55
Vorgehen gegen säumige Zahler. — Die alte und die neue Richtung in der Baulunst.
Frage. Es muß mit Brandftiftung, Herbeiführung einer Ueber—
chwemmunng, Beschädigung einer Eisenbahn, einer Wasserleitung,
eines Dammes, einer Brücke, eines Wehrs usw., mit Zerstörung
»der Fälschung eines Schiffahrtszeichens, Herbeiführung einer
Strandung oder Vergiftung eines Brunnens gedroht werden.
Der Begriff der Bedrohung ist so scharf abgegrenzt, daß ein
inständiger Gläubiger kaum in die Gefahr kommen wird, sich
iner solchen schuldig zu machen. Mit der Begehung eines Ver—
»rechens oder gar eines gemeingefährlichen Verbrechens wird so
eicht nicht gedroht, wenn es gilt, einem säumigen Schuldner
eine Pflicht ins Gedächtniß zurückzurufen.
Anders liegt es mit der Röthigung. Wegen Nöthigung
vird bestraft, wer einen andern widerrechtlich durch Gewalt oder
»urch Bedrohung mit einem Verbrechen oder Vergehen zu einer
Handlung, Duldung oder Unterlassung zu bewegen sucht. Es
jenügt aber im Gegensatz zur Bedrohung bei der Nöthigung auch
chon die Drohung mit einem Vergehen, also z. B. dem der Be⸗
eidigung. Wie die einfache Bedrohung, wird auch die Röthigung
nur auf Antrag bestraft.
Der Gläubiger, der seinen Schuldner mahnen will, kann
ich leicht einer Nöthigung schuldig machen, wenn er ihm z. B.
chreibt: „Falls Sie die Schuld nicht bis 15. Februar beglichen
Jaben, werde ich Sie öffentlich bloßstellen, oder: „Wenn Sie
nicht umgehend bezahlen, werde ich dafür sorgen, daß Ihre Hand—
ungsweise in weiteren Kreisen bekannt wird“ oder: „Wenn Sie
ticht umgehend zahlen, werde ich Sie in die Liste der faulen
dunden eintragen lassen“ usw. Hier wird damit gedroht, den
Schuldner an setner Ehre zu kränken, ihn herabzusetzen, also
nit dem Vergehen einer Beleidigung. Dagegen kann man dem
—ADDD—
nachen, schreiben: „Sofern Sie nicht bis 15. Februar bezahlen,
sehe ich mich genöthigt, gerichtliche Hilfe gegen Sie in Anspruch
in nehmen,“ oder „Sie zu verklagen,“ oder „Ihre Schuld einem
Schuldeinziehungsbureau zu verkaufen“ usp. Man kann auch
einem Schuldner, der sich arglistiger Weise den Kredit erschlichen
Jjat, ohne sich einer Nöthigung schuldig zu machen, mittheilen,
daß man ihn, sofern er nicht umgehend die Sache regle, leider
»ei der Staatsanwaltschaft anzeigen müsse. Man schreibt dies
a nur, um dem Schuldner Gelegenheit zu geben, sich von der
Befahr einer strafrechtlichen Verfolgung durch Ausgleich der
Schuld zu befreien. In allen diesen Fällen liegt weder Drohung
nit einem Verbrechen, noch eine solche mit einem Vergehen vor,
ind es kann daher keine strafbare Handlung in dem Vorgehen
gefunden werden. Gröberen Geschützes aber bedarf es gar nicht,
denn wo solche Mahnungen fruchtlos sind, da heißt es handeln,
da sind alle Worte verloren.
Es ist schließlich noch nothwendig, ein paar Worte über
die Erpressung zu sagen, die im täglichen Verkehr oft mit der
Nöthigung verwechselt wird.
Wegen Erpressung wird derjenige bestraft, der, um sich oder
reinem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvortheil zu ver—
chaffen, einen Anderen durch Gewalt oder Drohung zu einer
Handlung, Duldung oder Unterlassung nöthigt, und zwar mit
Befängnißstrafe nicht unter einem Monat. Von der Bedrohung
interscheidet sich die Erpressung dadurch, daß ein bestimmter
3weck vorliegen muß, nämlich die Erreichung einer Handlung,
Duldung oder Unterlassung seitens des Genöthigten. Von der
Nöthigung nuterscheidet sich die Erpressung dadurch, daß bei
etzterer die Erreichung, Duldung oder Unterlassung angestrebt
wird, um für sich oder einen Dritten einen rechtswidrigen Ver—
nögensvortheil zu erreichen. Bei der Erpressung genügt im
Begensatz zur Nöthigung jede Drohung.
Man sieht aus dem Vorhergehenden, daß der gutgläubige
vläubiger kaum in die Gefahr kommen wird, sich bei einer noch
o energischen Mahnung einer Erpressung schuldig zu machen,
denn es handelt sich bei ihm unr darum, seine rechtmäßige
Fordernng beglichen zu sehen. Würde allerdings der Schuldner
in Recht haben, von Begleichung dieser Schuld abzusehen, weil
ie z. B. verjährt ist, oder weil auch der Gläubiger seinen Ver—
dindlichkeiten nicht gerecht geworden ist, und würde dies der
Bläubiger selbst wissen, so wuürde er sich einer Erpressung schuldig
machen, weun er krotzdem versuchen würde, durch Drohuüngen den
Zchuldner zur zzahlung zu bewegen.
(Keramische Rundschau.)
Die alte und die neue Richtung
in der Baukunst.
III. (Schluß.)
Der zukünftige Architekt muß aber auch ein Gentleman sein.
Die Zeiten sind vorbei, in denen alle Diejenigen ehrlich waren,
die nicht stahlen. Aristides würde heute seiner Armuth wegen
ticht gefeiert werden. Das gilt uns für selbstverständlich. Für
Recht und Unrecht werden wir immer feinfühliger. Als letzte
donsequenz wird nun die Folgerung aufgestellt werden: Der
Architekt lüge auch in Bezug auf das Material nicht. Wohi
vird dieses Verlangen schon dadurch erfüllt, daß der Architekt
elbst alles im Material zur Ausführung bringen muß. Denn
»er Handarbeiter kennt diese Lüge nicht. Die wurde erst von
em zeichnenden Architekten in die Architektur hineingebracht.*)
Da aber der Architekt nicht alle Materialien gleichmäßig be—
serrschen kann (thatsächlich kann jeder Mensch nur eines), so
vird sich eine Spezialisirung ausbilden, wie sie ja früherer Zeit
tets eingehalten war: der Steinarchitekt (Steinmetz“**) und der
Ziegelarchitekt (Maurer), der Stuckarchitekt (Stuckateur) und der
dolzarchitekt (Zimmermann). Man will eine steinerne Kirche
saben, gut, man geht zum Steinmetz. Man will eine Rohbau—
aserne. Die macht der Maurer. Man will ein Stuckwohnhaus.
HYan giebt dem Stuckateur den Auftrag. Man will einen hölzernen
Plafond im Speiseisaal. Den macht der Zimmermann.
Ja, aber — so wird man einwenden — wo bliebe dann
)ie gleichartige künstlerische Durchbildung. Ich leugne die Noth—
vendigkeit einer solchen. Daß auf diese Weise in alter Zeit
serrliche Bauwerke entstanden, wird Niemand ableugnen. Ein
Bauwerk, dessen sämmtliche Details bis auf die Schlüsselschilder
uus einem Kopfe hervorgegangen sind, verliert alle Frische und
vird langweilig. Immer dasselbe Ornament, immer dasselbe
Profil, bald ein bischen größer, bald kleiner, an der Faffade,
um Hausthor, im Vestibüle, im Mosaitpflaster, in der Laterne,
n der Tapete. Welch' prächtiger Raum ist nicht der goldene
Zaal im Rathhause zu Augsburg. Und doch verdankt er zwei
dünstlern seine Entstehung: dem Baumeister Elias Holl die
—
vunderbare Decke. Aber die gleichartige künstlerische Durch—
bildung wird schon durch die Arbeitstheilung illusorisch. Wie ofr
erbinden sich zwei, ja drei Architekten zu einer Firma und die eigent—
iche Ausführung überläßt man einem Heer von Zeichnern. Wie
leicht wird sich das in der Weise modificiren, daß ein Künstler,
der Chef, die Skizze macht und nun das Detail Zeichnern über—
äßt, die ihr Handwerk auch gelernt haben. Der Chef selbst wird
vohl korrigiren, wird sich aber dem sachverständigen Urtheile
eines Mitarbeiters gerne fügen. Der Künstler selbst wird aber
ines der vier früher genaunnten Handwerke beherrschen müssen. —
*
Einer mehr von der neuen Richtung beeinflußten Auffassung
giebt Leopold Bauer (III. Preis) Ausdruck, der einleitend be—
tont, daß die Kunstform immer das „scheinbar Konstruktive“
einer früheren Bauweise ist, welche verloren gegangen oder durch
bessere Konstruktionen ersetzt worden sei.
Eine Bauweise oder eine Konstruktion kommt für die Kunst
mmer erst in Betracht, wenn dieselbe real nicht mehr erforderlich
st. Das Ideal, das Manchem vorschwebt, zeitgemäße Kon—
truktion selbst in architektonischer Schönheit erstehen zu sehen,
väre nur erreichbar, wenn die Menschheit von allen Fesseln des
Beharrungsvermögens befreit würde, d. h. nach menschlichem Er—⸗
nessen niemals. Wir werden daher beim Bauen immer in Er—
nnerungen schwelgen und frühere Konstruktionsformen zur Ver—
deutlichung der statischen Beanspruchung hinzufügen. Die
) Man begegnet hier manchmal Einwänden, die scheinbar Be—
rechtigung haben. So wird auf die Stuccolustro-Arbeiten der italienischen
senaissance hingewiesen. Das ist doch direkte Marmorimitation. Ich
nöchte dagegen einwenden, daß die altlen Marmoxrirer weniger das
Material, sondern die prächtige Zeichuung des Marmors nachzuahmen
uchten. Das thut ja der Steinmetz auch, der eine Maske, ein Akanihus,
in Feston in sein Material zu übertragen sucht. Aber die alten Nar—
norirer, zum Unterschiede von ihren modernen Nachfolgern, versuchten
es nie, Haarfugen zu imitiren. Im Gegentheil: in der Verarbeitung
aroßer Flächen ohne Fuge erblickten sie ja den Vorzug vor dem echten
Darmor. Das nenne ich cchten, stolzen Handwerksgeist, gegen den mir
unsere Stuckateure wie armselige Schwindler vorkommen, die ununter—
hrochen fürchten, auf frischer That ertappt zu werden.
*x, Man beobachte die Größe, die in dem Titel liegt: Friedrich
Schmidt, ein deutscher Steinmetz. Bekanntlich wehrte sich Dombaumeister
— als Architekt zu gelten. Stets betonte er seinen handwarklichen
Beruf.