Arbeitertäktik.
Arbeitertaktik.
Der vor kurzem erschienene Jahresbericht der Gewerbe⸗
kammer in Hamburg, welcher unter Anderem in eingehendster
Weise die rechtswidrigen Mittel zur Erreichung eines höheren
Lohnes oder anderer Forderungen der Arbeiter im Baugewerbe,
hauptsächlich das Treiben des Fackvereins der dortigen Maurer-—
gesellen, schildert, verdient, in allen Kreisen des Baugewerbes
bekannt zu werden. Es ist geradezu unglaublich und für den
Unbetheiligten unfaßbar, wie weit der Zwang der unter
sozialistischem Einfluß stehenden Arbeitermassen geht, wie ein
igenes System in diesen Kreisen ausgebildet wird, um den
Meister (Brodgeber) nicht allein zu schädigen. sondern einfach
zu ruiniren.
An der Hand des Berichts geben wir nach der „Zeitung
für Blechindustrie“ einzelne Thatsachen, wie dieselben von den
betroffenen Meistern geschildert wurden, wieder:
Maurermeister A. hatte im Jahre 1891 einen Bau über—
nommen und mit seinen, an diesem Bau arbeitenden Gesellen
einen Kontrakt geschlossen, daß für 1000 vermauerte Steine
10 Mk. 50 Pfg. bezahlt werden sollten. Jeder war hiermit
einverstanden, bis daß die Arbeiter auf irgend eine Art er—
fahren hatten und auf's Eingehendste davon unterrichtet waren,
daß ihr Arbeitgeber den betr. Bau bis zu einer gewissen Zeit
fertig übergeben müsse, im andern Falle aber eine bedeutende
Konventionalstrafe zu zahlen habe. Diese Kenntniß der Sach—
lage veranlaßte die Arbeiter, trotz des bestehenden Kontrakts,
erhöhte Lohnforderungen zu stellen und im Weigerungsfalle
die Niederlegung der Arbeit anzudrohen, um den Meister an
der rechtzeitigen Fertigstellung des Bauez zu hindern.
A. bewilligte die Forderung: 1Mk. per 1000 Steine
mehr zu zahlen, nunmehr denkend, die Leute würden zufrieden—
gestellt sen Zu seinem Schaden sollte er am folgenden Tage
erfahren, daß die bewilligte Forderung den Arbeitern nich!
genügte. Dieselben, die Zwangslage des Meisters benutzend,
forderten unter Drohung der Arbeitseinstellung wieder mehr
Auch diese Forderung wurde Seitens des Meisters bewilligt,
bis die Arbeiter, unter erneuter Drohung der Arbeitsnieder—
legung, 17 Mk. pro 1000 Steine Arbeitslohn verlangten.
Diese unverschämte Forderung wurde Seitens des Meisters
abgelehnt; die Folge davon war die sofortige Einstellung der
Arbeit. Obgleich es Herrn A. nun gelang, andere Arbeitet
zu beschaffen, so war doch durch die fortwährenden Quereleien
der Maurergesellen soviel Zeit verloren gegangen, daß der
Bau nicht zur vertragsmäßig festgesetzten Zeit fertig gestellt
werden konnte und die hohe Konventionalstrafse von 25 00)0 Mf
bezahlt werden mußte.
Wenn, wie in dem angezogenen Bericht gesagt wird, daß
die Bauhandwerker in Hamburg, und gerade die Maurer, am
besten bezahlt werden, indem solche Leute nach Aussage von
Sachverständigen —11 Mk, bei 91stündiger Arbeitszeit,
täglich verdienen, so ist die oben geschilderte Handlunasweise
als unverschämt gering bezeichnet.
Einen andern Fall berichtet Maurermeister B.:
„Eines Tages komme ich auf einen von mir geleiteten
Bau, wo Alles feiert. Auf meine verwunderte Anfrage ant—
worteten mir die versammelten Gesellen, daß sie mehr verdienen
müßten, und wenn ich die gestellten (sogar schriftlich verlangten)
Forderungen nicht bewillige, sie die Arbeit sofort einstellen
würden. Ich berief mich auf den unter uns abgeschlossenen
Kontrakt, nach welchem die Arbeit geleistet werden müsse und
den Jedermann zu halten verpflichtet sei. Doch trotz Kontrakts
blieben dieselben bei ihren unrechtmäßigen Ansprüchen, und
ich mußte wohl oder übel die Forderungen bewilligen.
Durch diese, durch nichts gerechtfertigte Arbeitseinstellung
der Gesellen erklärten mir nun die auf jenem Bau mit—
beschäftigten Steinträger, daß sie in der Zeit, in welcher die
Ersteren die Arbeit eingestellt hätten, auch zum Feiern ge—
zwungen gewesen seien, und verlangten für die müßige Zeit
hren vollen ausbedungenen Lohn. Auch diese Forderung der
Steinträger wurde meinerseits bewilligt und glaubte ich somit
sämmtliche Wünsche der Leute erfüllt zu haben. Wie staunte
ch, als ich am folgenden Tage denselben Bau besuchte!
Sämmtliche Steinträger hatten die Arbeit eingestellt und er—
lärten mir, sie müßten mehr verdienen, und im Falle meiner
Weigerung, ihnen Lohn zuzulegen, nicht wieder zu arbeiten.
Rachdem ihre Forderung bewilligt, erklärten nun die Maurer—
gesellen ihrerseits, wie am Tage zuvor die Steinträger, daß
ie durch die Arbeitseinstellung der Letzteren zum Nichtsthun ge—
wungen gewesen seien und verlangten daher auch, wie diese.
hren vollen Lohn.“
Durch beide, im gegenseitigen Einverständniß handelnden
Arbeitergruppen, die diese Schraube Herrn B. gegenüber noch
jfter im Laufe der Bauperiode anzogen, ist derselbe schwer
geschädigt, mußte jedoch schließlich sämmtliche Forderungen, um
echtzeitig abliefern zu können, bewilligen.
Wie weit die Anmaaßung des Fachvereins der Maurer—
gesellen geht, beweist folgender Fall:
Maurermeister J. hatte wegen ungebührlichen Benehmens
drei Gesellen von deren Arbeitsstelle fortgewiesen. Am folgen—
den Tage erhielt derselbe Seitens genannten Fachvereins
olgende Zuschrift:
„Bezüglich der Arbeitsentlassung (folgen die Namen) am
gestrigen Tage aus Ihrem Geschäft theilt der unter—
zeichnete Vorstand Ihnen hierdurch mit, daß die Entlassuug
der genannten Personen eine unbegründete war und Sie
dcshalb unsererseits angewiesen werden, bei Vermeidung
der Bausperre, welche am .. . . Tage den 11. d. Mts.,
bis wann Sie sich erklärt haben müssen, in Kraft tritt,
die betr. Gesellen entweder wieder in Arbeit zu stellen,
oder denselben den vollen Lohn, in jedem Falle bis Sonn—
abend 6 Uhr, zu bezahlen
Ihre schriftliche Erklärung bis zum 10. ds. Abends
7 Uhr erwartend Der Vorstand
——
Ein weiterer Fall fachvereinlicher Uebergriffe und sozial—
demokratischer Unverfrorenheit möge zum Schluß noch Etwähnung
men; derselbe wird ven einem Töriermeister mügeiheile.
„Während der Arbeitseinstellung der Töpfergesellen sah
ich die Innung genöthigt, der fortwährenden maaßlosen An—
prüche und sonstigen Forderungen der Gesellen müde, fremde
Arbeitskräfte heranzuziehen. Zu diesem Zwecke wurden in
Schweden geeignet erscheinende Gesellen augenommen. Schon
u Lübeck mußten bei Ankunft der Schweden, welche durch
damburger Innungsmitglieder geleitet wurden, die Letzteren
»olizeiliche Hilfe in Anspruch nehmen, um die Fremden
mit vieler Mühe an den Ort ihrer Bestimmung zu bringen.
Hier augekommen, entwickelte der Fachverein der Töpfer
eine derartige aufreizende Thätigkeit, daß nach kurzer Zeit
ämmtliche Schweden Hamburg wieder verlassen mußten; selbst
in körperlichen Mißhandlungen hat es nicht gefehlt. Der
ührende Fachverein (und hierin gipfelt die Unverfrorenheit
»esselben) sandte der Innung eine schriftliche Aufforderung
ur Zahlung von 1700 Mk. bei event. Klagestellung zu, die
hmu (dem Fachverein) durch Rücktransport der fremden
Arbeiter erwachsen sei. Es ist dies allerdings eine starke Zu—
nuthung, und ist leider nicht gesagt, wie sich die Innung
iesem Ansinnen gegenüber gestellt hat; hoffentlich hat dieselbe
dem pp. Fachverein die gebührende Antwort nicht vorenthalten.“
Aehnlich lauten noch eine ganze Anzahl Berichte ver—
chiedener Baugewerksmeister, welche alle zur Genüge beweisen,
»aß es oft eine Plage für den heutigen Handwerksmeister ist
mag er Baumeister sein oder sonst ein Gewerbe betreiben),
ine Anzahl Leute zu beschäftigen. Leider ist schon seit Jahren
das Bestreben, das Wohlergehen ihres Brodherrn zu fördern,
»ei vielen Gesellen gänzlich geschwunden; das Interesse am
Beruf, sowie die Berufsehre sind sozialdemokratischen Irrlehren
zum Opfer gefallen; an Stelle dessen ist lediglich das Streben
zetreten, den Meister als fortwährend und bei möglichst wenig
Arbeit reichlich spendenden Geldbeutel zu betrachten.
Weiter geht aus dem Berichte Eingangs erwähnter
dammer hervor, daß es zur unbedingten Nothwendigkeit ge—
vorden ist, daß sich die gewerblichen Gruppen eng aneinander—
chließen (Verbände bilden), um diesem perfiden Treiben der
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