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Entscheidungen. — Bautcchnische Notizen. — Vermischtes.
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Ausübung des Gewerbes ist nach einem Urtheil des Reichsge—
richts, II. Strafsenats, vom 26. September 1893, durch die Ge—
verbe-Ordnung-Novelle vom 1. Juni 1891, welche am 1. April
1892 in Kraft getreten ist, wesentlich anders geregelt, als sie
his dahin bestanden hat. Während früher der Gewerbetreibende
für Polizei-Kontraventionen seiner Betriebsbeamten ohne weiteres
trafrechtlich haftbar war, wenn er nicht die Leituing des Betriebes
in vollem Umfange einem Andern (einem Stellvertreter im Sinne
des 8 45 Gewerbe-Ordnung) übertragen hatte, so ist er jetzt
nicht mehr für Kontraventionen seiner Werkführer, Aufsichtsbe—
umten strafrechtlich verantwortlich, weun er weder dolose, noch
rinsichtlich der ihm nach den Verhältnissen möglichen eigenen Auf—
icht des Betriebes oder der Auswahl oder der Beaufsichtigung
seiner Werkführer ꝛc. fahrlässig gehandelt hat.
Nach 8 11 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung
»om 11. März 1850 hat der Minister des Innern über die Art
der Verkündigung von Polizei-Verordnungen, die von deu Be—
irksregierungen erlassen werden, sowie über die Formen, von
zeren Beobachtung die Giltigkeit der Verordnungen abhängt, Be⸗—
timmungen erlassen. Demgemäß ist vom damaligen Minister
des Innern am 6. Juni 1850 angeordnet worden, daß jede der—
artige Polizei-Verordnung die Ueberschrift „Polizeiliche Vorschrift“,
Polizei-Verordnung“ oder „Polizei-Reglement“ tragen muß.
Das Kammergericht hat nunmehr entschieden, daß die von der
RNegierung zu Magdeburg erlassene „Baupolizei-Ordnung für das
lalte Land des Regierungsbezirks Magdeburg“ rechtsungiltig
sei, weil sie eine jener Ueberschriften nicht trägt. Diese Bau—
»olizei-Ordnung ist schon vor Jahren erlassen worden und bis
etzt ohne Anfechtung geblieben; alle auf Grund derselben er—
assenen Vorschriften sind demnach rechtsungiltig gewesen und
alle Strafen wegen Zuwiderhandlungen zu Unrecht verhängt
vorden. Von dieser Entscheidung des Kammergerichts werden
nuch nunmehr andere Baupolizei-Ordnungen betroffen werden;
denn es sind deren auch in anderen Bezirken erlassen worden, ohne
daß sie in der Ueberschrift ausdrücklich als Polizei-Verordnungen
»ezeichnet worden sind. — Vor ein paar Jahren wurde übrigens
ruch wegen eines Formfehlers die Baupolizei-Ordnung für die
Stadt Magdeburg für rechtsungiltig erklärt.
Aιltersrente haben will bi guch Jace o
des Gesetzes vom 22. Juni 1889 dd adat —
daß er während der dem Inkrafttreten dieses Gesetzes unmittel—
har vorangegangenen 141 Wochen hindurch in einem nach diesem
Gesetze die Versicherungspflicht begründenden Arbeitsverhältniß
gestanden hat. Dieser Nachweis wird besonders den nicht
fändigen Arbeitern unendlich schwer; manche greifen dann in
hrer Noth zu Mitteln, die ihnen nicht die ersehnte Rente ver—
chaffen, sondern die alten, bisher unbescholtenen Bewerber ins
Hefängniß bringen. Am 30. November d. J. verurtheilte das
dammergericht den Arbeiter G. zu 14 Tagen und seine angebliche
Arbeitgeberin zu drei Tagen Gefängniß wegen Betruges, respektive
Beihilfe. Dem Angeklagten fehlten 12 Wochen, um die kritischen
141 Wochen nachzuweisen; Frau T. ließ sich erweichen und be—
cheinigte dem alten Renteubewerber, daß er 12 Wochen bei ihr
gegen Tagelohn gearbeitet habe. Die Beweisaufnahme ergab
aäber die Unrichtigkeit dieser Bescheinigung. Die Strafkammer
derurtheilte dann den Greis und die angebliche Arbeitgeberin zu
oben erwähnter Gefängnißstrafe; die Revision der Verurtheilten
bheim Kammergericht konnte von Erfolg nicht begleitet sein.
Bautechnische Notizen.
Konserviruug von Seilen. A. Drahtseile. Zur guten In—
standhaltung von Drahtseilen empfehlen sich nach der „Deutschen Techniker⸗
Zeitung“ solgende Mittel: 1. Graphit wird in Talg gekocht und diese
zutterähnliche Schmiere mit einer Bürste auf das Drahtseil aufgetragen.
Je nach der Inanspruchnahme des letzteren und den örtlichen Verhält—
aissen ist diese Einschmierung alle drei bis sechs Wochen zu wiederholen;
sie schützt sehr gut vor Rost und verhindert sowohl das Abscheuern des
Seiles an den Seilscheiben, als auch eine Reibung der Drähte untereinander,
denn die Schmiere findet ihren Weg auch in die kleinsten Zwischenräume.
2. Rohes Leinöl wird mit vegetabilischem Theer gemischt und auf das
Drahtseil gebracht. Dieser Anstrich bildet eine schützende Oberfläche und
»ewahrt das Seil vor Rost und vorzeitiger Abnutzung. 3. Um Seile unter
Wasser oder unter der Erdoberfläche zu erhalten, ist folgendes Mittel an—
zuwenden: 35 1 gelöschter Kalt kommen mit 50 bis 60] mineralischem
oder vegetabilischem Theer in Mischung, die gekocht wird. Das Gemisch
vird dann heiß auf das Seil gebracht. — B. Hanfseile. Um Hanfseile,
deren Haltbarkeit in feuchter, dumpfiger Atmosphäre stark beeinträchtigt
vird, für alle Fälle recht dauerhaft zu erhalten, empfiehlt es sich, dieselben
iach folgenden Recepten zu imprägniren: NAuf je 11 Wasser werden
100 8 Seife gelöst und dann das trockene Seil durchgezogen, worauf es
retrocknet wird. Dann folgt ein Anstrich von dünnem heißen Theer, nach
welchem das Seil noch zum Trocknen der Luft ausgesetzt wird. Oder: Auf
je 11 Wasser werden 150 g Kupfervitriol gelöst und das trockene Sei
etwa vier Tage in dieser Löfung gelassen, nach welcher Zeit es actrockve
und alsdann noch mit einem Theeranstrich versehen wird.
Uermischtes.
Herzogliche Bangewerkschule Holzminden au Fachschule für
Rauhandwerker. 4 Klassen b Fachschule für Maschinen- und Mühlen—
hauer 4 Klassen. Winterhalbjähr 188:3 4. Direktor: L. Haarmann, YAigbmütr.
Schülerzahl: 985 und zwar in der Fachschule für Bauhandwerker
dlasse 1147, Klasse Il 210, Klasse 111 286, Klasse IV 216, im Ganzen
62; in der Fachschule für Maschinen- und Mühlenbauer: Klaye 120
Klasse 11 22, Klasse 111142, Klasse IV.B, im Ganzen 123 Schüler.
Dem Berufe nach sind 513 Maurer, 21 Steinmeßen, 281gimmerer,
12 Dachdecker, 30 Tischler, 2 sonstige Baubeflissene, 101 Schlosser und
Maschineubauer, 10 Müller und Mühlenbauer, 3 Kupferschmiede, 4 Modell⸗
ischler, 2 Former, 2 Schmiede, 1 Mechaniker.
Die Vorbildung der Schüler vor deren Auinahme in die Herzogl.
Baugewerkschule betreffend, haben 555 nur Volksschule, A0 BRürgerschule,
15 höhere Bürger- und Mittelschule, 46 Realschule, Nealgymnasium,
13 humanist. Gymnasien, 46 Fortbildungsschulen und Gewerbeschulen,
5 andere Baugewerkschulen und das Lehrerseminar besucht. 53 besitzen
den Berechtigungsschein zum einjährigen Militärdienst.
In der mit der Schule verbundenen Verpflegungsanstalt haben 295
Schüler Wohnung und Beköstigung; die übrigen Schüler wohnen bei
Bürgern der Stadt. — 8.
Die Handwerkerfrage.*) Der Gesetzentwurf, welcher jetzt nicht
nur alle Handwerkerkreise, sondern alle Diejenigen beschäftigt, welche für
das Verkehrsleben Interesse haben, dürfte auch in Hausbesitzerkreisen die
Frage anregen: Was kann der Hausbesitzer thun, um das Wohl der
dandwerker zu fördern? Wir meinen: sehr viel und wollen daher den
iesbezüglichen geschäftlichen Verkehr näher betrachten. Abgesehrn vom
seubau eines Hauses, hat jeder Hausbesitzer mit den verschiedenen Hand—
verkern zu thun, da Erneuerungen und Verbesserungen in jedem Hause
vauernd eine unabweisliche Nothwendiakeit aeworden sind, um die An—
prüche der Miether zu befriedigen.
Wird nun einem Handwerker ein Auftrag, der nicht dem alltäglichen
Bedürfniß entspricht, so weiß er gewöhnlich nicht, oder er vermeidet es,
zenau die Herstellungskosten anzugeben. Was hat nun der Hausbesitzer
zu thun, um Mißhelligkeiten zu entgehen? 1. Der Hausbesitzer soll
riemals cinen Auftrag ertheilen, ohne genaue Preisabrede und ohne dessen
Unnahme und Uebernahme sich schriftlich bestätigen zu lassen. Bei kleinen
— —— — ——— 4 diddbe in Gegenwart des Benuf—
ragten in fein Buch schreibt und diesem vorliest, noch besser sich unter—
chreiben läßt.
Weigert sich ein Handwerker zu einer vollständig korrekten Abmachung,
'owohl betreffs des Herstellungspreises, als der Lieferzeit und Feststellung
»er übernommenen Arbeit, so soll der Hausbesitzer den Auftrag unterlassen
ind diesen nur dem ertheilen, der sich zu entsprechender Abmachung bereit
erklärt. — 2. Auf eine unfertige oder rechnungsmäßig nicht festgestellte
deistung zahle man niemals einen Vorschuß, wohl aber sofort bei Be—
jändigung der Rechnung. Letztere ist sodann möalichst schnell zu revidiren,
estzustellen und baar zu begleichen.
Wir meinen also, der Hausbesitzer ist verpflichtet, im Verkehr mit
dem Handwerker auf strenge Ordnungslicbe, Klarheit der Abmachung, so—
vohl betreffs der Beschaffenheit der gewünschten Arbeit, als betreffs deren
Preis bedacht zu sein und somit im eigenen Interesse des Handwerkers zu
jandeln. Denn fragen wir uns: worunter leidet der Handwerkerstand
seut am meisten? nicht an mangelnder Arbeit, wohl aber an mangelnder
Ordnung in seiner Geschäftsführung, und diese zu fördern ist eine wirth—
chaftliche Aufgabe jedes mit demselben Verkehrenden. Es ist allgemein
vekannt und leicht nachzuweisen, daß viele Handwerksmeister, wir haben
jier z. B. Maurer Zimmerer, Maler und dergl. im Auge, deren
Rechnungen über gelieferte Arbeiten zur Revision ein Aufmessen der ge—
iejerten Arbeit erfordern, mit Abgabe der Rechnungen säumig sind. In
zielen Fällen ist letzteres nach längerer Zeit nur schwer zu ermöglichen
ind es werden Rechnungen abgegeben, die dem wirklichen Sachverhalt
ehr wenig entsprechen und zu Streit und Prozessen Anlaß geben. Ein
olches Gebahren ist unseres Dafürhaltens der Beginn des Ruines vieler
dandwerksmeister. Es wäre für diese Saumseligkeit vielleicht eine sehr
vohlthätige Maaßregel, wenn es eine gesetzliche Bestimmung gäbe,
Jorderungen für Arbeiten, über welche in einer festgesetzten Zeit, sei es 3
»der 6 Monate nach Fertigstellung .der Arbeit, die Abrechnung dem Be—
steller nicht vollständig und abschließend behändigt werden, sizzoe gicht
einklagbar. Anscheinend klingt eine solche Ansorderung hart, Vielen wäre
dieselbe aber ein sehr krästiger Sporn, ihre Pilicht pünttlich und sach—
gemäß zu erfüllen. Dies hierbei jedoch nur nebensächlich; das Eingangs
Hesaate empfehlen wir in erster Linie zur Beherzigung.
(Meitth. s. Grundbest
*) Die nachfolgenden, aus den Kreisen der Hausbesitzer stammenden
Mittheilungen enthalten manches Gute, daneben aber ganz veraltete Auf—
assungen. Die darin empfohlene raschere Bezahlung der Baurechnungen
vird hoffentlich endlich zur Wahrheit werden, nachdem in diesem Punkte
elbst von reichen Leuten viel gesündigt wurde. Im übrigen scheinen die
derren zu glauben, daß sie die Reellität in Erbpacht genommen haben —
ein starker Irrthum, von dem mancher Baugewerksmeister ein schlimmes
Lied singen kann. Red. des „Deutsch. Baugewerks-Blattes“