Die Kunst der Glasmalerei, ihre historische Entwickelung und Verwendung als transparente Dekoration.
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Ueber die Kunst der Glasmalerei, ihre
hisftörische Entwichelung und UVerwendung
als transparente Dekoration.
Freter Vortrag, gehalten im Technischen Verein zu Pittsburgh,
von Herrn Ludwig Grosse.
Ueber den nationalen Ursprung dieser ersten Erzeugnisse
der neu entstandenen Kunst der Glasmalerei ist man sich heute
roch ebenso unklar, wie über den genauen Zeitpunkt ihres an—
änglichen Auftretens.
Einige Forscher führen dieselben auf die Byzantiner des
ersten Jahrhunderts n. Chr zurück, während Andere ihre eigentliche
Erfindung deutschen Meistern zuschreiben, indem sie die Fenster
n dem bayrischen Kloster Tegernsee, die jetzt längst der Zer—
törung anheim gefallen sind, als die ersten und ältesten ihrer
Art und als das Werk der dortigen Mönche aus der letzten
Zeit des 10. Jahrhunderts n. Chr. beurkundeten.
Der erste sichere Bericht findet sich in einem Werke
»on Theophilus, der „Diversarum Artium Schedula“, einem
Buche, dessen Erscheinen von den meisten Fachgelehrten in das
10. Jahrhundert verwiesen wird. Die genaue und ausführ—
iche Beschreibuug, die in diesem Werk über die Technik der
amaligen Glasmalerei gegeben wird, läßt jedoch darauf
hließen, daß die Anfänge derselben schon in viel frühere
zahrhunderte zurückzuführen sind; die ältesten, uns heute noch
rhaltenen Erzeugnisse und deshalb als die historisch maaß—
zebend zu betrachtenden ersten Fenstermalereien sind die Fenster
»er Kathedralen zu Anger und St. Denis — aus der Mitte
ses 12. Jahrhunderts stammend — und in zweiter Linie
nehrere Fenster im Dom zu Augsburg, im Straßburger
Münster und in der Kunibertuskirche in Köln.
Eine neue Aera brach in der Glasmalerei mit der Er—
indung des Silbergeldes zu Anfang des 14. Jahrhunderts
in; unterstützt von den Errungenschaften in der Architektur,
nnder der gothische Baustyl inzwischen die Herrschaft über—
sommen hatte und Gebäude schuf, deren ornamentale Pracht
ind Vornehmheit uns heute noch in zahlreichen Denkmälern
‚or Augen steht, begannen bald Künstler ersten Ranges, wie
Ulbrecht Dürer, Bernard Pallisy und Andere, dem neuen Kunst—
weig ihre Aufmerksamkeit und ihr Talent zu widmen, und
die damals entstandenen Werke, wie namentlich die Fenster im
nmn zu Rleinms, Amiene uand Obpenbeim, sowie die Ehor
enster des Kölner Tomes erzählen der Neuzeit von der groß—
rrtigen Entfaltung der sich mit Macht durchbrechenden künst—
erischen Civilisation dieser glänzendsten Veriode des Mittel—
ilters.
Im Laufe des 15. Jahrhunderts wurde die Glasmalerei
ioch durch verschiedenfarbige Schmelzfarben, sowie mehrere
leberfanggläser bereichert, welche die Kunst derart ausnutzte,
aß sie die neu erfundenen Farben nicht nur auf die glatten
ßläser auftrug, sondern auch die auf den Ueberfangscheiben
»orher mittels Feuersteins ausgeschliffenen weißen Stellen
nit den Schmelzfarben verband und so in den farbigen Gläsern
ie verschiedensten Töne mit ihren Abstufungen anzuwenden
»ermo hte. Durch die verbesserte Herstellung des dazu nöthigen
Materials war auch die Verbleiung inzwischen zweckmäßiger
seworden, wie auch den dünner angefertigten Glasflächen mit
em jetzt mittlerweile als Schneidewerkzeug aufgekommenen
Diamant jede beliebige Form bei glatter Schnittfläche gegeben
verden konnte.
Im Laufe der darauf folgenden Jahre fing nun die Kunst
der Glasmalerei an, mehr und mehr handwerksmäßig betrieben
au werden, bis sie nach und nach in die Hände der Glaser
iberging und die Maler nur noch die Kartons lieferten.
Sie erreichte jedoch dadurch in jener Zeit bald die weiteste
Kerbreitung, umsomehr, als ihr Schwerpunkt vom kirchlichen
ßebiet auf die Ausstattung herrschaftlicher, sowie bürgerlicher
Wohnungen übertragen zu werden anfing, Bald bildete die
wVappenmalerei eine besondere Spezialität, welche die Rath—
ind Gildehäuser mit ihren Erzeugnissen zu schmücken suchte.
die in der Neuzeit so geschätzten Schweizer-Scheiben stammen
aus jener Zeit, und ächte, gut erhaltene Stücke gelten als
verthvolle Raritäten, von denen das Museum Cluny zu Paris
vohl die schönsten und farbenprächtigsten Exemplare ihrer Art
rufzuweisen hat. Das glanzvollste Denkmal der Glasmalerei
des Mittelalters befindet sich jedoch in Deutschland; es sind
zies die Fenster des nördlichen Seitenschiffes im Dom zu Köln
rom Jahre 1509. Hier zeigen sich auch am Deutlichsten die
J.
Zu den interessantesten Erscheinungen auf dem Gebiete
des modernen Kunstgewerbes gehört unstreitig die Wiederauf—
sahme der farbigen Bleiverglasung in Verbindung mit der
ßlasmalerei — jene Kunst, durchsichtige Farben und Umrisse
zurch Einschmelzung auf Glas zu übertragen, oder ganze
Bilder aus Stücken farbigen Glases zusammenzusetzen.
Dieser Kunstzweig hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte
nu ungeahnter Höhe emporgeschwungen, und obgleich sich die
äglich mehr an Verbreitung gewinnenden Erzeugnisse solcher
Art zwar schon längst der Aufmerksamkeit und Bewunderung
edes Kunstliebhabers erfreuen, so ist doch im Allgemeinen
ioch so wenig über die Entstehung, resp. Geschichte und Her—
tellungsweise derselben bekannt, daß eine diesbezügliche Er—
lärung wohl Manchem von regem Interesse sein dürfte, —
imsomehr, als seitens der damit Beschäftigten von jeher ein
indurchdringlicher Schleier und eine mysteriöse Geheimniß—
huerei über die Eigenthümlichkeiten und sonstigen technischen
Figenarten ihres Berufes gewahrt worden ist.
Die Erfindung des Glases reicht weit bis in vorchristliche
Zeiten zurück; doch wurde dasselbe Jahrhunderte hindurch lediglich
zur Herstellung künstlicher Edelsteine und zur Anfertigung
leinerer Gefäße benutzt, bis man erst gegen Ende des dritten
Fahrhunderts n. Chr. auf den Gedanken kam, Versuche anzu—
tellen, ob man dasselbe nicht auch als Verschluß der Licht—
»ffnungen an Gebäuden anwenden könne. Der Erfolg war
ein überraschender, überaus günstiger; das Innere der Kirchen
vor Allem, welches bisher in Halbdunkel gehüllt war — denn
nan hatte sich bis dahin mit Teppichen, und Tuchvorbängen
deholfen — erglänzte nun im hellen Tageslicht, und ungemtin
rasch verschaffte sich jetzt die Anwendung des Glases, besonders
ür größere Gebäude, ausgedehnte Verbreitung.
Das Glas war jedoch derzeit noch sehr kostspielig und
da seine Anfertigung wohlgehütetes Geheimniß Weniger war,
»cgann man erst im Laufe des sechsten Jahrhunderts, zu
velcher Zeit es wohlfeiler zu werden anfing, es allmälich
auch für Wohnhäuser anzuwenden, und von da erst gelangte
s in allgemeineren Gebrauch.
Die natürliche, ja beinahe nothwendige Folge davon war,
daß die Technik schnelle Fortschritte machte und die Kunst ihr
Augenmerk auf die neue Industrie zu richten begann.
Der Umstand, daß man bisher nur kleinere Glasstücke
erzustellen verstand, bedingte die Verbindung der einzelnen
Theile für größere Flächen, indem man dieselben mit Blei—
treifen umfaßte und diese wiederum aneinander löthete; bald
lernte man jedoch mittels verschiedenfarbiger Gläser prächtige
Muster herzustellen, wozu wohl unzweifelhaft die obenerwähnten
bunten Teppiche die erste Anregung gegeben haben werden,
die früher zum Verschluß der Fensteröffnungen gedient hatten.
Die fortwährende Reuerfindung ungekannter Farbengläser
»ermehrte gleichzeitig die zur Verfügung stehenden Mittel der
Technik, bis auf einmal durch die Entdeckung einer Mineral—
'arbe — des sogenannten Schwarzlothes — mit der man nicht
iur auf Glas malen konnte, sondern die sich auch in dasselbe
eiinbrennen ließ, ein ganz neues Gebiet, nämlich das der Glas—
malerei, erschlossen wurde.
Man hatte zwar schon vorher auf Glas gemalt, doch
rlagen die kalt angewandten Farben schnell den Einflüssen
der Witterung, während sich nun das aufgetragene Schwarz—
oth nach dem Einbrennen mit dem Glase förmlich zu einem
dörper vereinigte, und erst von diesem Zeitpunkte an ließe sich
daher mit Recht von Glasgemälden im richtigen Sinn des
Wortes sprechen, da alles früͤher Geleistete doch nur als reine
Hlas-Mosark-Arbeit zu betrachten ist, d. h. ornamentale Um—
isse in Blei, welche von durchsichtigen farbigen Gläsern an—
efüllt waren