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Was ist eine Pferdekraft? — Entscheidungen — Litteraturbericht.
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Sekunden oder einigen Stunden geschehen ist. Wenn ein Holz—
macher eine Partie Holz in einem Tage klein macht, während
ein anderer zu demselben Vorrathe drei Tage braucht, so hat der
erste durchaus keine größere, sondern genau dieselbe Arbeit ge—
han, wie der zweite Im gewöhulichen Leben vermengt man ge—
woöhnlich mit dem Begriff Arbeit die Zeit, innerhalb deren sie
geleistet wird — übrigens auch nicht immer; denn wenn z. B
das Holzmachen im Akkord vergeben ist, so bezahlt man einfach
die geleistete Arbeit, unabhängig von der darauf verwandten Zeit
Der Physiker ist hier ganz strenge; für ihn ist bei dem Begriff
„Arbeu“ die Zeit, die auf sie verwandt wird, ganz außer Spiel.
Aus den obigen Auseinandersetzungen ergiebt sich, daß auch
eine kleine Krast eine große Arbeit leisten kann; man braucht
sie nur lange genug wirken zu lassen. Zu sagen, eine Maschine
leiste die und die Arbeit, hat daher keinen Sinn; sie kann eben
jede beliebige große Arbeit leisten, man muß ihr nur Zeit lafsen.
Man, sieht aber sofort, daß man ein Maaß für die Leistungs—
fähigkeit einer PRaschine hat, wenn man angiebt, welche Arbeit
sie in einer gewissen Zeit, z. B. in einer Sekunde, leistet. Diese
Größe, die von einer dtraft in einer gewissen Zeit geleistete
Arbeit, nennt man den Effekt der Krafi. Mean erhält den in
xm für die Sekunde gemessenen Effekt einer Kraft, wenn man
die von der Kraft geleistete, in gu ausgedrückte Arbeit durch
die Zahl der dazu verbrauchten Sekunden dibidirt. Wenn ich
25 m hoch hebe, so ist die geleiftete Arbeit gm,
zanz gleichgültig, ob ich 1, 2, 8, 12, 1/3 Sekunden darauf ver
wandt habe; der erzielte Effekt ist aber jedesmal ein anderer,
nämlich 25, 1212, 8/3, 50, 75 g pro Sekunde.
Hier verlangt ein Punkt besondere Besprechung. Oben war
die Rede davon, daß man durch geeignete Uebertragungsmittel,
z. B. durch Anwendung von Hebeln, die Kraft eiuer Maschine
beliebig vergrößern kann. Man könnte nun vielleicht meinen,
daß mittels der vergrößerten Kraft cuch ein größerer Effekt
erreicht werden könnte. Dem ist aber durchaus nicht so, denn
mit der Vergrößerung der Kraft geht Hand in Hand die Ver—
kleinerung des von der Kraft zurückgelegten Weges. Der Weg,
den beispielsweise bei der Bewegung eines Hebels der Endpunkt
des kurzen Armes zurücklegt, ist ebensoviel mal kleiner, als die
Kraft an diesem Hebelarm größer geworden ist. Der am kurzen
Hebelarm erzielte Effekt ist gieich dem am großen. So ist es
mmer Was an Kraft gewonnen wird, geht an Weg verloren.
Dieser Satz heißt die gohdene Regel der Mechanik
Nun können wir endlich sagen, was eine Pferdekraft ist.
Eine Pferdekraft ist der Effekt einer Kraft, die in einer Sekunde
eine Arbeit von 75 Xg leistet; sie ift also gleich 75 gm pro
Sekunde. Wenu jemand 37 ꝓg in einer halben Sekunde
einen i hoch hebt, so hat er in diesem Augenblick einen Effek!
geliefert von einer Pferdekraft. Ein Mensch kann alfo sehr wohl
rine Pferdekraft leisten, freilich nur für seht kurze Zeit; soll die
erwähnte Arbeit des Gewichtshebens mehrmals hintereinander
ausgeführt werden, so wird die Geschichte bedeutend langsamer
zgehen. Den Effekt, den ein Arbeiter bei zehnstündiger Arbeits-
zeit ohne nachhaltige Ermüdung zu liefern im stade ist, kann
man hei startem Körperbau auf 10, bei schwachem auf 6, im
Mittel auf 8 4 pro Sekunde veranfchlagen
Dic auf die Bewegung der Glieder derwandte Arbeit bleibt
hier wie bei den folgenden Beispielen unberücksichtigt. Ein großer
Effekt wird gewöhnlich beim Treppensteigen geliefert; man ist
nicht ohne Grund außer Athem und momentan ermüdet, wenn
man rasch eine Treppe hinaufgesprungen ist. Wenn jemand,
dessen Körpergewicht 75 E beirägt, die 65 hohe Plauform
des Straßburger Möünsters ersteigt, so braucht er zum Heben
seines Körpergewichts eine Arbelt von 75,65 4875 gm.
Wenn er diese Arbeit in 65 Sekunden leistet, so wäre der er—
zielte Effelt gleich einer Pferdekraft Es vith aber wohl kaum
jemand eine Minute lang eine Pferdektaft leisten können.“un
den mittleren Effekt eines Arbeners zu leisten, kann man sich
1855: 8 * 609 Sekunden oder eiwa 10 Minmen Zeit zum Be—
steigen lassen. Wenn jemand, wieder 75 xg Körpergewicht vor⸗
ausgesetzt, in zwei Stunden einen 1000 hohen Berg besteigt,
so ist die zum Heraufbefördern des Körpers erforderliche Arbeit
ο αα, der Effett 75 000: 7200 2 164 α prο Setunde
Beim Gehen in horizontaler Richtung hebi und senkt sich der
Schwerpunkt des Körpers bei jedem Schritt.
Wenn ein 75.8 schwerer Vann in der Sekunde 1!/⸗ Schritte
macht und sich sein Schwerpunkt bei jedem Schritte um 2 cin
hebt und senkt, so ist der auf die periodische Hebung des
re aufgewandte Effekt 70)00ι, α pr
iEs ist nicht menr als billig., daß Twir die menschlichen
Leistungen vorangestellt haben; nun hat aber auch die Frage kein
jeringes Interesse: welchen Effekt liefert ein Pferd?
Die von einem lebenden Motor geleistete Arbeit besteht aus
zwei wesentlich verschiedenen Theilen; der eine Theil wird als
nnere Arbeit zum Fortbewegen des Körpers und zur Bewegung
der Glieder verwandt, der andere kann als äußere Arbeit nutzbar
gemacht werden. Wenn ein Pferd sich mit seiner größtmöglichsten
Beschwiudigkeit fortbewegt, so braucht es seine ganze Kraft zur
Leistung von innerer Arbeit; es kann keine äußere Arbeit mehr
eisten. Je mehr die Geschwindigkeit abnimmt, umsomehr
kraft kann es auf die äußere Arbeit verwenden. Bei einer ge—
vissen Geschwindigkeit ist die äußere Arbeit ein Maximum . Man
tann diese Geschwindigkeit auf etwa 122 in der Sekunde ver—
inschlagen. Bei dieser Geschwindigkeit entwickelt ein starkes
Pferd eine Zugkraft von etwa 75, ein schwaches von 40, ein
nittelstarkes von 57 8. Die Zugkraft kann unmittelbar mittels
»es Dynamometers bestimmt werden. Es ist dies nichts anderes
ils eine Feder, die zwischen das Pferd und die von ihm zu be—
ördernde Last eingeschaltet wird. Die Feder wird dann bis zu
einem Grad zusammengedrückt; die Zugkraft ist danu gleich
dem Gewicht, welches die Feder ebensosehr zusammendrückt.
Wir sehen aus den obigen Angaben, daß ein starkes Pferd
eine Pferdekraft leisten kann, ein schwaches dagegen wenig mehr
als die Hälfte; im Mittel beträgt die Leistung APferdekraft.
Run muß aber noch berücksichtigt werden, daß ein Pferd diese
Leistung bei etwa achtstündiger Arbeit liefert, während eine
Maschine täglich 24 Stunden arbeiten kann; daher liefert ein
Pferd thatsächlich im Laufe von 24 Stunden nur ein Drittel der
obigen Leistungen, oder ein lebendes Pferd leistet durchschnittlich
ein Viertel von dem, was ein Maschinenpferd leistet.
Zum Schlusse noch einige Mittheilungen über den Ursprung
des Namens Pferdekraft. Dieser Begriff hat sich an den Dampf—
maschinen emporgearbeitet. Die ältesten Dampfmaschinen, z. B.
»on Newcomen, wurden in den Bergwerken verwandt, und zwar
nsbesondere zum Wasserpumpen; sie ersetzten hier den Pferde—
hetrieb. Der Bergwerksbesitzer, der sich zu einer Dampfmaschine
zufgeschwungen hatte, sagte nun: Früher mußte ich so und so
piel Pferde laufen lassen; meine Maschine ersetzt mir diese; sie
leistet so viel Pferdekräfte. Mit der Zeit fiel die Möglichkeit
des unmittelbaren Vergleiches weg; der Name Plerdekraft blieb
aber und war ein sehr schwankendes Maaß für die Leistung einer
Maschine, bis sie in der Entwickelung der Mechanik auf die oben
angegebene Größe festgesetzt wurde. „K. 8.“
Entscheidungen.
Zum Begriff des Betriebsbannes. Nach einer
neuerlichen Eutscheidung des Reichs-Versicherungsamts ergiebt sich,
daß die Arbeiterwohnungen, die von dem Fabrikgrundstücke durch
Mauern, feste Planken oder Zäune u. s. w. völlig getrennt sind,
nicht als im Banne des Betriebes liegend angesehen werden,
'ondern nur die ohne äußerliche Trennung auf dem Fabrikterrain
elbst belegenen oder sich daran anschließenden derartigen Räume.
Die Entscheidung gewinnt für alle Berufsgenossenschaften der
Großindustrie, bei denen Arbeiterwohngebäude in Frage kommen,
zine grundsätzliche Bedeutung, da sie dann nicht mehr für die
bei den Wohngrundstücken eintretenden Unfälle mithaften, welche
den Gefahren des gewöhnlichen Lebens entstammen uud mit der
Betriebsstätte als solcher und der Betriebsarbeit außer jedem
ursächlichen Zusammenhange stehen.
Litteraturbericht.
Anlagen zur Vermittelung des Verkehrs in den
Gebäuden: Treppen und innere Rampen. Von Otto Schmidt,
Architekt und Lehrer an der Baugewerkschule in Posen und
IAr. Eduard Schmidt, Geh. Baurath und Professor an der
echnischen Hoschule in Darmstadt. — Aufzüge. Von Philipp
Mayer, Kaiserl. Rath und Maschinenbau-Ingenieur in Wien.
— Sprachrohre; Haus- und Zimmer-Telegraphen. Von Josef
Krämer, Oberingenieur in Dresden. Zweite Auflage. JüGt/ Bogen
Lex.“Oktadv. Mit 576 Abbildungen im Text. „Handbuch der
Architektur“, III. Theil, 3. Band, Heft 2. Arnoid Bergsträßer,
Verlagsbuchhandlung (A. Kröner) Stuttgart. Preis geheftei
14 Mark. In Halbfranz gebunden 17 Maͤrk.
Schon die Thatsache, daß von obigem Heft binnen ver—
hältnißmäßig kurzer Zeit eine zweite Auflage nothwendig ge—
worden ist, liefert den Beweis. daß es — ungeachtet pieler añderer