Full text: Deutsches Baugewerks-Blatt : Wochenschr. für d. Interessen d. prakt. Baugewerks (Jg. 53, Bd. 12, 1893)

Die hngienischen Grundsätze der Baugesetzgebung. — Die Anordnung und Größenverhältnisse der Wohnräume. 
Die hygienischen Grundsätze der Baugesetz- ade öffentlichen Verkehr oder die öffentliche Be— 
— j nutzung. 
gebung. iin umfangreichen Theil des Gruber'schen Werkes 
hilden die Bestimmungen, welche die Bewilligung und 
Durchführung eines Baues, sowie die Bewilligung für 
dessen Benutzung betreffen. Dann folgen Bemerkungen 
über die Instandhaltung und Reinigung, sowie die Benutzung 
bestehender Gebäude, den Abbruch mangelhafter oder 
aus Verkehrsrücksichten zu beseitigender Häuser, Vorschläge 
und Anhaltspunkte für die Anwendung von Bestimmungen 
neuerer Bauordnungen für bereits genehmigte oder bestehende 
Bebäude und endlich die Grundzüge für die Organisation der 
zur Wahrung und Durchführung der Bauordnung berufenen 
Behörden in Bezug auf die sanitären Interessen. 
Damit ist der Inhalt des Werkes, das trotz seiner ge— 
drängten Abfassung eine schier unerschöpfliche Menge von 
Anregungen und Fingerzeigen birgt, in kurzen Zügen an— 
zedeutet. Der Verfasser hat in allererster Linie die Be— 
ziehungen zwischen der öffentlichen Gesundheitspflege und 
der Baugesetzgebung zum Ausdrucke gebracht. Da er 
aber nicht allein ein ausgezeichneter Hygieniker, sondern 
auch ein hervorragender Techniker ist, so repräsentirt 
feine Arbeit nicht nur den Wunschzettel der Vertreter 
des Sanitätswesens, sondern auch den Ausdruck der wissen— 
chaftlichen Ueberzeugung und praktischen Erfahrung eines 
zielbewußten Architekten, und in der einschlägigen Literatur, 
die sich zumeist nicht über den Tagesstreit der momentanen 
Interessen und das enge Gebiet lokaler Bedingungen erhebt, 
nimmt sie derzeit unbestritten sofort einen allerersten Rang ein. 
Hofrath Gruber trennt den Begriff des Hygienikers 
von jenem des Arztes. Er spricht sich lebhaft dafür aus, 
daß es möglich sei, an der Schule sich Kenntnisse der Gesund— 
Jeitstechnik zu verschaffen und daß, insolange dies nicht der 
Fall ist, es sowohl für den Arzt, auch als für den Techniker 
Bewissenssache sei, sich diese Kenntnisse anderweitig zu sammeln. 
MWas heute übrigens in der Feststellung der Beziehungen zwischen 
GBesundheitspflege und Städtebau erreicht worden ist, hat 
Professor Gruber in seinem Werke niedergelegt. 
Es ist selbstverständlich, daß wir auf die ebenso wichtige, 
als zeitgemäße Arbeit Hofrath Gruber's, die weithin ver— 
diente Beachtung finden wird, noch ausführlicher zurückkommen 
werden.“) Vorläufig war es nur unsere Absicht, im Allgemeinen 
die Gesichtspunkte und Ziele des Verfassers zu kennzeichnen, 
der von seinen „Anhaltspunkten erhofft, daß die heute noch 
hielfach bestehenden ungünstigen Vehältnisse bald gebessert werden. 
Hofrath Gruber tritt auch dafür ein, daß die Gemeinde— 
verwaltungen für die besten, innerhalb eines gewissen Zeit 
raumes nach dem Inkrafttreten einer neuen Bauordnung durch— 
zeführten Anlagen Preise aussetzen sollen, mit welchen die 
Bauherren und Architekten gemeinsam zu betheiligen wären. So 
jollen die neuen, auf den Prinzipien der öffentlichen Wohlfahrt 
hasirten Bauordnungen nicht nur vorbeugen und bestrafen. 
sondern auch belohnen. 
Ingenieur Eduard Hoffmann. 
Die Anordnung und Größenverhüältnisse der 
Wohnrüume. 
Die Mittheilungen über die ausgezeichnete, die Beziehungen 
wischen Hygiene und Bauordnung darstellende Arbeit des Hof— 
athes Architekten Franz v. Gruber, die wir vorstehend in der 
heutigen Nummer unseres Blattes veröffentlichen, werden nicht ver⸗ 
zufehlen, bei einer großen Anzahl unserer Leser nachhaltiges Inter— 
esse erwecken. Wir geben nun nach dem erwähnten Werke des Hof— 
rathes v. Gruber zunächst jene Grundsätze wieder, welche er 
»ezüglich der Anzahl, Größe und Höhe der Räume einer Wohnung 
aufgestellt hat, sowie auch über die Anordnung und Größen— 
derhältnisse der zu mehreren Wohnungen führenden Verkehrsräume. 
Die Anzahl der Räume einer Wohnung ist nach dem 
eweiligen Bedarfe zu bestimmen, jeder Wohnung ist aber eine 
üche, ein Abort und, wenn irgend thunlich, auch eine Speise— 
tammer beizugeben, welche sämmtlich innerhalb des Wohnungs- 
—14 
In den großen Städten Europa's ist man gegenwärtig 
fast ausnahmslos in einer Umarbeitung der Bauordnungen 
begriffen. Ganz Deutschland ist in lebhafter Diskussion über den 
Autrag Adickes, des Bürgermeisters von Frankfurt a. M., der 
iner der besten Kenner der städtischen Bauverwaltung ist; in 
Berlin hat sich die Aufregung wegen der neuen Baupolizei— 
ordnung noch immer nicht gelegt; in Paris wird im Zu— 
jammenhange mit der Stadtbahnfrage die Einführung von 
Baunormen angestrebt, die auf lange Zeit hinaus den Weg 
für die Entwicklung der Stadt feststellen sollen; in London 
beschäftigt man sich nicht zum Geringsten mit einer städtischen 
Baugesetzgebung, die allen Anforderungen gerecht werden soll, 
und wird eine jüngst erschienene, bezügliche Schrift in allen 
Vereinen und Journalen lebhaft besprochen und sogar in 
Amerika wird fast in allen großen Städten an der Aenderung 
der Baugesetzgebung gearbeitet. Ueberall ist aber die Be— 
sprechung über diese wichtigen Fragen mehr ein Ausdruck des 
Gegensatzes der Interessen, als ein Wettstreit der Ideen, und 
es muß daher mit aufrichtiger Freude begrüßt werden, wenn 
ganz außerhalb des Lärmes dieser Kämpfe eine Stimme sich 
erhebt, welche abseits von den gewöhnlichen Wegen, die da 
für und wider eingeschlagen werden, in rein sachlicher und 
wissenschaftlicher Weise die Frage der Bauordnung für eine 
große moderne Stadt erfaßt und behandelt und nicht vom 
bloß lokalen Standpunkt auf ein enges Gebiet sich beschränkt, 
sondern von großen Gesichtspunkten die Probleme der 
städtischen Baugesetzgebung allgemein giltig erörtert. 
„Anhaltspunkte für die Verfassung neuer Bau— 
ordnungen in allen, die Gesundheitspflege betreffenden Be— 
ziehungen“, so betitelt sich ein stattlicher Band, der als Bericht 
an den obersten Sanitätsrath vom Hofrath Architekten Franz 
v. Gruber, unter Mitwirkung des Obersanitätsrathes Dr. Max 
Gruber, verfaßt worden ist. Hofrath Gruber nennt seine 
Arbeit nur „Anhaltspunkte“, sie enthält aber nicht blos Anhalts— 
punkte, sie umfaßt vielmehr die grundlegenden Prinzipien und 
Richtung gebenden Ideen für die moderne Baugesetzgebung über— 
haupt, und obwohl der Autor nicht beabsichtigte, wie er sagt, 
Regeln zu geben, welche für alle Orte, zugleich zu gelten hätten, 
da, wie die Städte selbst, auch ihre Bauordnungen ein eigen— 
artiges, individuelles Gepräge zeigen müssen, so hat er doch 
ganz allgemein und für überall giltig die Bedingungen fest— 
gestellt, wie durch die Baugesetzgebung die physische Wohlfahrt 
der Bevölkerung berücksichtigt werden muß. 
Zunächst strebt Hofrath Gruber an, daß dem An— 
rinander- und Nebeneinanderwohnen in den großen Städten 
in Zukunft so viel als möglich vorgebeugt werde, und er 
behandelt zunächst den Stadtregulirungs- und Erwei— 
terungsplan. Die Nothwendigkeit desselben erörternd, ge— 
langt er zur Eintheilung der Städte in Bauzonen, bespricht 
die Verkehrslinien, Haupt- und Nebenstraßen, Parkanlagen 
und die Nothwendigkeit der Enteignung und gelangt zur 
Erörterung der räumlichen Gestaltung der Wohngebäude 
und deren Bezug zur Umgebung. Hier sind es besonders die 
Erhellung und Lüftbarkeit der Innenräume, denen er seine 
Aufmerksamkeit widmet und deren Verhältnisse streng wissen— 
schaftlich behandelt werden. Des Weiteren werden die ver— 
schiedenen Arten von Wohnungen in Bezug auf Anzahl, 
Bröße und Höhe der Räume, sowie auf deren Eintheilung 
untersucht und die Baukonstruktionen der Wohngebäude eim 
gehend in ihren Wechselbeziehungen zur Hygiene erörtert. 
Die Feuerungs-, Heizungs- uͤnd Lüftungsanlagen in 
Wohmngebäuden, die Wasserversorgung, sowie die Anlagen 
zur Ansammhlung und Entfernung der häuslichen Abfall— 
stoffe aller Art, sowie des Niederschlags- und Grundwassers 
bilden die nächsten Abschnitte, worauf die Kapitel über Gas— 
leitungen, elektrische Beleuchtungs- und Kraftüber— 
tragungsanlagen und Blitzableiter folgen. Sehr aus— 
führlich sind die Industriebauten behandelt, sowie die 
Gebäude oder Räume für größere Ansammlung von Menschen 
*Neral. den nachfolgenden Ariikes 
Die NRedakion
	        
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