Zur Berechnung der Cebäudeabnutzung. — Tie Abtragung des Hippodrom in Paris.
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schieden worden, ob die Schuld persönlicher oder dinglicher
Natur, und ob sie durch den Gewerbebetrieb des Steuer—
pflichtigen oder durch andere Geschäfte veranlaßt ist, vielmehr
vird die Abzugsfähigkeit der Zinsen ohne Rücksicht auf den Ent—
tehungsgrund und auf die wirthschaftliche Bedeutung der
Schuld ganz allgemein vorgeschrieben. Ter 8911 Xr. 1
des Gesetzes findet auf den vorliegenden Fall keine Anwendung.
Denn diese Bestimmung, welche zu dem Zweck in das Gesetz
zufgenommen ist, um durch den Gegensatz den Sinn der Vor—
schriften unter J deutlicher hervortreten zu lassen und Miß—
jerständnissen vorzubeugen, spricht nicht von der Zahlung von
Zinsen. Weil Zinsen für den Zahlenden die geschuldete Ver—
zütung für eine ihm gewährte Kapitalnutzung sind, dieselben
zuch in diesem Sinne von dem Gläubiger entgegengenommen
werden, so kann die Zahlung von Zinsen für den Zahlenden
veder eine „Verbesserung“ oder Vermehrung des Vermögens,
ioch eine „Kapitalaulage“ .sein; auf das die rechtliche Natur
der verzinslichen Schuld bestimmende Rechtsgeschäft oder auf
den bei'm Abschluß desselben seitens des Schuldners verfolgten
virthschaftlichen Zweck kommt es dabei nicht an. Es macht
also bei der angedeuteten objektiven Natur der Zinszahlung
einen Unterschied, ob die verzinsliche Schuld durch Kauf oder
Darlehn entstanden ist, ob und wann sie etwa auf den er—
kauften Grundstücken eingetragen ist, ob bei'm Ankauf derselben
die Absicht des Wiederverkaufs oder andere wirthschaftliche
Pläne bei dem Käufer vorhanden sind; insbesondere ist den
Zinsen von Schulden, welche zum Zweck der Verbesserung des
Zrundbesitzes gemacht worden sind — obschon die für diesen
Zweck verwendeten Beträge selbst nicht abzugsfähig sind — der
Abzug nicht zu versagen. (Vergl. auch die Nr. 5 des Ar—
ikels 24 der Ausführungsanweisung, am Ende). Auch der
Imstand würde also nicht in's Gewicht fallen, daß das Grund—
tück, dessen verzinsliche Hypotheken in Frage stehen, etwa als
Bauterrain oder Bauplatz anzusehen wäre, weshalb dahinge—
tellt bleiben kann, ob diese von dem Beschwerdeführer gewählte
zezeichnung auf die Grundstücke des Steuerpflichtigen an—
vendbar ist, und wen — wenn es darauf ankäme — die
Beweislast bezüglich der Beschaffenheit der Grundstücke als
Bauterrain treffen würde. Auch durch Artikel 24 Nr. 4 und
Artikel 4 II Nr. 1 der Ausführungsanweisung, auf die der
Beschwerdeführer hingewiesen hat, kann die Beschwerde nicht
zerechtfertigt werden. Weil keineswegs feststeht, daß die
Zrundstücke des Steuerpflichtigen „Bauplatz“ sind, liegt der
Thatbestand eines der daselbst aufgeführten Beispielsfälle nicht
yor. Aber auch wenn dies der Fall wäre, würde es immer
noch vorab auf die Bedeutung des in Artikel 24 Nr. 4 an
die Spitze gestellten allgemeinen Satzes ankommen, wonach
'olche Schuldenzinsen, welche nach ihrer wirthschaftlichen Be—
»eutung für den Schuldner als Kapitalanlage anzusehen sind,
nicht in Abzug gebracht werden sollen. Derselbe läßt sich zur
Anterstützung der Beschwerde nur dann verwerthen, wenn und
oweit er sich mit dem schließlich doch allein maaßgebenden Ge—
setze, also mit der Bestimmung in 89 II Vr. 1, die hier
nur in Frage kommt, deckt; oder anders ausgedrückt: die in
)er angegriffenen Entscheidung ausgesprochene Billigung der
Zinsenabrechnung gefährdet, auch wenn diese Abrechnung mit
dem Wortlaute des Artikels 24 Nr 4 nicht harmoniren sollte,
»en Bestand der Entscheidung nicht, falls und soweit diese mit
dem Gesetze, auf welches jener Artikel ja hinweist, sich in
Uebereinstimmung befindet. Letzteres trifft zu, da 89 1,2
die Abrechnung der Schuldenzinsen gestattet, F 9 II 1, wie
zezeigt, von Zinsen überhaupt nicht handelt und ein Verbot
der Abrechnung irgendwelcher Schuldenzinsen im Gesetze nicht
ausgesprochen ist.
In anderen ähnlichen Fällen, so schreibt das Fachblatt „Das
Brundeigenthum“, dem wir vorstehenden Beitrag entnehmen,
ind seitdem übereinstimmende Entscheidungen in demselben
Sinne ergangen. Da demnach vorauszusehen ist, daß die
Vorschrift im Artikel 24 Nr. 4 der Ausführungsanweisung,
deren Inhalt wir oben wiedergegeben haben, in dem Be—
chwerdeverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht keine An—
rkennung finden wird, so hat der Finanzmminister eine Ver—
ügung erlassen, nach welcher jene Vorschrift nicht aufrecht er—
halten werden kann und daher bei künftigen Veranlagungen
nicht weiter angewendet werden soll.
Die Abtragung des Hippodrom in Paris“*).
Von Mar de Nansouty, Ingenieur in Paris.
Eines der in der ganzen Welt am meisten bekannten Bau—
verke von Paris ist eben von dem Platze, den es bisher ein—
genommen hat, verschwunden, nämlich der so bemerkenswerthe
Fisenbau des „Hippodrom“, der immer als ein Vorbild der An—
nuth und Eleganz für diese Art von Konstruktionen gegolten.
Das Hippodrem, welches nun nicht mehr besteht, wurde an
Stelle eines ähnlichen Etablissements errichtet, das eife Feuers—
»runst vor der Ausstellung im Jahre 1878 vernichtet hatte. Die
donftruktion für dieses neue Hipppprom wurde in den Werk—
tätten der Kompagnie von „Fives-Lille“ entworfen und aus—
zjeführt. Jedermann erinnert sich noch der baulichen Anordnung,
velche der Luft und dem Lichte die weitesten Räume darbot. Es
rhob sich auf vier riesigen, in der Rennbahn stehenden Säulen,
velche in der Längsrichtung des elliptisch angelegten Gebäudes
36 m, in der Breite 17 m von einander entfernt waren und
veiter auf 20 m im Umfang der Bahn aufgestellten Säulen
»uhte, die beiläufig 2,5 mähinter der Mauer, welche diese ab—
chloß, standen; im transversalen Sinne war der Abstand zwischen
ziesen Säulen 48 m.
Die Höhe bis zum untersten Balken des Daches betrug
20 m. die ganze Höhe der Konstruktion beiläufig 26 m. Der mittlere
Theil des Daches war mobil und konnte mit einer staunens—
verthen Leichtigkeit bewegt werden; er war in zwei Theile ge—
heilt, deren jeder auf neun Rädern ruhte, wovon je zwei durch
wei kleine Winden, die symmetrisch angebracht waren, in Thätig—
eit gesetzt wurden. Man konnte so die beiden Hälften des Daches
ehr bequem auf den zwei Rollbahnen, die hierfür an jeder Seite
esselben vorgesehen waren, zurückschieben und damit den Mittel—
aum aufdecken, was im Sommer ein schätzenswerther Vorzug
var. Die offene Rennbahn hatte 17 m eBreite auf 53 meLänge,
»as ist eine Grundfläche von 840 qm; ein Raum von 183 m
Tiefe im Umkreis derselben konnte bis 8000 Zuschauer auf—
rehmen: der totale gedeckte Raum des Riesensaales hatte 108 mw
Länge und 68 mm Breite, mithin 6080 qm.
Außer den geschäftlichen Ergebnissen dieser Unternehmung,
die wir nicht kennen, ist es gewiß, daß die im Hippodrom aus—
geführten elektrotechnischen Arbeiten von den Fachleuten, für die
ie berechnet waren, als ein Hilfsmittel zum Studium der Fort—
chritte der elektrischen Beleuchtung und aller übrigen überraschenden
Anwendungen der neuen Wissenschaft anerkannt wurden. Wenn
»as Schauspiel, das man im Saale sehen mochte, originell oder
eenhaft war, bot zu gleicher Zeit das, was man die Coulissen
ieses gewaltigen Etablissements nennen konnte, jeden Augenblick
nteressante Proben und Versuche mit elektrischer Beleuchtung und
traftübertragung, welche die Ingenieure mit Nusen verfolgten.
Weniger gluͤcklich, als sein Nachbar, der „Industrie-Palast“,
velcher dem Lauf der Jahre und den Veränderungen seiner Um—
jebung trotzt, war für das Hippodrom mit dem Ablauf des
Pachtes für das Terrain, auf dem es stand und das feinen
Figenthümern nicht gehört, das Ende herangekommen und es muß
iner Gruppe von Miethshäusern Platz machen, welche auf dem
Brunde errichtet werden dürften, der noch unter dem Rollen der
stennwagen und dem Stampfen der Rosse zu zittern scheint und
iuf dem wir gewiß eines Tages das Schauspiel einer Seeschlacht
ius der römischen Geschichte, aber von elektrischem Lichte be—
trahlt, hätlen betrachten können.
Man mußte das große Gebäude also demoliren. Da diese
zZerstörung seit dessen Errichtung leicht vorauszusehen war und
»eshalb die Montage mit Bolzenschrauben überall, wo das Nieten
ticht absolut nothwendig war, bewerkstelligt worden war, so bot
ziese Operation keine großen Bedenken. So sonderbar der Satz
nuch erscheinen mag: es ist vielleicht schwieriger, einen großen
Bau zu demoliren, ohne sein Material zur Wiederverwendung
inbrauchbar zu machen, als es aufzubauen. Wir haben glück—
icherweise in Paris Techniker, welche in der Kunst, zu demoliren,
ohne zu zerstören, geradezu Meister geworden sind; man hat sie
) Wir bringen diesen Aufsatz in autorisirter Uebersetzung aus dem
ranzösischen Fachblatt „Génie civil“, Nr. 561, und glauben, daß in
Fällen, in welchen es sich um die Abtragung großer öffentlicher Bau—
ichkeiten handelt, sich mancher schätzbare Wink aus dieser interessanten
Urbeit ergeben dürfte. DTie Red.