig a. E.
ehesten durch von der Behörde einerseits zu erlassende ent—
sprechende Vorschriften in den Bauordnungen, wonach unter
Anderem die Anbringung von Schutzgittern oder dem Aehnlichen
obligatorisch auf allen Dächern zu erfolgen hat, andererseits aber
von Seiten der Berufsgenossenschaften der betreffenden Gewerbe
dadurch, daß sie in ihren Unfallverhütungsvorschriften vor allem
auch diese Schutzvorrichtungen aufnehmen, und zwar schon im
eigenen Interesse.
Industrielle, welche solche Schutzvorrichtungen fabriziren,
sind zahlreich genug vorhanden, der größere Bedarf darin würde
aber diese bald so sehr verbilligen, daß die Kosten der Anbringung
derselben kaum in's Gewicht fallen, namentlich dann nicht, wenn
dadurch der Zweck, Menschenleben zu erhalten, erreicht wird.
Hoffentlich werden in der „Deutschen allgemeinen Aus—
stellung für Unfallverhütung“, deren Eroöffnung ja in einigen
Tagen bevorsteht, manche Schutzvorrichtungen zu finden sein,
unter denen solche für Dacharbeiter wohl auch nicht fehlen werden.
Sollte dies nicht der Fall sein, so müßten Industrielle dieser
Kategorien Veranlassung nehmen, auch diesen gefährlichen Ge—
werbebetrieben ihr Interesse zuzuwenden und hierauf bezägliche
Artikel noch nachträglich zur Ausstellung anzumelden.
(,„Die Berufsgenossenschaft.“).
Mittheilungen aus der Praxis.
Euglischer Kutschenlack als Anstrich für Thore von
Schlössern, Villen, Monumentalbauten, sowie für alle eleganten
Privatbauten überhaupt. In den letzten Jahren hat das An—
sttreichergewerbe gegen früher einen riesigen Aufschwung ge—
nommen und zeigt einen fast künstlerischen Anfatz; gewoͤhnlich
—DD
beiden Funktionen bei den gegenwärtigen Verhältnissen nicht
leicht zu trennen sind, obwohl noch immer beide Gewerbe ge—
jondert auftreten, aber seltener.
Wenn man jetzt durch die Straßen einer modernen Stadt
geht, seis im Inlande oder Auslande, so merkt man den auf—
fallenden Unterschied in den Anstrichen, welche gegenwärtig be—
deutend schöner und vollkommener hergestellt werden, als dies
früher der Fall war. Besondeis bemerkbar macht sich bei alten
eleganten Bauten als Thor- und Thüranstrich der englische
Kutschenlack durch sein gediegenes, blankes und höchst nettes
Ansehen; er ist relativ auch dauerhafter, als der gewöhnliche
Oelfirniß-Anstrich, aber auch sehr heikel gegen mechanische Ein—
drücke, weil er weniger nachgiebig ist, als Delanstrich und jede
Verletzung sogleich stark in's Auge fällt.“)
Der englische Kutschenlack kann auf zweierlei Art an—
gewendet werden: entweder der Lack mit Farbe vermischt, oder
zuerst Farbenanstrich und dann Lackanstrich darüber; letzteres
Verfahren ist nach den Angaben der Fachleute entschieden besser.
Der nach ersterer Methode ausgeführte Anstrich springt mit der
Zeit leicht ab, besonders bei Anwendung von Petroleumsprit und
Schellack, womit Schwindler eine für den Moment glänzende
und billige, aber nicht dauerhafte Arbeit herstellen.
Der erste Anstrich wird geschliffen. Man nimmt für diese
Lackanstriche gewöhnlich nur dunkle Farben, als: dunkelolivgrün,
schwarzgrün, dunkelnußbraun, dunkelbraunroth, schwarzblau oder
ganz schwarz; werden helle Farben vorgezogen, was sehr selten
der Fall ist, so nimmt man gelbbraun, halbnußbraun, dropp
mit braun ꝛc. Die Bestandtheile für diese Art Lackanstriche
sind meist Erdfarben (Ocker, Caput mort., Kienruß, Kölnische
Erde, Pariser Blau, Umbra, Bleiweiß, Zinkweiß, Zinkgrau,
Zinkgrün, Krapp, Englisch Roth ꝛc), verschiedene Firnisse und
Harzlösungen (CCopal-, Mastixs, Asphalt-, Bernstein-, Schellack,
Terpentinlacke und Firnisse, Leinöl kaltgepreßt und mit Bleizucker—
oder Braunsteinsiccativ präparirt ꝛc.).
Dem Anstrich geht gewöhnlich eine Beizung voraus, deren
Farbe der zu erzielenden Erdfarbe entsprechend sein muß, doch
verfahren Manche auch wie bei gewöhnlichem Oelanstrich mit
mehrmaliger Grundirung.
*). In Paris und London war der Kutschenlack für Thor- und Thür—
Anstrich schon seit einiger Zeit in Anwendung und wurde allmälich auch
in anderen Ländern Mode; er machte sich durch seine bohe Vornehmbeit
bald sehr beliebt; da man jedoch aus verschiedenen Gründen hierfür mehr
dunkle Farben wählt, so erscheint dieser Lackanstrich meistens sehr düster
Die Anstriche werden sehr oft wiederholt [5 —15 Mal)]“)
und sollen auch stets, jeder für sich, abgeschlifsen werden nach
dem jeweiligen vollständigen Trocknen. Zum Abschleifen benutzt
man feines gesiebtes und geschlemmtes Bimssteinpulver, Trippel
gepulvert oder Bolus, welche Pulver mit Wollrüscheln oder
weichen Filzstücken aufgerieben werden. Mit der letzten Politur
und dem letzten Firniß (Bernsteinlack, Mastix ꝛc.) wartet man
bis zum Schluß der ganzen Herstellung; zum Feinschliff und zur
Politur benutzt man nur sehr feine, weiche Wollbüschel, in Pe—
roleum geträukt, welches mit feinem Olibvenöl versetzt ist, oder
Benzin mit Leinöl; zum gänzlichen Schluß nimmt man feinste
Wolllappen mit wenig Spiritus (natürlich nicht denaturisirter
angefeuchtet und fährt damit ganz leicht einige Male über die
Lackfläche hin und her, bis sich der vollständige gleichmäßigste
Hlanz und eine tadellose, spiegelnde Fläche ohne jeden Makel zeigt.
Es ist selbstverständlich, daß so ein Anstrich in Folge *
bis zehnfacher Arbeit auch das Fünf- bis Zehnfache kostet und
die Arbeit überhaupt nur von den besten und verläßlichsten
Arbeitern gut gemacht wird, welche an und für sich schon höͤher
entlohnt werden müssen, als gewoöhnliche Anstreichergehilfen;
daher muß sich auch der Besteller solcher Arbeit den eventuell
hohen Preis wohl gefallen lafsen.
Die neuen Lackanstriche sind aber für alle Betheiligten
durch ihre Eleganz so verlockend und durch das noble Ansehen
so bestechend, daß sie immer mehr und mehr in Aufnahme
'ommen.
Es muß schließlich bemerkt werden, daß alle zu diesem
Ldack-Anstriche verwendeten Materialien nur von der besten
Qualität sein müssen, da man mit geringen Farben und
Firnissen keine gute Arbeit liefern kann, wie es hierbei ge—
wünscht wird und in der Natur der Sache liegt.
Die verwendeten Grundbeizen sind sehr verschieden: Gall⸗
äpfeltinktur (galläpfelsaures Eisen), Eisenvitriol-Lösung oder
Schwefelsäure (Verhältniß 1: 25 —50 mit Wasser vermischt),
Salz und Essig mit Wasser verdünnt, Allaunlösung, Blauholz⸗
und Campecheextrakt, Saflor und Sandelholzextrakt, u
'arbe, Gelbholzextrakt, Terra japonica (Catechu), Curcuma-—
wurzelextrakt ꝛc. L. T-
.
*) Wenn man sehr feine, aber alte und abgenützte Kutschen au den
Ecken ansieht, so bemerkt man leicht die verschiedenen Auftragsschichten der
Farbe und des Lackes; dasselbe wäre der Fall bei in solcher Weise be—
handelten Thoren und Thüren.
Arbeiter-Wohnhaus und Kinderasyl in Aussig a. E.
(Mit acht Abbildungen.)
Von den Anlagen, welche die Pflege des geistigen Wohles be—
zwecken, sind vor Allem die Einrichtung von Schulen, Kinderasylen,
Fortbildungskursen zu nennen, welche entweder direkt oder durch
Unterstützung seitens einzelner humaner Fabriksherren in's Leben ge—
rufen, oder lebensfähig erhalten werden. In dieser Beziehung hat
der Verein für chemische und metallurgische Produktion zu Aussig a. E.
Großes geleistet und eine Reihe von gemeinnützigen Anstalten in's
Leben gerufen, deren praktische Ausführungen es verdienen, sie aus—
führlich zu schildern.
Die bis jetzt von dem genannten Vereine hergestellten Anlagen
uimfassen Arbeiter-Wohnhäuser, Aufseherwohnhäuser, Arbeiterbaracken,
Schlafsäle, Asylhaus, Kinderasyl, Bäder, Krankenzimmer, Waschhaus,
Restauration und ein Lebensmittelmagazin. Wir geben nachstehend
nach dem „Bautechniker“ einige Daten hierüber:
In Aussig sind 220 Familien mit 1020 Personen, in Kralup
31 Familien mit 62 Personen und in Ebensee 17 Familien mit
32 Personen, daher zusammen 268 Familien mit 1124 Personen in
Arbeiter-Wohnhäusern der Gesellichaft untergebracht.
Die Wohnungen sind den Arbeitern unentgeltlich, ohne jegliche
Zinszahlung überlassen.
Die Fabrik Aussig hat 44 Wohnhäufer in den ver'schiedenen
Typen ausgeführt. Bei allen Wohnungen ist auf möglichste Isolirung
der einzelnen Familien Rücksicht genommen. Für Aufseher bestehen
die Wohnungen aus 2 Zimmern, Kammer, Küche und Kellerraum,
für bessere Arbeiter aus 2 Zimmern, Küche und Kellerraum, für ge—
wöhnliche Arbeiter ohne Familie aus Zimmer, Küche und Kellerraum.
Dabei sind die Wohnungen so gestaltet, daß die meisten Arbeiter auch
noch im Beiitze eines kleinen Stalles sind zur Züchtung von Geflügel,
Schweinen ꝛc. Ebenso erhalten alle besseren Arbeiter ein Stück Feld
zur unentgeltlichen Benutzung behufs Anpflanzung von Kartoffeln,
Bemüse ?x