Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 53, Bd. 12, 1893)

Die Forderungen der Bauhandwerker bei Neubauten. 
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Die Forderungen der Lauhandwerker bei 
Ueunbauten. 
Die zum Theil ungünstige Lage des Baugewerbes werde 
von der sehr rührigen Agitation, die sich in den Interessenten— 
rreisen gebildet habe, in stark übertriebener Weise geschildert, 
ffenbar zu dem Zweck, um für die sehr weitgehenden An— 
orderungen der Bauhandwerker öffentlich Stimmung zu machen 
ind in weiteren Kreisen Sympathien zu erwecken, was denn 
ruch zum Theil mit gutem Erfolge geschehen sei. Wer die 
iffentliche Meinung mit dem gehörigen Geschick und der er— 
orderlichen Ausdauer bearbeite, könne wenigstens vorübergehend 
eines Erfolges in der Regel sicher sein. Es sei schon früher 
hervorgehoben worden, daß die in dem Baugewerbe vorhandenen 
die Mißstände bisher vorzugsweise nur in den großen Städten 
jervorgetreten seien und ganz besonders in Berlin, wo in Folge 
»es überaus schnellen Wachsthums der Bevölkerung eine 
ehr rege Bauspekulation herrsche. Hier geschehe es nicht 
elten, daß ganz vermögenslose Personen Grundstücksflächen 
rwerben, um auf denselben mit fremdem Gelde Häuser zu er— 
dauen und letztere demnächst vortheilhaft zu veräußern. Daß 
diese Bauunternehmer für ihre Person völlig zahlungsunfähig 
eien, sei den Bauhandwerkern in den allermeisten Fällen 
vohlbekanut. (7) Auf diesen Umstand, dessen Richtigkeit nicht 
iur von den Interessenten selbst zugestanden, sondern auch in 
den Berichten, welche die Herren Minister des Innern und 
der Justiz von dem Polizeipräsidenten und dem Landgerichts— 
)räsidenten in Berlin eingefordert hätten, ausdrücklich bestätigt 
verde, sei das allergrößte Gewicht zu legen. Denn trotz der 
Kenntniß von der gänzlichen Kreditunwürdigkeit dieser Unter— 
iehmer drängten die Bauhandwerker sich förmlich dazu, an 
den betreffenden Arbeiten betheiligt zu werden, und zwar 
inter Außerachtlassung jeder, durch die Sachlage unbedingt 
gebotenen Vorsicht. Sie thäten dies in der Erwartung, daß 
s gelingen werde, den Bau fertig zu stellen und zu einem 
sohen Preise zu verkaufen, in welchem Falle auch zu ihrer 
Befriedigung ausreichende Mittel vorhanden seien. Häufig 
aber treffe jene Erwartung nicht zu, theils weil sich ein ge— 
igneter Kaufer nicht finde, theils weil dem Unternehmer die 
Heldmittel ausgingen und bei der nunmehr nicht zu ver— 
neidenden Zwangsversteigerung des Bauwerks nur ein ver— 
zältnißmäßig geringer Kaufpreis erzielt werde In den zahl— 
reichen Fällen dieser Art seien also die Bauhandwerker Theil— 
iehmer an der Bauspekulation, die ihnen im Falle des Ge— 
ingens bei den hoch bemessenen Arbeitspreisen reichlichen Ge— 
winn verspreche, andererseits aber auch die dringende Gefahr 
eträchtlicher Verluste mit sich bringe. 
Dieser spekulative Geschäftsbetrieb, sowie die ungesunde 
donkurrenz der Bauhandwerker unter einander seien die Haupt— 
irsachen, welche die zum Theil ungünstige Lage des Bau— 
zewerbes in den großen Städten verschuldeten. Die Gesetz— 
Jgebung könne sich nicht die Aufgabe stellen, die Betheiligten 
yor Verlusten zu schützen, welche sie aus gewagten Geschäften 
erleiden. Das Verlangen der Bauhandwerker, daß ihnen die 
Bezahlung ihrer Forderungen unter allen Umständen durch das 
Hesetz gewährleistet werde, auch wenn sie selbst es an jeder 
geschäftlichen Vorsicht hätten fehlen lassen, sei ein unberechtigtes. 
In erster Reihe würden sich die Bauhandwerker selbst zu helfen 
jaben, indem sie die Betheiligung an Geschäften, deren Bedenk— 
ichkeit und Gefährlichkeit von vornherein klar in die Augen 
pringe, nach Möglichkeit zu vermeiden suchten. Auch sonst 
verde sich im Wege der Selbsthilfe, z. B. durch gemeinschaftliche 
Interessenvertretung, durch die Bildung von Vereinigungen, 
deren Mitglieder sich die Verfolgung gewisser solider Geschäfts— 
zrundsätze zur Pflicht machen und dergl., Manches zur Be— 
eitigung der vorhandenen Mißstände thuün lassen. Das solide 
Baugewerbe brauche keinen weiteren Schutz, als ihm durch das 
zeltende Preußische Recht gewährt sei und auch künftig durch 
das Bürgerliche Gesetzbuch gewährt werden würde, voraus— 
Jesetzt, daß von dem gegebenen Schutzmittel rechtzeitig und 
mergisch Gebrauch gemacht werde, woran es bisher in Preußen 
ielfach gefehlt zu haben scheine („Grundeigenthum.“ 
Die bekannten Petitionen zu Gunsten der Einräumung 
eines Worrechts sür Forderungen, die aus Arheiten oder 
Heferungen zu Neubauten herrühren, haben in der adgelaufenen 
Landtagssession die Justizkommission des Abgeordnetenhauses 
eingehend beschäftigt. Ueber die Verhandlungen ist ein sehr 
weitläufiger Kommissionsbericht erschienen. Die Justizkommission 
hatte beschlossen, mit Rücksicht auf die in Aussicht genommene 
reichsgesetzliche Regelung der fraglichen Materie über die 
Petitionen zur Tagesordnung überzugehen. Gerade wegen 
dieser Bezugnahme auf die in Aussicht genommene reichsgesetz- 
liche Regelung interessirt aus dem Kommissionsbericht dasjenige, 
was dié Regierungskommissarien selber über die Art dieser 
reichsgesetzlichen Regelung mitgetheilt haben. 
Die Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs 
rines bürgerlichen Gesetzbuchs hat im Einverständniß mit dem 
preußischen Justizminister beschlossen, die rechtliche Lage der 
Bauhandwerker dahin zu regeln, daß dem Uebernehmer eines 
Bauwerkes oder eines Theiles eines solchen das Recht zustehen 
solle, wegen seiner Forderungen aus dem Werkvertrage eine 
Sicherungsbypothek in das Grundbuch des dem Besteller ge— 
hörigen Baugrundstücks eintragen zu lassen. Schon diese 
Regelung sei nur mit großer Mühe beschlossen worden 
gegen den Widerspruch fast aller Vertreter der übrigen Bundes— 
regierungen, und nur mit einer sehr geringen Stimmenmehrheit 
sei der preußische Vorschlag zur Annahme gelangt. Weiter— 
zehende Maaßregeln zu Gunsten der Bauhandwerker seien all— 
Jemein als unausführbar bezeichnet worden. 
Wenn nach diesen Beschlüssen das bürgerliche Gesetzbuch 
redigirt würde, so würde die rechtliche Lage der Bauhandwerker 
in ganz Deutschland die folgende sein: Wenn ein Bauhand— 
werker für geleistete Arbeiten oder Auslagen etwas zu fordern 
hat und von dem Bauherrn fretwillige Bezahlung oder Sicher— 
stellung nicht zu erlangen vermag, so kannser, auch wenn die 
Forderung nach Inhalt des Werkvertrages noch nicht fällig ist, 
bei dem Prozeßrichter den Erlaß eiuner einstweiligen Verfügung 
beantragen, durch welche ihm gestauet wird, wegen seiner 
Forderung eine Vormerkung in das Grundbuch des dem Bau— 
herrn gehörigen Baugrundstücks eintragen zu lassen. Er hat 
zu diesem Zweck nichts weiter zu thun, als den Betrag seiner 
Forderung glaubhaft zu machen, was durch Bezugnahme auf 
den Werkvertrag und durch Bescheinigungen über die bisherige 
Bauausführung leicht geschehen kann; dagegen braucht er 
nicht — und das ist der wesentliche Unterschied und Vorzug 
im Verhältniß zu dem Arrest — auch ferner glaubhaft zu 
machen, daß seine Forderung gefährdet ist. Sobald er die 
Ausfertigung der einstweiligen Verfügung in Händen hat, 
wendet er sich an den Grundbuchrichter mit dem Antrage, die 
Vormerkung für ihn einzutragen Mit der Einreichung dieses 
Gesuchs au das Grundbuchamt hat er sich die belreffende 
Hypoibekenstelle gesichert. Nachdem die Forderung rechtskräftig 
festgestellt, oder sonst ein vollstreckbarer Titel für dieselbe er— 
langt ist, kann er die Vormerkung jederzeit in eine endaillige 
Hyporhek“ umschreiben lassen. 
Dieses Recht.—, so führte der Herr Regierungskommissar 
ferner ans — vorausgesetzt, daß es rechtzeitig und energisch 
Jehandhabt werde, sei ein sehr werthvolles Mittel, um den 
Bauhandwerkern zu ihrer Befriedigung zu verhelfen. Natürlich 
könne auch dieses Recht die Bauhandwerker nicht gegen die— 
jenigen Gefahren schützen, in welche sie durch cinen unvorsichtigen 
oder spekulativen Geschäftsbetrieb namentlich alsdann gexriethen, 
wenn sie sich ohne jede Sicherstellung mit Bauunternehmern 
einließen, deren Kreditunwürdigkeit ihnen wohlbekannt sei. 
Allein gegen solche Gefahren Schutz zu gewähren, sei nicht 
Sache der Eivilgesetzgebung, vielmehr müsse erwartet werden, 
daß die Bauhandwerker, ebenso wie es von allen anderen 
Hindwerkern und von allen großjährigen Menschen verlangt 
werde, bei ihrem Geschäfishetrieb mit der erforderlichen Vorsicht 
zu Werke gingen
	        
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