Entscheidungen. — Litteraturbericht.
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Das Rücktrittsrecht des Käufers eines Hausgrund—
stückes wegen Hausschwammes wird nach einem Urtheil des
Hieichsgerichts, V. Civilsenats, vom 8. März 18893 im Gebiete
des Preußischen Allgemeinen Landrechts dadurch nicht ohne weiteres
entkräftet, daß Käufer bei'm Kauf Pilzbildungen im Hause wahr—
Jenommein hat und sich dadurch nicht veranlaßt gesehen hat,
weiserzuforschen, ob die Vilzbildungen schädliche oder unschäd—
liche find.
o Es ist ohne Rücksicht auf den Preis, welcher für ein
(Grundstückstrenustück gezahlt wird, anzunehmen, daß, wer einen
Theil seines Grundstücks zu einem bestimmten Unternehmen
verkauft, sich den Nachtheilen unterwirft, die für sein Restgrund⸗
stück aus der Anlage und dem Betriebe jenes Unternehmens
entftehen. Wer z. Bueinen Theil seines Villengrundstücks behufs
Anlage einer chemischen Fabrik verkauft, wird gegen, das Ein⸗
dringen der in dieser Fabrik erzeugten Gase auf sein, Rest—
grundstück rechtlichen Schutz nicht beanspruchen können. Urtheil
des Reichsgerichts, V. Eivilsenats, vom 27. April 1892.
Ein Bununglück beschäftigte kürzlich die vierte Strafkammer
des Landgerichts Jzu Berlin. Im vorigen Sommer hatte der
Maurermeister Wilhelm Klieme den Neubau eines Grundstücks
übernommen. Er übertrug die Leitung der Arbeiten seinem
Bruder, dem Maurerpolier Ernst Klieme. Als die Kellerwölbungen
gemauert waren, machte einer der Arbeiter dem Polier Klieme
die Mittheilung, daß sich in einer der Wölbungen ein Riß ge—
bildet habe. Klieme nahm den Schaden oberflächlich in Augen—
schein, erklärte, daß der Riß nichts auf sich habe und ordnete
an, daß er mit Cement auszuschmieren sei. Am folgenden Tage
hrach die Wölbung und begrub unter sich die Arbeiter Schultz
und Jaretzki, die im Keller mit dem Hinauswerfen von Sand
beschäftigt waren. Schultz war erstickt, bevor man ihn von der
Last zu befreien vermochte, Jaretzki konnte noch lebend hervor—
geholt werden. Wie die Sachverständigen kürzlich vor Gericht
begutachteten, war der Unglücksfall auf grobe Fahrlässigkeit der
beiden Leitenden, der auf der Anklagebank befindlichen Gebrüder
Klieme, zuzuschreiben. Der Staatsanwalt beantragte zwei Jahre
Gefängniß gegen den ersten, sechs Monate Gefängniß gegen den
zweiten Angeklagten. Das Urtheil lautete gegen den Ernst Klieme
auf sechs, gegen Wilhelm Klieme auf drei Monate Gefängniß.
Das Rechtsverhältnisz der Berufsgenosfenschaften
zu ihren Mitgliedern. In Bezug hierauf ist vom Kammer—
gericht eine wichtige grundsätzliche Entscheidung erfolgt, welcher
folgender Thatbestand zu Grunde liegt: Der Maurermeister B.
ist seit 1887 Meitglied der nordöstlichen Baugewerks-Berufs—
genossenschaft und ols solcher zur Zahlung von Beiträgen und
Vorschüssen verpflichtet, welche im Falle der verweigerten Leistung
zwangsweise beigetrieben werden. Wegen angeblich in Höhe von
304 Mtk. rückständiger Beiträge ließ nun die Genossenschaft die
Zwangsvollstreckung gegen B: vornehmen, der nun die gerichtliche
Klage mit dem Antrage gegen die Genossenschaft erhob, dieselbe
zu verurtheilen, anzuerkennen, daß ihr gegen den Kläger ein
auf der Mitgliedschaft beruhender Anspruch auf Leistung von
Beiträgen nicht zusteht und daß sie demgemäß nicht berechtigt
ist, aus dem der Zwangsvollstreckung zu Grunde liegenden Schuld—
titel Zwangsvollstreckungsmaaßregeln gegen den Kläger vorzunehmen.
Die III. Civilkammer des Landgerichts erkannte auf Abweisung
der Klage, indem ;sie den unter Hinweis auf 8 74 des Unfall⸗
versicherungsgesetzes erhobenen Einwand der Beklagten, daß hier
der Rechtsweg unzulässig sei, für berichtigt erachte. Die hiergegen
eingelegte Berufung ist vom Kammergericht zurückgewiesen worden.
Der Gerichtsvollzieher ist nach einem Urtheil des Reichs—
zerichts, V. Civilsenats, vom 15. Februar 1893, in Preußen
während der Nachtzeit (im Winter, Oktober bis März,) von
6 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens, und im Sommer von
WUhr Abends bis 4 Uhr Morgens zur Zustellung eines
Schriftsatzes in der Wohnung des Adressaten nicht berechtigt,
wenn dieser sich mit dem Betreten seiner Wohnung seitens des
Gerichisvollziehers nicht einverstanden erklärt, und der demzufolge
mißlungene Bersuch, eine vorschriftsmäßige Zustellung zu bewirken.
ist rechtlich unerheblich.
Betreffend die Werkverdingung, bestimmt das All⸗
gemeine Landrecht im Theil J1 Titel 118 938: „Ueberhaupt
aber steht dem Besteller frei, wenn das Werk mit dem Ablaufe
der ausdrücklich bestimmten Zeit durch die Schuld des Werk—⸗
meisters oder durch einen in dessen Person sich ereignenden Zufall
nicht abgeliefert wird, von dem Vertrage zurückzutreten.“ Das
Reichsgericht, 1Y. Civilsenat, hat im Urtheil vom 9. März 1893
ausgeführt: Ist auch der zwischen den Parteien geschlossene
Vertrag gemäß Artikel 278,274 des Handelsgesetzbuch als ein
Handelsgeschäft anzusehen, so sind doch für die Beurtheilung
der Rücktrittsbefugniß der Beklagten, da eine Werkverdingung
»orliegt, nur die 88 925 ff. Allgemeines Landrecht 1, 11 maaß-—
gjebend, ohne daß dabei die Grundsätze des Artikel 3597 Handels⸗
jesetzbuch eine direkte, oder auch nur entsprechende Anwendung
jinden können. Es bedurfte deshalb nicht einer besonderen
Prüfung, welche Bedeutung die Kontrahenten der nach der Fest—
tellung des Vorderrichters vereinbarten Erfüllungszeit beigemessen
saben. Denn nach der Bestimmung des 8 938 des Allgemeinen
Landrechts J1, 11 ist bei Werkverdingungsverträgen eine aus—
drücklich bestiimmte Ablieferungszeit stets für eine so wesentliche
Bedingung des Geschäfts zu erachten, daß der Besteller, falls
diese Zeit durch die Schuld des Werkmeisters oder durch einen
nn dessen Person sich ereignenden Zufall nicht innegehalten
vorden, an den Vertrag nicht weiter gebunden ist, vielmehr von
»emselben ohne weiteres zurücktreten und demzufolge eine etwa
ioch nachträglich angebotene Lieferung des Werkes als eine dem
VLertrage nicht entsprechende Erfüllung zurückweisen darf.“ ...
„Der 8 838 setzt nun allerdings für die Rücktrittsbefugniß des
Bestellers außer der ausdrücklich bestimmten Ablieferungsfrist
ioch voraus, daß durch die Schuld des Werkmeisters oder durch
einen in dessen Person sich ereignenden Zufall die Ablieferung
)es Werkes bis zum Ablaufe der bestimmten Zeit nicht erfolgt
st. Diese Voraussetzung war aber, wie der Vorderrichter in
lebereinstimmung mit der Rechtsprechung der höchsten Gerichte
zutreffend angenommen hat, nicht von dem Beklagten (Besteller)
zu beweisen, vielmehr lag dem Kläger (Werkmeister) der Nach—
veis ob, daß er an der Erfüllung. durch einen von ihm nicht zu
zertretenden Zufall oder durch ein Verschulden der Beklagten
gehindert worden sei.“
Mit der Frage, ob eine Waschküche zu denjenigen Räumen
zu rechnen ist, die im baupolizeilichen Sinne als zum dauern—
den Aufenthalt von Menschen bestimmt anzusehen sind und
uuf die daher die für solche Räume geltenden strengeren bau—
zolizeilichen Vorschriften zur Anwendung gelangen, hat sich das
Oberverwaltungsgericht bereits wiederholt zu beschäftigen, Veran—
assung gehabt. Der Gerichtshof hat dabei stets daran festgehalten,
)aß die Frage weder allgemein zu bejahen, noch zu verneinen sei, daß
es vielmehr auf die besonderen Umstände ankomme, wie die Antwort
in jedem Einzelfall zu lauten habe. Neuerdings hat das Ober⸗
»erwaltungsgericht hierauf bezüglich eine wichtige TCischeidnug
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ichtung einer Waschküche, die abwechselnd von etwa zwanzig NMieths—
jarteien benutzt werden solle, versagt, weil hier die Bestimmung
um dauernden Aufenthalt von Menschen zweifellos sei und den
zetreffenden Vorschriften der Baupolizeiordnung durch das Bau—
)rojekt nicht genügt werde. Der Bezirksausschuß erkannte da—
jsegen auf Außerkraftsetzung dieser Verfügung mit der Begründung,
daß der Raum abwechselnd von verschiedenen Personen je eine
urze Zeit benutzt werden solle, daß er sonach wohl dauernd
dazu bestimmt sei, zum Aufenthalt von Menschen zu dienen, nicht
iber bestimmt sei, zum dauernden Aufenthalt von Menschen,
nämlich derselben Menschen, zu dienen. Dieses Urtheil wurde
nuf die Berufung des Polizeipräsidiums von dem IV. Senat
des Oberverwaltungsgerichts nicht gebilligt, vielmehr am 26. Mai
ex. auf Klageabweisung erkannt. Der Gerichtshof führte aus,
daß zur Erfüllung des Begriffs keineswegs erforderlich sei, daß
zieselben Individuen sich ununterbrochen in dem Raume aufhalten;
s genüge vielmehr, wenn er dauernd von einem in sich ge—
chlossenen Personenkreise (den Miethern und deren Hausgenossen)
um Aufenthalt benutzt werde.
Litteraturbericht.
„Architektonische und mobile Dekorationen“, dieses
ür den Fachmann wie den Laien gleich interessante und verwerthbare
Thema hat Professor Ferd. Luthmer in dem soeben erschienenen
Juͤni⸗, Sonderheft für Innen-Architektur und Juterieurs“, der
Zeitschrift für Innen-Dekoration“ (Darmstadt, Alexander Koch,
albjährlich b Hefte Mk. 8. —) zum Gegenstand einer eingehenderen
bhandlung gemacht, die weitgehendste Beachtung verdient. —
Ihm folgt ein ebenso werthvoller Beitrag des bekannten Kunst⸗
Schriftstellers Hans Schliepmann: „Das Eisen in der modernen
Wohnung“, während Arch. Jul. Faulwasser durch einen kürzeren,
eich illustrirten Artikel ‚Ueber modernen Treppen-Anlagen“ ver—
reten ist. Hieran schließen sich noch eine ganze Reihe kleinerer,
vöchst beachtenswerther Aufsätze, deren Einzelaufführung unsern
zisponiblen Raum zu weit überschreiten würde. — Das können
vir. uns indeß nicht versagen, der eminenten Reichhaltigkeit
diefeßs Sonderheftes an durchweg gediegendsten Illustrationen