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Enischeidungen.
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werden kann, findet nach einem Urtheil des Reichsgerichts, V. Civil⸗
senats, vom 15. April 1893, auch auf die theilweise Entziehung
des von der Festsetzung neuer Fluchtlinien betroffenen Grund—
eigenthums Anwendung. In diesen Fällen der theilweisen
Füteignung aber hat das Baufluchtgesetz vom 2. Juli 1875
außerdem dem Eigenthümer durch 8313 Absatz3 auch noch dann das
NMecht eingeräumt, die llebernahme des ganzen Grundstücks ver—
langen zu können, wenn dasselbe durch die Fluchtlinie entweder
ganz oder so weit in Anspruch genommen wird, daß das Rest—
grundstück nach den baupolizeilichen Vorschriften des Ortes nicht
mehr zur Bebauung geeignet ist, obgleich es bis zu der Feststellung
der neuen Fluchtlinien überhaupt nicht bebaubar gewesen war.
Ist auf einem mit einer Hypothekt belasteten Grund⸗
stücke auch für die Erfüllung der hypothekarischen Verpflichtungen
eine Kautionshypothek zur Sicherung des Glänbigers wegen seiner
Ansprüche aus nicht pünktlicher Erfüllung der letzteren in bestimmter
Höhe bestellt, so geht durch die llebernahme der Haupthypothek
in Anrechnung auf das Kaufgeld seitens des Erwerbers nicht
ohne Weiteres auch die Kautionshypothek auf diesen über, es be—
darf vielmehr zum Uebergauge der Schuldverbindlichkeit noch der
ausdrücklichen Erklärung, daß auch die Kautionshypothek von
dem Erwerber als Selbstschuldner übernommen werde. Allrtheil
bom 28. Janunar 1893.)
Das Miethsverhältnisz bei nothwendig werdenden
Bauausführungen. Eine für Miethsverhältnisse wichtige
Reichsgericht-Entscheidung wird in den „Juristischen Blättern“
mitgetheilt. Wird während der Miethszeit ein Hauvtbau noth—
allen zu lassen braucht, findet auf öffentliches Straßenland keine
Anwendung. (Artheil vom 14. Dezember 1892.)
Verpflichtung des Steuerpflichtigen zur Vorlegung
der Bücher. Der Berufungskommission und deren Vorsitzenden
teht das Recht zu, die zur Feststellung der Vermögens- und Ein—
ommensverhältnisse der Steuerpflichtigen erforderlichen Erhebungen
zu veranlassen, insbesondere von dem Pflichtigen die Vorlegung
einer Geschäftsbücher zu verlangen. Der Artikel 57 der Aus—
ührungs-Anweisung verordnet ferner, daß die Vorlegung der
Bücher'2c. in der Sitzung vor versammelter Kommission statt—
inden, die Kommission aber auch ihren Vorsitzenden oder ein
Fiqg. 6. Querschnitt.
Fin. *
Längenschnitt.
wendig, der nicht ausführbar ist, so lange der Miether die Sache
im Besitz hat, so muß der Miether die Sache nicht bloß während
des Baues räumen, vielmehr ist sowohl der Vermiether, als der
Miether zur endgiltigen Aufhebung des Vertrages berechligt, so
daß Keiner vom Anderen die Fortsetzung des Vertrages nach
»ollendetem Bau verlangen kann. Ob vorherige Aufkündigung
erforderlich ist, hängt davon ab, ob die Ausführung des Baues
während der Kontrakiszeit sich zwar als nothwendig herausstellt,
aber doch aufschicbbar ist; alsdann muß vorher mit der gesetzlichen
Frist gekundigt werden. Hat dagegen wegen dringender Gefaäͤhr
die Räumung thatsächlich erfolgen müssen, so bedarf es nicht der
porherigen Kündigung; der Miethsvertrag ist ohne Weiteres wegen
Unmöglichkeit der Erfüllung aufgehoben.
TDurch die in einer formgerecht zu Stande gekommenen
Baupolizeiordnung aufgenommene Zulässigkeit des Anbringens
borspringender Gebäudetheile an einem dicht an der Straße an—
grenzenden Bauwerk hat die Eigenthümerin der Straße sich des
Rechtes begeben, aus dem Eigenthum an dem Straßenlande
solche zu versagen, bezw. zu verlangen, daß die baupolizeilich ge—
nehmigten derartigen Anlagen entfernt werden. Die Vorschrift des
A.VR. l. 9. 88 340342, wonach der Eigenthümer eines
Grundstückes sich überspringende Theile des Naächbars nicht e—
inzelnes Mitglied mit der Erledignug der beschlossenen Beweis—
zufnahme beauftragen könne. Schon hieraus muß geschlossen
verden, daß der Steuerpflichtige verpflichtet ist, der Kommission
der deren Vorsitzenden oder endlich dem beauftragten Mitgliede
der ersteren seine Geschäftsbücher vorzulegen, nicht aber einem
Dritten, der etwa, ohne Mitglied der Kommission zu sein oder
zu den bei der Steuerveranlagung betheiligten Beamten zu ge—
sören, von der Kommission mit der Einsicht der Bücher betraut
verden sollte, es sei denn, daß der Steuerpflichtige sein Einver—
ständniß damit erklärt. (Entscheidung des Ob.-Verw-Gerichts
vom 10. Februar 1893.)
Als ein zum Abgehen von einem Kaufvertrage be—
rechtigender Beirug ist hicht ohne Weiteres die Verschweigung
des Käufers von seiner Zahlungsunfähigkeit zu betrachten. Im
Urtheil heißt es: „Wie das Reichsgericht in seiner strafrechtlichen
vutscheidung in Betreff des sogen. Kreditbetruges wiederholt aus—
gesprochen, besteht für den Käufer keine Verpflichtung, über seine
Vermögenklage unaufgefordert seinem Verkäufer Mittheilung zu
nachen, und aus einem Verschweigen seiner Zahlungsunfähigkeit
hei'm Abschluß des Kaufvertrages kann für sich allein und ohne
veitere hinzutretende Umstände ein betrügliches Vorgehen nicht
refosaert werden. Derartige besondere Umstände liegen aber