Bautechnische Notizen. — Vermischtes.
beitungsfähige Massen erzeugt, so werden in den, von dem Ingelheimer
Werk konstruirten Apparaten unter Einwirkung des oben g schilderten
Druckes, bei Zuhilfenahme von unter Dampfdruck stehendem heißen Wasser
Sandstein-Quader geschaffen, die selbst der Fachmann von dem Natur
produkt nicht zu uiterscheiden vermag.
Damit ist die Möglichteit gegeben, auch in solchen Gegenden vorzüg
lichen Sandstein zu erzeugen, die nach der Richtung des natürlichen
Sandsteines von der Natuͤr vernachlässigt sind, und dies Alles unter
Aufwendung von verhältnißmäßig so geringen Kosten, daß selbst eine
an natürlichem Sandstein reiche Gegend hinter diese Verhältnisse zurück
treten muß.
Der Natur der Sache nach haften dem gewachsenen Sandstein zu—
fällige Eigenschaften an, welche, sofern sie der Verwendung entgegenstehen
bei der künstlichen Herstellung vermieden werden, sofern sie die Verwen—
dung begünstigen, verliehen werden können.
Der künstliche Sandstein, wie schon oben bemerkt, kann in verschie—
denen Härten, in verschiedener Körnung und in wechselnder Farben—
nuancirung hergestellt werden. Seine Masse ist homogen, bietet keint
Spalten und Risse, die später verderblich werden und weist innerhalb
seines Gefüges keine Lagerschichten und keine störenden fremden Einlagerungen
auf. Seine Bearbeitung, schreibt man dem „Gewerbebl. f. Hessen“, ist
deshalb leichter und sicherer, als die des Natursteines.
Aus den oben geschilderten Eigenschaften, sowie aus der Zusammen—
setzung dieses Kunststeines geht für den Kenner zur Genüge hervor, daß
derselbe auch im Punkte der Wetterbeständigkeit dem natürlichen Material
überlegen ist.
Auch der Kunstsandstein erhärtet an der Luft unter Aufnahme von
Kohlensäure immer mehr und erreicht die für die Dauerhaftigkeit der
Skulpturen wünschenswerthe Härte.
Diese in Ingelheim entstandene Sandstein-Industrie hat hier in
Berlin die größte Beachtung gefunden und schweben seit wenigen
Tagen die lebhaftesten Verhandlungen behufs Uebertragung dieser Industrie
nach dem Norden von Deutschland, von denen nicht unwesentliche berecits
ihren Abschluß gefunden haben.
Auf diese Weise hat sich Ingelheim zum Ausgangspunkt einer nicht
blos für Deuischland, sondern weit über dessen Grenze hinaus bedeutungs—
vollen Indust ie gemacht. — r.
Fehlerhafte Dachkonstruktion. Vor zwei Jahren ist bei Leipzig
eine neue Schule erbaut worden, die nach den neuesten Erfahrungen sür
Schulbauten in jeder Beziehung solid ausgeführt worden ist. Das ziem—
lich große Haus besteht aus Untergeschoß, Erdgeschoß und zwei Ober—
geschossen. Tas nach allen Seiten hin abgewalmte Dach desselben ist
mit den jetzt so vielfach verwendeten Falzziegeln in ziemlich flacher Neigung
— etwa U, bis U — gedeckt worden. Bald nach Vollendung des Gebäudes
bezw. der Dachdeckung, zeigte sich, daß diese nicht im Stande sei, das
Eindringen der Feuchtigkeit, besonders bei heftigen Regengüssen, abzuhalten
das Wasser fand vielfach Eingang durch das Dach und richtete viel
Schaden an. Alle Versuche, die Ziegelsugen durch Verstreichen mit
Cementmörtel u. s. w. zu dichten, sind bis beute mißlungen. Das TDach
ist und bleibt ein sehr unangenehmer, kostspieliger Baufehler. Die zu
Rathe gezogenen Sachverständigen erklärten übercinstimmend, daß die Art
der Dachdeckung, sowie die Ziegel selbst nichts zu wünschen übrig lassen,
und daß nur die gedrückte, flache Gestalt des Daches mit seinen vielen
Kehlen, Firsten an dem Uebel Schuld habe, weil ein solches Dach sich
nicht für Ziegeldeckung eigne. Es liege also hier ein Konstruktionsfehler
vor, für den nicht der ausführende Baumeister, sondern der Architekt
allein verantwortlich zu machen sei. Infolgedessen hat die Gemeinde
gegen den Architekten einen Rechtsstreit angestrengt. Sie fordert die
Umwandlung dieser Falzziegeldachdeckung in ein Doppelschieferdach mit
Theerpappenunterlage, welches bei ciner so geringen Dachneigung allein
zweckmäßig gewesen sein würde. — J
Daß'man die Windrichtungen bei'm Bau einer Fabrik zu berück—
sichtigen hat, hat Ingenieur Köster in einem in Frankfurt gehaltenen
Vortrage behandelt. Stellen, resp. Räume, in denen übelriechende, be⸗
säftigende Gase entwickelt werden, Küche und Kloset, sollen an derjenigen
Seite zu liegen kommen, welche der am wenigsten häufige Wind trifft,
alfo in Deutschland südöstsich liegen. Dadurch wird vermieden, daß
Gase ꝛc. durch das von der Windrichtung am Gebäude entstehende
Vatuum angesaugt werden und ihren Weg durch dasselbe nehmen.
Vermischtes.
Ein Muster⸗Lehrvertrag. Die „Baier. Gew. Ztg.“ theilt den
von der Maschinenbauslktiengeseilschaft Nürnberg eingeführteu Lehrvertrag
mit, der namentlich in den 885 8, 9 und 10 Bestimmungen enthält, die
anderswo noch wenig beachtet werden. Der Vertrag lautet:
8 1. Die Maschinenbau⸗Aktiengesellschaft Nürnberg nimmt den X. X.,
Sohn des Herrn X X. aus X., geboren den X. zu X., als Lehrling in
die Werkstätten auf.
8 2. Die Lehrzeit beträgt 3 Jahre, vom Tage des Eintritts an ge—
rechnet. Der Lehtling ist denjenigen gegenüber, welche seine Ausbildung
leiten, zur Folgsamkeit verpflichtet und ihrer väterlichen Zucht unter—
worfen. (G.O 8 127.)
8. Der Lehrling hat eine Probezeit von 2 Monaten durchzumachen.
Von dem Refultat dieser Probezeit hängt es ab, ob er behalten werden
könne.
8 4. Lehrgeld wird nicht gefordert. Der Lehrling erhält sogar nach
verflossener Probezeit eine wöchentliche Vergütung, deren Höhe sich nach
Fleiß, Leistung und auter Führung richtet. Von dieser Veraütunc
werden 10 0 von der Fabrik bis zur Beendigung der VLehrzeit zurück
behalten und entsprechend verzinst.
ð 5. Ein Lehrling kann auch nach der Probezeit sofort ohne jeden
weitern Anspruch auf Vergütung oder die zurückbehaltencu Prozente ent—
lassen werden, wenn einer der im 8 128 der Gewerbeordnung vorgesehenen
Fälle eintritt.
Verläßt der Lehrling ohne Zustimmung der Maschinenbau-Aktien—
Gesellschaft die Lehre, so erlöschen gleichfalls alle Ansprüche desselben und
treten die Bestimmungen des 8 1309 der G.O. in Wirksamkeit.
Z 7. Wird der Lehrling zur Forsetzung der Lehre unfähig (8 123, 80
vder will er inzwischen zu einem auderen Gewerbe übergehen, fo bieibt
die Ausbezahlung der zurückbehaltenen Vergütungsprozente dem Ermessen
der Maschinenbau⸗Aktiengesellschast anheimgestellt. Im letzteren Fall tritt
auch 8 131 der G.O. in Kraft.
8 8. Der Lehrling ist verpflichtet, während der Zeit seiner Schul—
pflichtigkeit die Fabriklehrlingsschule und außerdem waͤhrend der ganzen
Lehrzeit den Unterricht im Modelliren und Zeichnen zu besuchen.
8 9. Schlechte Aufführung und Faulheit in der Schule, Auflehnung
und unanständiges Betragen gegen die Lehrer können mit sofortigei
Entlassung und dem Verlusie aller Vergütungen (wie in F 5 dieses Ver
trages) bestraft werden.
ð 10. Der Lehrling hat sich im letzten Jahre an der öffentlichen
Nürnberger Lehrlingsprüfung und Lehrlingsarbeiten-Ausstellung zu bethei—
ligen. Die Kosten dieser Veranstaltungen trägt die Fabrik.
Vorstehender Lehrvertaag ist zum Beweise ihres Einverständnisses und
ihrer Zustimmung von beiden Kontrahenten unterzeichnet.
Wodurch allein kann das Handwerk gehoben werden?
Die Antwort hierauf ist, wenn von jedem Handwerker folgende Sätze
voll und ganz beachtet werden: „Eigne dir genügende Erfahrung an, ehe
du ein Geschäft gründest. — Fange dein Geschäft klein an. — Schaffe
das beste Handwerlszeug an. — Kaufe nie mehr ein, als du baar be—
zahlen kannst. — Handwerker, unterschreibe keine Wechsel! — Schicke Rech—
nung bei Ablieferung der Arbeit. — Wer 3 Monate nach Ertheilung der
NRNechnung nicht bezahlt, den verklage. — Vorräthe halte so viel als mög—
lich unter Verschluß. — So lange dein Personal arbeitet, sei auch selbfl
in der Werkstatt. — Bezahle deine Leute anständig, doch behalte nur
fleißige und tüchtige Personen. — Gieb nur solche Arbeit aus dem Hause,
mit welcher du Chre einlegst; kannst du aber an der Arbeit nichts ver—
dienen, so übernimm sie nicht. — Hast du zu bestimmter Zeit Arbeil
versprochen, so halte auch Wort. — Gehe früh schlafen und stehe früh
auf. — Sei mäßig bei jedem Genusse. — Gehe mit Lust und Eifer an
deine Berufsspflicht.“ Diese Mahnungen an den Handwerkerstand wurden.,
wie das „Chemn. Tabl.“ berichtet, in einem Gewerbebereine gegeben, was
wohl ein Beweis dasür ist, daß man in den Kreisen des Handwerks selbst zu
der richtigen Einsicht gelangt ist, daß nur auf dem Wege eigener, ernster,
tüchtiger Arbeit der Handwerkerstand sich heben kann.
Ae Novelle zum Krankenversicherungsgesetze tritt mit
dem Arsten Januar in Kraft. Es werden daduürch einmal für die
Kassenrrraftenene Aenderungen geschaffen Bei der einen
Kassenart, bei den freien Hilfskassen, tritt diese Umgestaltung deshalb
stärker in die Erscheinung, als bei den anderen, weil sie die behördliche
Bestätigung erhalten müssen, daß sie ihre Einrichtungen den gesetzlichen
Bestimmungen gemäß getroffen haben und demnach als freie Hilfskassen
im Sinne des GCesetzes anzusehen sind. Sodann bringt das neue Gesetz
eine Fülle von Verbesserungen für die Versicherten, darunter vor—
nehmlich eine ganze Anzahl von Erhöhungen der Leistungen der Kranken—
kassen. Diese Erhöhungen sind theils obligatorischer, theils fakultativer
Natur. Unter den ersteren erwähnen wir nur die Bestimmung, daß vom
l. Januar d. J. ab die Krankenunterstützung im Falle der Erwerbsun—
ähigkeit erst mit dem Ablauf der dreizehnten Woche nach Beginn des
trankengeldbezuges endet, sowie die Erhöhung des Sterbegeldes und die
Erweiterung der Wöchnerinnenunterstützung, unter den letzteren die Vor—
schrift über Beseitigung der Karcnzzeit, Gewährung des Krankengeldes an
Sonn- und Fesitagen und Rekonvaleszenten-Fürsorge. Schließlich aber
hat das neue Gesetz auch den Kreis der Versicherten erweitert, und diesem
— —
merksamkeit zugewendet werden müssen. Vom 1. Januar 1888 ab ist der
Versicherungszwang ausgedehnt auch auf die Personen, welche gegen Ge⸗
halt oder Lohn in Binnenschifffahrts- und Baggereibetrieben, im Handels—
jewerbe oder in dem Geschäftsbetriebe der Anwälte, Notare und Gerichts⸗
vbollzieher, der Krankenkassen, Berufsgenossenschaften und Versicherungs—
unstalten befchäftigt sind, sofern nicht die Beschäftigung durch die Natur
hres Gegenstandes oder im Voraus durch den Arbeitsvertrag auf einen
Zeitraum von weniger als einer Woche beschränkt ist. Allerdings unter⸗
iegen die Handlungsgehilfen und Lehrlinge der Versicherungspflicht nur,
sofern sie nicht auf sechswöchige Kündigung angestellt sind. Auch die
noch nicht versicherten Personen im Post- und Telegraphenbetriebe, sowie
n den Betrieben der Marine- und Heeresverwaltungen werden vom An—
ang nächsten Jahres versicherungspflichtig. Außerdem sind die Gemeinden
ermächtigt worden, die Versicherungspflicht auch auf in Kommunalbetrieben
wie im Kommunaldienst beschäftigte Personen, auf Familienangehörige
eines Betriebsunternehmers, deren Beschäftigung, in dem Betriebe nicht
auf Grund eines Arbeitsvertrages stattfindet, auf die nach den vorherigen
Bestimmungen nicht versicherungspflichtigen Handlungsgehilfen und Lehr—
linge, sowie auf die Betriebsbeainten zu erstrecken. Betriebsbeamte, Werk⸗
meister und Techniker, Handlunasgehilfen und Lehrlinge, sowie die bei
den Anwälten, stotaren u. s. w. beschäftigten Personen unterliegen der
Versicherungspflicht jedoch nur, wenn sie ein 2000 Mik. nicht über
steigendes Jahresgehalt beziehen.