Kredit und Volkswohlsiand. ·— Entscheidungen.
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diesen Einrichtungen auhaften, rächt sich in der empfindlichsten
und schädlichstenn Weise an den Geschäfts- und Wohlstands—
verhältnissen.
In Bezug auf die Einrichtung des Geldwesens sind bei uns
so schwere Fehler von der neuen Gesetzgebung gemacht worden,
wie sie in gleicher Weise überhaupt uoch nie gemacht worden
sind. Diese sind es, welche in erster Linie der vollständigen
Besserung unserer wenig günstigen wirthschaftlichen Entwickelung
sich fortwährend hindernd eutgegenstellen. Durch das Reichs-—
bankgesetz vom 14. März 1875 ist ohue jeden stichhaltigen Grund
eine großartige Herabminderung der im Laude vorhandenen Um—
laufsmittel augeordnet worden, insbesondere dadurch, daß mit
icharfen Maaßregeln jedes erhebliche Abweichen und Freimachen
von dem rein metallischen Geldumlauf bekämpft wird. In
einem schwer begreiflichen Gesetzgebungseifer wurde der früher
vorhandenen Einrichtung des Geldwesens der Krieg erklärt und,
um der „lleberspekulation“ einen Dämpfer aufzusetzen, auf be—
deutende Verminderung der papiernen Umlaufsmittel hingearbeitet.
Durch die kolossale Einziehung von Umlaufsmitteln wurde die
geschäftliche Aktionskraft des Handels sehr schwer geschädigt.
Die hierdurch veranlaßte sehr beträchtliche Steigerung des
Geldwerthes im Vergleiche mit dem Werthe alles sonstigen
Figenthums brachte unheilvolle geschäftliche Verhältnisse mit
sich. Die Abtragung alter, früher eingegangener Verbindlichkeiten
wurde für die Schuldner zu einer bedeutend schwereren Last, als
sie ursprünglich gewesen, und außerdem wurde die Möglichkeift
und Gelegenheit zur Verlängerung in der drückendsten Weise er—
schwert. Durch die beständige Werthsteigerung des Geldes wurde
der Geschäftsabschluß, der sich gestern als vortheilhaft dargestellt
hatte, heute verlustbringend, weil durch die in höchste Verlegenheit
gebrachten Schuldner immer von Neuem Eigenthum aller Art
zum Zwangsverkaufe gebracht und der geringen Zahl von
Kapitalisten thatsächlich die Lust und die Kraft zum Eingreifen
in den Geschäftsgaug in der Erwartung weiterer Entwerthung
des Eidenthums henommen wurde.
— *6 Steinsetzer⸗Ztg.“)
er habe die Unterstützungen stets nach Ablauf der betreffenden
Woche abheben lassen.
In dem Termin bekundete der Banunternehmer, bei welchem
Schultze beschäftigt gewesen war, daß der Angeklagte sich nicht
einmal mit den 42 Mk. Wochenlohn zufrieden gegeben habe,
ondern daß auch dessen Sohn, obwohl derselbe erst 15 Jahre
gewesen, durch Schultze auf dem Neubau beschäftigt worden sei,
ind daß Schultze auch für diesen noch einen Stundenlohn von
5 Pf. in Anrechnung gebracht habe, was ganz unzulässig sei,
da ja der junge Bursche nicht als erwachsener Arbeiter hätte be—
zahlt werden dürfen; es zeige dies Verhalten aber auch, daß
virtlich Schultze garnicht unterstützungsbedürftig gewesen sei,
zeun er habe ja durch seine und seines Sohnes Löhnung eine
ehr hübsche Summe während der zwei Wochen der „Arbeitsun—
ähigkeit“ ausbezahlt erhalten.
Der Gerichtshof war der Ansicht, daß es sich um einen
Betrug gegen ein Institut handle, welches zur allgemeinen Wohl—
ahrt eingerichtet sei, und daß deshalb der Angeklagte besonders
chwer zu bestrafen sei. Das Urtheil lautete auf 4 Wochen
sefängniß.
Anlangend die Tragweite der dem Gewerbeunternehmer ob—
iegenden Verpflichtung, die zum Schutze der Arbeiter gegen
Befahren für Leben und Gesundheit erforderlichen Vorkehruüngen
zu treffen, hat das Reichsgericht namentlich für das Gebiet des
gemeinen Rechts (8. Civilsenat, Urtheil vom 20. Januar 1893)
Folgendes ausgeführt: Nach 8 120 der Gewerbe-Ordnung und
»en Grundsätzen über den Dienstmiethvertrag hat jeder Gewerbe—
reibende dafür zu sorgen, daß alle zum Schutze der Arbeiter
gegen Gefahr für Leben und Gesundheit nothwendigen Einrichtungen
o hergestellt und unterhalten werden, wie es die besondere Ve—
chaffenheit des Gewerbes und der Betriebsstätte erheischt. Dieser
Verpflichtung muß der Gewerbetreibende ohne Rücksicht darauf
nachkommien, ob er einen tüchtigen Aufseher bestellt hat oder nicht
ind ob sein Gewerbebetrieb einen größeren oder geringeren Um—
rang hat. Denn bei Beantwortung der Frage, welchen Grad
»on Sorgfalt ein Gewerbeunternehmer rücksichtlich der zum Schutze
der Arbeiter erforderlichen Vorkehrungen anzuwenden hat, muß
ein von den persönlichen Verhältnissen des einzelnen Unternehmers
mabhängiger durch die Natur das Geschäffshetriehs hedingter
ettibet Fnhtao geltge α. liidsublich ist davon
auszugehen, daß der Gewerbeunternehmer selber die durch die
Umstände gebotenen Vorsichtsmaaßregeln treffen muß. Hat er sie
iber angeordnet, so darf er die spältere Beaufsichtigung in deren
Anwendung geeigneten Stellvertretern überlassen, und er haftet
ilsdann für ein Verschulden seiner Angestellten und Aufscher in
»er Ausführung ihrer Dienstvorrichtungen nur nach den Vorschriften
— D
oder unter der Voraussetzung des 82 des Reichs-Haftpflichtgefetzes.
Zu den gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschäften
eines Wohnhauses — A.L. R. J. 58319 — gehört es, daß es
zum Aufenthalt von Meunschen geeignet ist. Ein verkauftes Haus
st schon dann als mangelhaft anzusehen, wenn die Baukoustruktion,
das Baumaterial oder der Baugrund derart sind, daß dadurch
zei bestimmten, regelmäßig eintretenden Witterungs- oder Grund—
vasserstandsverhältnissen eine die Gesundheit der Bewohner
chädigende Feuchtigkeit herbeigeführt wird. Die Haftung des
Berkäufers für Gewährleistung könnte nicht schon um desswillen
ibgelehnt werden, weil die Feuͤchtigkeit nicht bereits zur Zeit des
Kaufs und der au demselben Tage erfolgten Uebergabe hervorge—
treten war. (Entscheidung des Reichsgerichts vom 8. Juli 1893.)
Soweit baupolizeiliche Vorschriften die zulässige Front—
höhe eines Gebäudes von der Sträße abhängug machen, an
velcher es errichtet werden soll, ist der Berechnung diejenige
Ztraßenbreite zu Grunde zu legen, welche die betreffende Straße
zur Zeit der Nachsuchung und Ertheilung des Baukonsenses
hatsächlich hat. Dagegen ist es nicht zulässig, mit der normalen
Breite der Straße zwischen den festgesetzten Fluchtlinien auch
ann zu rechnen, wenn diese Breite zur Zeit noch nicht vorhanden
st, sondern erst in Zukunft durchgeführt werden soll. (lIIrtheil
—
—
Der Zimmermann August Schultze in Berlin hatte
sich an der rechten Hand so schwer verletzt, daß er nicht fähig
war, als Zimmermann zu arbeiten. Er ließ sich dies von dem
Kassenarzt bescheinigen und auf Grund dieses Attestes erhielt er
von der Ortskrankenkasse der Zimmerer Wochenkrankengelder in
Höhe von 12 Mk.
Trotzdem bemühte sich Schulze um eine andere Beschäftigung
und erhielt eine solche bei einem Baunnternehmer, welcher ihm
für einen Wochenlohn von 42 Mek. die Aufsicht uͤber einen Bau
übertrug. Da nun neben dieser Einnahme auch noch die 12 Mk.
rankenkassen?Gelder gezahlt wurden, so bezog Schultze zwei
Wochen hindurch je 54 Mik., eine Summie wie er sie nicht einmal
während seiner vollen Gesundheit verdient hatte.
Da sich nun aber herausstellte, in welcher Weise Schultze
handelte, wurde er des Betruges angeklagt, denn die Ortskrauken—
kasse würde ihm natürlich nicht einen Pfennig Unterstützung ge—
währt haben, wenn bekannt gewesen wäre, daß Schulßze bereils
42, Mk. pro Woche erhielt. Da auch das Verschweigen einer
wahren Thatsache, wo es in der Absicht geschieht, einen Irrthum
zu erregen, ebenso einen Betrug bedenten kann, wie die Vor—
spiegelung einer falschen Thatsache, so kounte es keinem Zweifel
uinterliegen, daß die Anklage wegen Betruas vollkommen be—
rechtigt erhoben war.
Der Angeklagte führte zu seiner Vertheidigung an daß er
als Zimmermann im Krankheitsfalle berechtigt sei, Kassenunter—
stützungen abzuheben, sobald er als Zimmerer nicht arbeiten
könne. Ob er auf eine audere Weise Geld verdienc, gehe der
Kasse nichts an; denn er bekomme ja feine Unterstützung nicht
dafür, daß er arm und bedürftig sei, sondern nur, weil er siatuͤten—
mäßig unterstützt werden müsse, fobald er als Zimmerer arbeits—
anfähig sei. So sei es bestimmt, und so müsse es bleiben.
Außerdem habe er ohnehin noch einen Anspruch an die Kasse
gehabt, da er vor einiger Zeit ebenfalls arbeitsunfähig gewesen
sei nud dafür keine Unterstützung erhalten habe.
Obwohl diese Einwände danz unerheblich waren, wurde
doch die Verhandlung vor einiger Zeit vertagt, da erst noch fest—
gestellt werden sollte, wann der Augeklagte die Kassengelder
abgehoben hatte. Die Vertagung war aber nicht nur veshalb
auffällig, weil die Einwände des Angetlagten ganz unerheblich
waren, sondern auch deshalb, weil der Angeklaate selbst zugab,
Bautechnische Notizen.
Der Schnutz der Banhandwerker. Das preußische Abgeordneten—
Jaus wird demnächst Gelegenheit haben, sich mit einer Frage zu be—
chäftigen, welche durch die stetig wachsende spekulative Thäligkeit auf
em Gebiete des Bauwesens zu einem der wundesten Punkte des groß⸗
tädtischen Baugeschäfts geworden ist und deren einschneidende soziale
Bedeutung auf große Massen des Volkes nicht mehr unterschätzt werden
darf: mit dem Vorrechte der Bauhandwerker. Der „Bund für Boden—