Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 53, Bd. 12, 1893)

Kredit und Volkswohlsiand. ·— Entscheidungen. 
380 
diesen Einrichtungen auhaften, rächt sich in der empfindlichsten 
und schädlichstenn Weise an den Geschäfts- und Wohlstands— 
verhältnissen. 
In Bezug auf die Einrichtung des Geldwesens sind bei uns 
so schwere Fehler von der neuen Gesetzgebung gemacht worden, 
wie sie in gleicher Weise überhaupt uoch nie gemacht worden 
sind. Diese sind es, welche in erster Linie der vollständigen 
Besserung unserer wenig günstigen wirthschaftlichen Entwickelung 
sich fortwährend hindernd eutgegenstellen. Durch das Reichs-— 
bankgesetz vom 14. März 1875 ist ohue jeden stichhaltigen Grund 
eine großartige Herabminderung der im Laude vorhandenen Um— 
laufsmittel augeordnet worden, insbesondere dadurch, daß mit 
icharfen Maaßregeln jedes erhebliche Abweichen und Freimachen 
von dem rein metallischen Geldumlauf bekämpft wird. In 
einem schwer begreiflichen Gesetzgebungseifer wurde der früher 
vorhandenen Einrichtung des Geldwesens der Krieg erklärt und, 
um der „lleberspekulation“ einen Dämpfer aufzusetzen, auf be— 
deutende Verminderung der papiernen Umlaufsmittel hingearbeitet. 
Durch die kolossale Einziehung von Umlaufsmitteln wurde die 
geschäftliche Aktionskraft des Handels sehr schwer geschädigt. 
Die hierdurch veranlaßte sehr beträchtliche Steigerung des 
Geldwerthes im Vergleiche mit dem Werthe alles sonstigen 
Figenthums brachte unheilvolle geschäftliche Verhältnisse mit 
sich. Die Abtragung alter, früher eingegangener Verbindlichkeiten 
wurde für die Schuldner zu einer bedeutend schwereren Last, als 
sie ursprünglich gewesen, und außerdem wurde die Möglichkeift 
und Gelegenheit zur Verlängerung in der drückendsten Weise er— 
schwert. Durch die beständige Werthsteigerung des Geldes wurde 
der Geschäftsabschluß, der sich gestern als vortheilhaft dargestellt 
hatte, heute verlustbringend, weil durch die in höchste Verlegenheit 
gebrachten Schuldner immer von Neuem Eigenthum aller Art 
zum Zwangsverkaufe gebracht und der geringen Zahl von 
Kapitalisten thatsächlich die Lust und die Kraft zum Eingreifen 
in den Geschäftsgaug in der Erwartung weiterer Entwerthung 
des Eidenthums henommen wurde. 
— *6 Steinsetzer⸗Ztg.“) 
er habe die Unterstützungen stets nach Ablauf der betreffenden 
Woche abheben lassen. 
In dem Termin bekundete der Banunternehmer, bei welchem 
Schultze beschäftigt gewesen war, daß der Angeklagte sich nicht 
einmal mit den 42 Mk. Wochenlohn zufrieden gegeben habe, 
ondern daß auch dessen Sohn, obwohl derselbe erst 15 Jahre 
gewesen, durch Schultze auf dem Neubau beschäftigt worden sei, 
ind daß Schultze auch für diesen noch einen Stundenlohn von 
5 Pf. in Anrechnung gebracht habe, was ganz unzulässig sei, 
da ja der junge Bursche nicht als erwachsener Arbeiter hätte be— 
zahlt werden dürfen; es zeige dies Verhalten aber auch, daß 
virtlich Schultze garnicht unterstützungsbedürftig gewesen sei, 
zeun er habe ja durch seine und seines Sohnes Löhnung eine 
ehr hübsche Summe während der zwei Wochen der „Arbeitsun— 
ähigkeit“ ausbezahlt erhalten. 
Der Gerichtshof war der Ansicht, daß es sich um einen 
Betrug gegen ein Institut handle, welches zur allgemeinen Wohl— 
ahrt eingerichtet sei, und daß deshalb der Angeklagte besonders 
chwer zu bestrafen sei. Das Urtheil lautete auf 4 Wochen 
sefängniß. 
Anlangend die Tragweite der dem Gewerbeunternehmer ob— 
iegenden Verpflichtung, die zum Schutze der Arbeiter gegen 
Befahren für Leben und Gesundheit erforderlichen Vorkehruüngen 
zu treffen, hat das Reichsgericht namentlich für das Gebiet des 
gemeinen Rechts (8. Civilsenat, Urtheil vom 20. Januar 1893) 
Folgendes ausgeführt: Nach 8 120 der Gewerbe-Ordnung und 
»en Grundsätzen über den Dienstmiethvertrag hat jeder Gewerbe— 
reibende dafür zu sorgen, daß alle zum Schutze der Arbeiter 
gegen Gefahr für Leben und Gesundheit nothwendigen Einrichtungen 
o hergestellt und unterhalten werden, wie es die besondere Ve— 
chaffenheit des Gewerbes und der Betriebsstätte erheischt. Dieser 
Verpflichtung muß der Gewerbetreibende ohne Rücksicht darauf 
nachkommien, ob er einen tüchtigen Aufseher bestellt hat oder nicht 
ind ob sein Gewerbebetrieb einen größeren oder geringeren Um— 
rang hat. Denn bei Beantwortung der Frage, welchen Grad 
»on Sorgfalt ein Gewerbeunternehmer rücksichtlich der zum Schutze 
der Arbeiter erforderlichen Vorkehrungen anzuwenden hat, muß 
ein von den persönlichen Verhältnissen des einzelnen Unternehmers 
mabhängiger durch die Natur das Geschäffshetriehs hedingter 
ettibet Fnhtao geltge α. liidsublich ist davon 
auszugehen, daß der Gewerbeunternehmer selber die durch die 
Umstände gebotenen Vorsichtsmaaßregeln treffen muß. Hat er sie 
iber angeordnet, so darf er die spältere Beaufsichtigung in deren 
Anwendung geeigneten Stellvertretern überlassen, und er haftet 
ilsdann für ein Verschulden seiner Angestellten und Aufscher in 
»er Ausführung ihrer Dienstvorrichtungen nur nach den Vorschriften 
— D 
oder unter der Voraussetzung des 82 des Reichs-Haftpflichtgefetzes. 
Zu den gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschäften 
eines Wohnhauses — A.L. R. J. 58319 — gehört es, daß es 
zum Aufenthalt von Meunschen geeignet ist. Ein verkauftes Haus 
st schon dann als mangelhaft anzusehen, wenn die Baukoustruktion, 
das Baumaterial oder der Baugrund derart sind, daß dadurch 
zei bestimmten, regelmäßig eintretenden Witterungs- oder Grund— 
vasserstandsverhältnissen eine die Gesundheit der Bewohner 
chädigende Feuchtigkeit herbeigeführt wird. Die Haftung des 
Berkäufers für Gewährleistung könnte nicht schon um desswillen 
ibgelehnt werden, weil die Feuͤchtigkeit nicht bereits zur Zeit des 
Kaufs und der au demselben Tage erfolgten Uebergabe hervorge— 
treten war. (Entscheidung des Reichsgerichts vom 8. Juli 1893.) 
Soweit baupolizeiliche Vorschriften die zulässige Front— 
höhe eines Gebäudes von der Sträße abhängug machen, an 
velcher es errichtet werden soll, ist der Berechnung diejenige 
Ztraßenbreite zu Grunde zu legen, welche die betreffende Straße 
zur Zeit der Nachsuchung und Ertheilung des Baukonsenses 
hatsächlich hat. Dagegen ist es nicht zulässig, mit der normalen 
Breite der Straße zwischen den festgesetzten Fluchtlinien auch 
ann zu rechnen, wenn diese Breite zur Zeit noch nicht vorhanden 
st, sondern erst in Zukunft durchgeführt werden soll. (lIIrtheil 
— 
— 
Der Zimmermann August Schultze in Berlin hatte 
sich an der rechten Hand so schwer verletzt, daß er nicht fähig 
war, als Zimmermann zu arbeiten. Er ließ sich dies von dem 
Kassenarzt bescheinigen und auf Grund dieses Attestes erhielt er 
von der Ortskrankenkasse der Zimmerer Wochenkrankengelder in 
Höhe von 12 Mk. 
Trotzdem bemühte sich Schulze um eine andere Beschäftigung 
und erhielt eine solche bei einem Baunnternehmer, welcher ihm 
für einen Wochenlohn von 42 Mek. die Aufsicht uͤber einen Bau 
übertrug. Da nun neben dieser Einnahme auch noch die 12 Mk. 
rankenkassen?Gelder gezahlt wurden, so bezog Schultze zwei 
Wochen hindurch je 54 Mik., eine Summie wie er sie nicht einmal 
während seiner vollen Gesundheit verdient hatte. 
Da sich nun aber herausstellte, in welcher Weise Schultze 
handelte, wurde er des Betruges angeklagt, denn die Ortskrauken— 
kasse würde ihm natürlich nicht einen Pfennig Unterstützung ge— 
währt haben, wenn bekannt gewesen wäre, daß Schulßze bereils 
42, Mk. pro Woche erhielt. Da auch das Verschweigen einer 
wahren Thatsache, wo es in der Absicht geschieht, einen Irrthum 
zu erregen, ebenso einen Betrug bedenten kann, wie die Vor— 
spiegelung einer falschen Thatsache, so kounte es keinem Zweifel 
uinterliegen, daß die Anklage wegen Betruas vollkommen be— 
rechtigt erhoben war. 
Der Angeklagte führte zu seiner Vertheidigung an daß er 
als Zimmermann im Krankheitsfalle berechtigt sei, Kassenunter— 
stützungen abzuheben, sobald er als Zimmerer nicht arbeiten 
könne. Ob er auf eine audere Weise Geld verdienc, gehe der 
Kasse nichts an; denn er bekomme ja feine Unterstützung nicht 
dafür, daß er arm und bedürftig sei, sondern nur, weil er siatuͤten— 
mäßig unterstützt werden müsse, fobald er als Zimmerer arbeits— 
anfähig sei. So sei es bestimmt, und so müsse es bleiben. 
Außerdem habe er ohnehin noch einen Anspruch an die Kasse 
gehabt, da er vor einiger Zeit ebenfalls arbeitsunfähig gewesen 
sei nud dafür keine Unterstützung erhalten habe. 
Obwohl diese Einwände danz unerheblich waren, wurde 
doch die Verhandlung vor einiger Zeit vertagt, da erst noch fest— 
gestellt werden sollte, wann der Augeklagte die Kassengelder 
abgehoben hatte. Die Vertagung war aber nicht nur veshalb 
auffällig, weil die Einwände des Angetlagten ganz unerheblich 
waren, sondern auch deshalb, weil der Angeklaate selbst zugab, 
Bautechnische Notizen. 
Der Schnutz der Banhandwerker. Das preußische Abgeordneten— 
Jaus wird demnächst Gelegenheit haben, sich mit einer Frage zu be— 
chäftigen, welche durch die stetig wachsende spekulative Thäligkeit auf 
em Gebiete des Bauwesens zu einem der wundesten Punkte des groß⸗ 
tädtischen Baugeschäfts geworden ist und deren einschneidende soziale 
Bedeutung auf große Massen des Volkes nicht mehr unterschätzt werden 
darf: mit dem Vorrechte der Bauhandwerker. Der „Bund für Boden—
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.