Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 53, Bd. 12, 1893)

Die Gefährlichkeit der Elektrizität. — Schein-Architekturen. 
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vergeht immerhin eine drittel Sekunde, und das ist für die 
gelehrige Elektrizität eine lange Zeit. An der Stromquelle 
schaltet man eine Vorrichtung ein, die in dem Augenblick, 
vo der Draht reißt, den nunmehr unterbrochenen elektrischen 
Strom aufnimmt, einen Hebel anzieht und dadurch augen— 
olicklich die ganze betroffene Leitung ausschaltet. Das kann 
in weniger als einer drittel Sekunde geschehen, und wenn der 
Draht auf dem Boden anlangt, ist er schon entladen, ein 
odtes Metall, das nicht mehr schaden kann. 
Seit zwei Jahren hat ein in Amerika lebender kroatischer 
Ingenieur, Tesla, Wechselströme hergestellt, die nicht 50 bis 
200, sondern 30000 bis 100000 Mal in der Sekunde die 
Richtung wechseln. Die Behandlung derselben hat das merk— 
vürdige Ergebniß aufgewiesen, daß sie bei den höchsten er— 
reichbaren Spannungen ganz ungefährlich sind. Der Organismus 
zerträgt sie nicht nur ohne Schaden, es scheint sogar, als ob 
er durch sie gegen gewöhnliche Wechselströme unempfindlich 
vürde. Man kann zur Zeit nicht sagen, ob und wie derartige 
Ströme von sehr hoher Wechselzahl berufen sind, eine Rolle 
in der technischen Praxis zu spielen, doch wäre es voreilig, 
ihnen das Recht zu einer solchen absprechen zu wollen. Wir 
rwähnen ihre Eigenthümlichkeit hier mehr als Kuriosum. 
Kommen wir nun zu den Gefahren für das Eigen— 
hum. Diese sind ihrer Natur nach wesentlich Brandgefahren. 
Als die Elektrizität für Beleuchtungszwecke eingeführt wurde, 
var im Publikum eine große Voreingenommenheit für sie 
oorhanden; man rühmte ihre völlige Gefahrlosigkeit und 
zlaubte vielfach, jetzt sei man aller Sorgen in Betreff der 
Feuersbrünste, die von Beleuchtungskörpern ausgehen, über— 
soben. Mit der Zeit ist die Stimmung umgeschlagen; jetzt 
soll die Elektrizität manches Haus in Brand gesteckt haben, 
auch wenn in dasselbe nachweislich lange vor dem Feuer kein 
Strom eingeleitet war. Die Wahrheit liegt, wie üblich, 
wischen den Extremen. Bogenlampen konnten früher zuweilen 
»adurch unangenehm werden, daß weißglühende Kügelchen 
oon den Kohlen absprangen, durch eine Oeffnung der Lampe 
jerabfielen und unten Loͤcher brannten. Man vermeidet das 
etzt, indem man die Lampen mit einer unten völlig geschlossenen 
Slocke umgiebt sodaß nichts herausfallen kann. Bei ge— 
wöhnlichen Hausleitungen kann Feuersgefahr auf vierfache 
Weise entstehen. 1. Zwei Drähte oder zwei Apparatentheile, 
die den Strom leiten sollen, berühren einander schlecht; dann 
entsteht an der Stelle, wo der schlechte Kontakt ist, bei'm 
Stromdurchgang eine bedeutende Erwärmung, die das Metall 
inter Umständen zum Glühen bringen und dadurch benach— 
darte brennbare Gegenstände entzünden kunn. Dieses Vor— 
kommniß ist immer in einem Fehler der Installation begründet 
und kann mit Sicherheit vermieden werden, wenn die Anlage 
von einer guten, sorgfältig arbeitenden Fabrik ausgeführt 
wird. 2. Ein Draht bricht, die Enden desselben weichen ein 
venig auseinander, und wenn gerade Strom durchging, bildet 
sich zwischen ihnen ein Lichtbogen, der zündend auf die Nach— 
harschaft wirkt. Drahtbrüche dieser Art sind selten, erfolgen 
meist durch äußere Gewalt, also in Anwesenheit von Personen, 
And da mag es gut sein, zu wissen, daß man den Lichtbogen 
meist ohne Weiteres mit dem Munde ausblasen kann. 8. Die 
Isolation der Hauptleitung wird so schlecht, daß ein namhafter 
Theil des Stromes von dem durch die Drähte vorgeschriebenen 
Wege abweicht und, sich einen neuen Weg suchend, auf diesem 
Wege Erhitzungen erzeugt. Diese Erhitzung kann sich nur 
unter besonders ungünstigen Umständen, wenn die Isolation 
ganz ungewöhnlich schlecht und die neugebildete Nebenleitung 
gerade besonders passende Eigenschaften hat, zur Feuersgefahr 
teigern; einen, Schutz gegen dieselbe bilden die regelmaͤßigen 
Isolationsprüfungen, die von der Centralstelle vorgenommen 
werden. Neuerdings sind diese Prüfungen so vervollkommnet, 
daß sie kontinuirlich ausgeführt werden; jede mangelhaft 
zewordene Isolation zeigt sich selbst der Centrale an und 
wird von da aus ausgebessert. 4. Die vermuthlich reichste 
Quelle von Brandgefahren bietet der sogenannte Kurzschluß. 
Er entsteht, wenn zwei Stellen der Leitung, die für gewöhn— 
lich durch einen großen Widerstand von einander getreunt 
ind, durch direkte Berührung oder durch einen Draht von 
nerhältnißmäßig geringem Widerstande mit einander in Ver— 
indung gesetzt werden. Es bildet sich dann in der neu her— 
gestellten Verbindung ein übermäßig starker Strom, der die 
Drähte zum Glühen bringt; nicht selten, wenn der Kurzschluß 
zurch willkürliches Eingreifen eines Menschen herbeigeführt 
vird, erschrickt der Techniker und macht die Bewegung rück— 
jängig; dann kann sich da, wo er die Leitertheile wieder 
iuseinander nimmt, auch ein kräftiger Lichtbogen bilden. Bei 
iner Leitung, die ein- für allemal festliegt, kann ein Kurz— 
chluß eigentlich nur entstehen, wenn die Drähte durch zufällige 
hßewalt beschädigt und gleichzeitig einander genähert werden; 
eichter kommt er vor, wenn an der Leitung etwas geändert 
vird, und das sollte nur durch Fachmänner ausgeführt werden. 
Das allgemeine Heilmittel gegen derartige Zufälle besteht 
arin, daß man irgendwo in jeder Leitung eine sogenannte 
Zicherung anbringt, meist einen Bleistreifen von genau ab— 
zemessenen Dimensionen; sobald ein Strom von gefährlicher 
der auch nur übermäßiger Stärke durch diesen Bleistreifen 
ließt, schmilzt derselbe, unterbricht dadurch die Leitung und 
‚amit den ganzen Strom. Selbstverständlich wird die Blei— 
icherung an einer Stelle angelegt, wo ihr Schmelzen keinerlei 
-„chaden thun kann. Außerdem hat man noch gegen das Er— 
zlühen von Hausdrähten das Schutzmittel, die Drähte von 
yornherein in unverbrenulichem Material zu verpacken; mögliche 
Lerletzungen und Hitzewirkungen derselben sind dann unschädlich. 
Nach alledem läßt sich das, was über die Gefahr elek 
rischer Leitungen zu sagen ist, kurz in die Worte fassen: gut 
ingelegte, mit allen modernen Schutzmitteln versehene Leitungen 
ind, selbst wenn sie starke Ströme führen, sehr ungefährliche 
Dinge; schlecht angelegte, ungenügend kontrollirte dagegen 
önnen bedenklich werden. Es ist daxaus zunächst die Lehre 
u ziehen, daß man elektrische Anlagen nicht von Pfuschern, 
ondern von erfahrenen, sorgfältigen Technikern legen lassen 
oll. Weiter aber folgt für die bloße Beurtheilung der Ge— 
ihrlichkeit elektrischer Anlagen, daß es in letzter Linie auf 
ie Frage ankommt, wie die Techniker ihre Anlage ausführen. 
Die Statistik der spezifisch ekektrischen Unfälle hat also das 
etzte Wort zu reden. Leider existirt eine solche bei uns noch 
licht; aber wenn man bedenkt, daß jeder eigentlich elektrische 
ünfall sofort nach seinem Eintreten durch alle Zeitungen zu 
aufen pflegt, so scheint es, daß die Statistik, wenn sie vor— 
sanden wäre, recht günstig ausfallen würde. Bei Gelegenheit 
er Frankfurt-Lauffener Kraftübertragung wurde ein Techniker 
»on hochgespanntem Strom erschlagen; in den drei Jahren, 
—DD 
and bekannt geworden. Die Unfälle, die man aus den 
Annalen der Fabriken und Centralen erfährt, belaufen sich 
n der Regel auf unbedeutende Verbrennungen und dergleichen. 
Das Bedenklichste, was in den letzten Jahren vorgekommen 
st, scheint das oben erwtihnte Herunterfallen von Leitungs— 
zrähten der Trambahnen gewesen zuü sein. Zwei angebliche 
durzschlüsse im Cirkus Renz zu Berlin machten diesen 
Winter von sich reden, haben aber keine größeren Folgen 
zehabt. Die Fabrik Oerlikon in der Schweiz, eine von den 
venigen, über welche bestimmte Daten vorhanden sind, hat 
eit 1886 rund 500 km Leitungen für Spannungen bis 
O000. und 13000 Volt verlegt und auf dieser ganzen 
Länge nicht einen Unglücksfall elektrischen Ursprungs zu ver— 
zeichnen gehabt. Vergleicht man mit solchen Notizen, was 
ttwa an Unglücksfällen durch Gasleitungen von entsprechender 
zänge, theils durch Explosionen, theils durch Erstickungsfälle, 
»ekannt wird, so kommt man, wie das Fachblatt „Das Grund— 
igenthum“ schreibt, aus dem wir vorstehenden Aufsatz ent— 
nehmen, zu dem Schluß, daß die elektrischen Anlagen zu den 
wenigst gefährlichen der Großindustrie gehören. 
5chein⸗Architekturen. 
Ob es dergleicheu schon in alten Zeiten gegeben hat? 
Ob die Gebälke an den zerstörten pompejanischen Wohnungen 
virklich nur aus Holz bestanden haben, ja, ob man vielleicht 
in aller Eile beim Wiederaufbau nach dem Erdbeben vom
	        

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